Das Firmenschild.

Firmenschilder sind besonders für den Detaillisten, dem es daran liegen muß, dem großen Publikum seines Ortes bekannt zu werden, von bedeutendem Werte. Eine Hauptsache ist es daher, die Schilder günstig zu plazieren, sie so anzubringen, daß jeder sie sehen kann. Trotzdem finden wir hoch oben auf vier- und mehrstöckigen, in der Mitte verhältnismäßig schmaler und verkehrsreicher Straßen gelegenen Häusern Firmenschilder meist recht teurer Gattung, die niemand sieht, weil der Vorübergehende niemals zu einem geeigneten Standpunkt kommt. Flach in der ersten, zweiten, ja dritten Etage angebrachte Schilder sind ebenfalls ziemlich wirkungslos; auch solche über hohen Schaufenstern können nur von den Augen der Passanten der anderen Straßenseite bemerkt werden. In letzter Zeit stark in Aufnahme gekommen sind die im rechten Winkel zur Hausfront befestigten Schilder, die sogenannten Nasenschilder, die von beiden Seiten benutzt werden können. Sie bilden bis jetzt bei Tage die beste Hausreklame, während sowohl am Tage, als auch besonders nach eingetretener Dunkelheit Transparent-Laternen, deren beschriebene Flächen ebenfalls im rechten Winkel mit der Straßenfront stehen müssen, ganz besonders wirksam sind. Man muß auch Rücksicht darauf nehmen, den Beschauer der Auslagen, der die außerhalb seines Gesichtskreises plazierten Schilder nicht sieht, darauf hinzuweisen, wessen Schaufenster er betrachtet. Vielfach sind entweder die Scheiben mit der Firma beschrieben, oder sie ist unten auf der Schaufensterbrüstung angebracht. Was die Farbe der modernen Firmenschilder betrifft, so war früher die schwarze vorherrschend, doch ist man in neuester Zeit mehr und mehr davon abgekommen. Besonders elegant sehen die unter Glas gemalten Firmen- und Reklameschilder aus, namentlich wenn der Farbeneffekt durch bunte Embleme, Wappen usw. gehoben wird. Als Reliefbuchstaben finden solche aus Glas, Holz, Metall usw. vorwiegend in Gold, Verwendung. Umrahmungen der Schilder sind oft aus Eisen geschmiedet.
Über die Firmenschilder schreibt in der ,,Welt des Kaufmanns“ (1911) Paul Westheim:
,,Die Zentralstelle für die Interessen des Berliner Fremdenverkehrs hat sich gegen die Verunstaltung des Straßenbildes durch häßliche, übergroße und schlecht angeordnete Firmenschilder ausgesprochen. In diesem Ausschuß sitzen keineswegs nur dünnblütige Ästheten, deren Nerven sich aufbäumen gegen alles, was nach frisch pulsierendem Leben schmeckt; vielmehr sind es zumeist real und sachlich denkende Menschen, die unter anderem die Schaufensterwettbewerbe angeregt haben, die also ganz und gar nicht an eine der so beliebten Hetzen gegen die Reklame denken. Das Firmenschild ist unerläßlich für den Mann an der Straße, der seinen Namen und sein vorteilhaftes Angebot, sein Metier und seine Spezialität den Passanten entgegenschreien muß. Es gibt auch in Berlin so manches Schild, das sich vor dem kritischen Auge sehen lassen kann. (In München herrscht sogar ein ganz annehmbarer Typ vor!) Wer einigermaßen an der Spree Bescheid weiß, kann ein Schock aus dem Stegreif herzählen. Aber was bedeutet dieses Schock für eine Riesenstadt mit ihrer Riesenzahl von Kaufmannsschildern?! Der Hinweis der Zentrale wird wenigstens das Gute haben, daß man in Zukunft etwas über oder auch an dieses notwendige Reklamehilfsmittel denken muß. Jetzt pflegte der Kaufmann sich daran erst im allerletzten Augenblick zu erinnern — und der Architekt vergaß es ganz. Zugegeben, daß man sehr oft vor einer Zwangslage stand. Beim Anwachsen der Stadt werden die Wohnhäuser zu Geschäftshäusern. Im Erdgeschoß werden Läden ausgebrochen, nach ein paar Jahren werden die oberen Geschosse für Bureauzwecke vermietet. Man richtet sich recht und schlecht ein, am Ende fehlt's nur an Mauerflächen für die vielen Schilder, die wie Beulen wild und wirr emporwuchern. Aber selbst an ganz neuen Geschäftshäusern, die niemals eine andere Bestimmung hatten, läßt sich diese Schildernot beobachten. Der Architekt, der so verliebt in seine Fassade gewesen, jammert nach der Fertigstellung über die aufdringlichen Reklameschilder — für die er keinen Platz vorgesehen hatte. Natürlich kann es für solche Nachlässigkeit keine Entschuldigung geben. Er hätte aus den Firmenschildern selbst dekorative Möglichkeiten gewinnen müssen, sie hätten wie der plastische Schmuck am Privathaus als omamentales Mittel ausgenutzt werden können. Allerdings wird das nur geschehen, wenn diese Kalligraphie mehr als seither Schritt hält mit der neuen Schriftbewegung. Diese Schildermaler, diese Glas-, Holz- und Metallbuchstabenfabrikanten sind noch um ein bis zwei Jahrzehnte zurück. Es ist nicht verständlich, warum der Kaufmann als Konsument diese Rückständigkeit duldet, warum er den Vorwurf der Straßenverunzierung einstecken muß, weil Architekten und Handwerker träge und gleichgültig sind. Oder sollte es ihm selbst an Einsicht und gutem Geschmack fehlen —?
