Ludwigslust, Freitag den 5. April 1811

An Karl

— Das Projekt der guten Emilie, Dich uns hierher mitzunehmen, ist wohl gleich abgetan, weil ich Deinen Hindernissen nichts entgegensetzen kann, wobei ich mich aber doch der Klagen, dass uns solch eine Freude nicht werden soll, nicht recht enthalten kann. Ich fühle nur all zu deutlich, dass Du recht hast, dass wir unsre liebsten Wünsche beschränken müssen, weil wir alle nicht reich genug sind, dass solch ein Vergnügen die gehörige Reinheit und Aisance behalte, ohne welche es bald aufhört, ein Vergnügen zu sein. Unsrer lieben Prinzess hätte ich die Freude fast eben so gerne gegönnt als mir selbst, aber leider kann sie auch nichts tun, und ist, unter uns gesagt, in ihren Finanzen hier fast übler daran als sonst. Es kommt daher, weil man sonst bei den überaus reichen Einkünften, die der Handel herbeiführte, sich gar wenig um die strenge und ordentliche Verwaltung bekümmerte. Diese leichte Behandlung können sich selbst die Ministers noch nicht abgewöhnen, und so kommt es, dass niemand mehr ordentlich und zu bestimmter Zeit bezahlt wird. Dabei ist der Herzog ein Verschwender, und der Erbprinz, an den sich alles wendet, kann nichts tun. Diese Darstellungen, die ich nicht weiter ausführen will, sind eben nicht erfreulich. Wenn ich aber unsre verständige Prinzess betrachte, wie sie alles Unangenehme so vernünftig und graziös ansieht und behandelt, und wie sie darum von allen Menschen geachtet und geliebt ist, so verschwindet das Grelle, und mein Gemüt wird erweicht. Sie meinte, da wir kürzlich zusammen philosophierten, dass die Geduld die einzige wahre und fruchtbringende Tugend wäre. Die Natur bediente sich ihrer in ihren wohltätigsten Wirkungen, und das Samenkorn, was die Erde einen langen Winter hindurch in sich verbürge, gäbe uns ein schönes Beispiel. Deine lieben Worte, die wir neulich zusammenlasen und was Du uns über das Unnütze der Sorgen noch zuletzt zuriefest*) waren uns unbeschreiblich wohltätig. Gewiss ist, dass das Sorgen nur gar zu bald zur bösen Gewohnheit wird.


*) „Man sollte gar nichts mehr sorgen, nur das Gegenwärtige gewiss tun. Das Sorgen ist eine Krankheit; denn warum sorgen die jungen Leute nicht und die recht gesund sind? Das meiste davon ist verdorbne Phantasie.“