Ludwigslust, den 23. Oktober 1810

An Karl

Dein lieber Brief vom 11. Oktober hat mir Freude und Schmerz zugleich verursacht. Die höchste Freude und Rührung hat mich bei dem vortrefflichen Gedicht ergriffen, für welches wir Dir, Prinzess und ich, den lebhaftesten und innigsten Dank sagen. Wie in einer reinen und wolkenlosen Nacht der Anblick der hohen himmlischen Weltkörper die Seele hinreißt und begeistert, so entzückte uns Deine „Erde“, aber sie ist uns noch lieber, noch näher und lebendiger. Dass Du zum Beschluss der schönen Hymne eines Dich so liebenden und Dir so nahen Wesens erwähnt hast, kann ich Dir nur mit meinen Tränen danken. Nicht jedem Freund wird solch ein schönes Denkmal im Tode vergönnt sein, aber im Leben verjüngt und belebt es uns. Es ruft mir die besten, glücklichsten Stunden meines Lebens in die Seele zurück. Was mich betrübte, war, dass Du so lang vergebens auf die Nachricht gewartet hast, dass ich Deine lieben Briefe richtig erhalten habe. Diese letzte und dritte Sendung übergab mir Prinzess, da ich Sonnabend Abends bei ihr eintrat. Die Freude strahlte aus ihrem lieben Gesicht über Deinen Brief und das herrliche Gedicht. Auch der Erbprinz, der gegenwärtig war, bezeigte sich vergnügt und geschmeichelt, da Du seiner im Briefe erwähnt hast, was mir recht lieb ist. —
Kürzlich sagte mir einer unsrer Vandalen, dass er etwas von Deinen Gedichten gelesen und sich sehr daran erfreut hätte — es war aus der „Adrastea“ —, besonders auch über den schönen Wohlklang der Verse. So haben diese Wilden doch wenigstens Ohren zu hören. Übrigens wissen sie aber nicht recht, das Geistige ins Leben überzutragen, und glauben eigentlich, dass das nur stört und aufhält. Von dieser Seite ist ihnen schwer beizukommen. Ihre alte Haut mögen sie gerne recht fest halten. —