In den Musterbüchern der Firmenschilderfabrikanten wird noch gern der Nachdruck gelegt auf die ornamentale Umrahmung. Der Kunde hat sich zu entscheiden, ob er Barock, Renaissance, Gotisch oder Modern haben will. Das heißt, ob das Zierwerk am Rand oder auf dem gläsernen Untergrund Schnörkel in dieser oder jener Stilschablone aufweisen soll. Dieses Verfahren, das noch sehr im Schwünge ist, braucht wohl nicht ausdrücklich gegeißelt zu werden. Mir scheint, daß die Kalligraphie der Aufschrift durchaus der Ausgangspunkt und der entscheidende Faktor sein müßte. Dank der von Rudolf von Larisch so temperamentvoll eingeleiteten Schriftbewegung verfügen wir ja schon wieder über eine ganze Anzahl gewerblicher Kräfte, die Buchstabenzeichen nicht nur charaktervoll, sondern auch klar lesbar zu formen verstehen. Sie scheinen bei den Schildermachern genau so wenig Gegenliebe zu finden wie die Künstler, denn gerade dieses Gewerbe, dessen eigentliche Erfolge sich doch auf Schriftwirkungen gründen, scheint von all diesen Bestrebungen nichts wissen zu wollen.

Außer dem Duktus hat der Besteller sein Augenmerk zu richten auf das Material. Er hat sich klar zu werden über den Grad der Haltbarkeit, den Preisunterschied, Erkennbarkeit und Spiegelung (die bei Goldbuchstaben ziemlich gering ist) usw. Am vorteilhaftesten ist es wohl für ihn, wenn er nicht gezwungen ist, ein Schild aufzuhängen, wenn er an der Fassade selbst in einem Material, das sich von dem Putz oder dem Stein wirkungsvoll abhebt, seine Aufschrift anbringen lassen kann. In den meisten Fällen steht er aber vor der Wahl, sich von dem Bronzegießer, dem Kunstschmied, dem Glaser, dem Holzschnitzer oder Maler bedienen zu lassen. Es gibt da mancherlei Vorurteile, nach denen bald das eine, bald das andere Material für vornehmer geschätzt wird. Sie sind wohl alle unbegründet. Rangstufen zwischen Eisen, Holz, Glas auszutüfteln, ist doch einigermaßen komisch. Jeder Stoff trägt die Vornehmheit in sich, die ihm durch eine gute Formgebung verliehen wird. Unterschiede scheinen nur begründet, wenn das Material dazu beiträgt, die Aufschrift eindrucksvoller hervortreten zu lassen aus ihrer nachbarlichen Umgebung. Vor dem Grau unserer Häusermauern werden starke Farbenakzente mit Recht vermieden; allein diese ausgesprochene Scheu vor koloristischen Wirkungen dürfte doch für die Zukunft nicht aufrechtzuerhalten sein. Die neuerdings gern verwandten Holzbuchstaben schillern bereits in allen möglichen Nuancen und haben gerade durch ihre Farbigkeit sich als besonders wirkungsvoll erwiesen. Wie weit man da gehen darf, wird immer abhängig sein — und das gilt für alle diese Gesichtspunkte — von der Umgebung, von dem Haus, an dem das Schild prangen, von der Nachbarschaft, die es übertönen soll. Solche Dinge müssen eben — woran es noch am meisten fehlt — einheitlich, in ihrem ganzen Zusammenhang gesehen werden. Wie es keiner Dame von Geschmack einfallen wird, eine Feder auf den Hut ohne Rücksicht auf ihre Gesamttoilette zu stecken, so wird der Kaufmann dahin gelangen, dem repräsentativen Gewand, mit dem er sich nach der Straße zu umgibt, harmonische Wirkung zu sichern.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kaufmännische Propaganda.