Ludwigslust, Sonnabend den 5. Januar 1811

An Karl

— Gott sei gedankt, heute der erste Sonnenschein seit langen Zeiten! — Es sollte mir doch auch recht lieb sein, wenn unsre Prinzess zu ihrer morgenden Reise nach Strelitz besser Wetter bekäme. Es sind 11 gute Meilen [ca. 130 km] und die Wege sollen schlecht sein. Auch kommen sie erst am Neujahrsabend dort an. Wenn gleich unsre Prinzess mit der Prinzess Solms, die eine Komödiantin ist, einen sonderbaren Kontrast machen wird, so hoffe ich doch, dass ersterer die Reise gut bekommen und ihr auch für ihre Gesundheit wohltätig sein soll. Eine kleine Zerstreuung ist ihr wirklich notwendig; denn sie wird mir ganz schmal und mager, und klagt ewig über den Magen. Die große Liebe, die sie hier genießt, ist sehr lobenswert; aber ein zartes Gemüt verbindet sie zu gleicher Aufmerksamkeit und Gefälligkeit, und dieses benimmt oft eine gewisse Freiheit, zumal da der Zirkel um sie her etwas enge ist. Ich weiß nicht ganz, ob ich recht habe, Prinzess selbst wird es wohl nicht eingestehen. Der Kontrast in den Charakteren mag in der Ehe sein Gutes haben, aber es gehört auch Stärke dazu. Wie ich Dir neulich sagte, so hat der Erbprinz wirklich die zärtlichste Sorgfalt und besorgt alle Kleinigkeiten — aber von Kleinigkeiten lebt das Gemüt nicht. Du wirst mir schon erlauben, dass ich Dir das so herschreibe! Die Sorge für unsrer so lieben Freundin Gesundheit kann wohl auch machen, dass ich falsch sehe. Ich hoffe auch, dass es sich wieder zum Bessern ändern wird, worüber die Frau von Plessen mich auch sehr beruhigt. —