Abschnitt. 1

Das Schaufenster, dessen reichhaltige und geschmackvolle Ausstattung mit Waren naturgemäß sehr nahe liegt, hat besonders in unserer Zeit, wo die Bevölkerung sich immer mehr in großen Ortschaften zusammendrängt, an Bedeutung gewonnen.

In neuerer Zeit werden die Schaufenster möglichst groß, weit und hell angelegt. In älteren Geschäftshäusern werden sie umgebaut, erweitert oder sogar etwas vorgebaut, und es gibt Firmen, die das ganze Jahr mit dem Umbau von Schaufenstern beschäftigt sind. Jeder Geschäftsmann sucht seinen Nachbar oder Konkurrenten zu übertreffen, und wenn man auch nicht leugnen kann, daß große Schaufenster ihre Vorzüge haben, so verliert doch das einzelne an Ansehen, sobald in der ganzen Straße alle Schaufenster so groß sind. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, daß einzelne Geschäfte, deren Schaufenster mehr auf eine intime Wirkung berechnet ist, z. B. für Kunstwerke und andere Luxusgegenstände, in Zukunft wieder zu einem kleineren, vornehmer wirkenden Schaufenster zurückkehren und dadurch in der langen Flucht großer Scheiben einer Straße viel mehr auffallen als jetzt.


Bei der Beschränktheit vieler Ladenräume sind manche Geschäftsleute gezwungen, in der Auslage möglichst viel Waren unterzubringen. Man soll sich aber hier vor einem Zuviel hüten und dafür sorgen, daß die Auslage übersichtlich bleibt und, ohne zu sehr auffällig zu sein, doch die Beachtung der Vorübergehenden findet und einen gewinnenden Eindruck hinterläßt. Fenster und Spiegelgläser seien stets sauber. Mit der Beleuchtung spare man nicht. Die ausgelegten Waren sollen möglichst oft erneuert werden, wobei natürlich stets auf die Saisonartikel Rücksicht zu nehmen ist. Es empfiehlt sich, von Zeit zu Zeit einen neuen oder besonders wichtigen Artikel in größeren Mengen auszulegen, um die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden in erhöhtem Maße anzuziehen. Ein Geschäft, das seine Schaufensterauslagen stets sauber hält und öfter erneuert, wird einen besseren Eindruck machen als ein solches, das sie vernachlässigt. Große Geschäfte halten eigene Dekorateure, während mittlere und kleinere sich mit sogenannten Wanderdekorateuren behelfen oder einen ihrer Angestellten, der guten Geschmack besitzt, mit der Ausschmückung der Schaufenster betrauen.

Das Schaufenster oder die Auslage ist ein vorzügliches Reklamemittel, unter Umständen sogar das beste. In dem Schaufenster können alle möglichen Gegenstände ausgestellt und den zahlreichen Vorübergehenden vor Augen geführt werden. Bei vielen Geschäften, insbesondere den Konfektionsgeschäften, ist eine gute Auslage heutzutage das halbe, oft das ganze Geschäft; die Art. wie die zu verkaufenden Waren angeboten werden, umfaßt das Geheimnis ihrer Verkäuflichkeit. Das Schaufenster spielt eine in früherer Zeit nie geahnte und gewiß nicht genügend gewürdigte Rolle im heutigen Geschäftsleben. Überall in den Großstädten haben die großen Geschäfte nach belebten Hauptstraßen übersiedeln müssen, weil sie einsahen, daß sie der Konkurrenz erliegen würden, wenn sie nicht in verkehrsreicher Gegend ihre Herrlichkeiten angemessen zur Schau stellen. Das Schaufenster belebt die moderne Straße und schafft zum Teil den Verkehr. Zur Genügsamkeit erzieht uns das Studium der Schaufenster nicht. Wenn man z. B. vor Jahrzehnten sich begnügte, den obligaten qualmenden Neger oder Indianer im Fenster der Tabakgeschäfte gebührend zu bewundern und sich dann zu bescheidenem Einkaufe zu entschließen, so üben heute die ,,Zigarren-Präsentkisten“ von elektrischem Glühlicht beleuchtet, eine ganz andere Anziehungskraft aus. Noch mehr aber hat auf anderen Gebieten das Kunstgewerbe sich auf die Herstellung ganz erstaunlich wohlfeiler, wahrhaft schöner, formvollendeter Gegenstände erstreckt.

Es ist durchaus nicht leicht, ein Schaufenster richtig zu dekorieren. Im allgemeinen kann man die Beobachtung machen, daß manche Kaufleute die Schaufenster mit zu vielen Gegenständen zu füllen pflegen; die Ladenbesitzer verfehlen die beabsichtigte Wirkung durch das Bestreben, in den Auslagen möglichst alle die verschiedenartigen Dinge zu zeigen, welche man bei ihnen kaufen kann. Dadurch wird die Übersichtlichkeit gestört und der Gesamteindruck herabgemindert; die Ausstellung bietet ein unruhiges Bild, statt durch einfache Linien und Formen auf die Entfernung zu wirken und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es ist eine Ungeschicklichkeit, das Warenlager einfach ins Schaufenster ,,hinüberzuräumen“. Was hinter der Spiegelscheibe nur ,,untergebracht“ ist, kommt dort nicht zur Geltung; es muss sich dort auch mit einer gewissen Freiheit und Übersichtlichkeit, in schönem Aufbau, in klarer Farbenharmonie darbieten. Oft enthüllt ein geschicktes Wenig mehr, als ein plumpes Viel. Und es gibt z. B. Konfektionsgeschäfte, die für den Beschauer und mehr noch für die Beschauerin nur hier und da eine Robe, ein Cape, eine Bluse mit gut berechneter Nonchalance hingelegt haben und dadurch weit größeren praktischen Effekt erzielen, als hätten sie Stück neben Stück gereiht.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmännische Propaganda.