Ludwigslust, Dienstag den 18. September 1810

An Karl

— Unsre liebe Prinzess ist immer dieselbe, gut und verständig. Der Erbprinz ist eine sonderbare Komposition, und es gehört ein chymisches Auge und Liebhaberei dazu, um ihn zu zerteilen. Bisweilen, sehe ich, macht es der Prinzess Spaß zu untersuchen, doch bin ich, wie Du glauben kannst, still dabei, um so mehr da ich sie kaum eine Minute allein sehe; denn er verlässt sie nie. Er ist im höchsten Grad misstrauisch, nicht auf sie, aber, ich glaube, auf Cartouche und Rosette*) Dieses ewige Misstrauen und die Kunst und Mühe, die entgegengesetzte Seite herauszuwenden, löst alle gesunde Konsistenz auf, und birgt und verdreht auch die Menschen, die um sind. Prinzess kommt am besten zurecht. Inzwischen muss ich wieder die Güte des Erbprinzen loben, da er uns ein sehr hübsches und freundliches Quartier hat zurecht machen lassen. Ich würde nicht gewagt haben, irgend einen Fürsten um das zu bitten, was er uns freiwillig gegeben hat. Er sollte sich daher nicht für mich fürchten; denn ich würde ihm immer dankbar bleiben. Prinzess hat es jetzt so eingerichtet, dass wir jeden Abend 7 Uhr den Tee bei ihr trinken, wobei nur ihre Damen und einige Herren gegenwärtig sind. Es ist sehr hübsch bei ihr. Die Kinder sind artig und munter, und erheitern die Gesellschaft. Gestern Abend wurden einige artige elektrische Versuche gemacht. Noch hat sich die Prinzess vorbehalten, zuweilen bei uns den Abend zuzubringen. Ich sehe zu meinem Trost, dass ich der Prinzess nicht ganz überflüssig bin; denn es fehlt ihr an einer ältern Person, die die Jugend gleichsam in Schutz nimmt, damit unschuldige Späße nicht durch bösen Leumund verdreht und verdorben werden. Die Ältern sind nicht allein Grenzsteine — denn das ist die Prinzess wohl selbst — aber Sicherheitskarten; denn sie lügen hier am Hof, wie überall.—


Vorgestern ist der Herzog aus Doberan zurückgekommen. Wir haben daher diesmal die Einladung zur Mittagstafel angenommen, um ihm vorgestellt zu werden. Er war höflich, und es ist angenehm, nach einer künstlich zugerichteten Sauce ein gutes Stück Rindfleisch zu sehen. Das Diner war im Schweizerhaus, das ein klein wenig mehr entfernt ist als in Weimar das römische Haus Wir fuhren mit dem Erbprinzen und seiner Gemahlin auf einer Linie, einer Art von Wurst, hin. Die Lage dieses Hauses so wie überhaupt des hiesigen Parks ist mehr im Geschmack wie Wilhelmsthal. Er ist groß und hat außerordentlich schöne Situationen. Die Bäume sind groß und ausnehmend schön. Prinzess dachte oft an Dich und auch an die gute Emilie, als sie uns vorige Woche zum erstenmal herumführte. Ich muss mich wundern, dass hier die Bäume noch alle so frisch aussehen. Man sagt, dass hier der Frühling sehr lange ausbliebe, und dafür der Herbst länger dauerte.

Der Herzog ist sehr gut und artig gegen seine Schwiegertochter, und freut sich ihrer wahrhaft. Als ich ihm ein Kompliment von der Herzogin brachte, so sagte er recht freundlich, er würde der Herzogin immer dafür dankbar bleiben, dass sie ihnen ihre Tochter überlassen hätte. Dieser hat allenfalls die biegsame und rechte Konsistenz, die sich um den Finger wickeln lässt. Er schenkt der Prinzess allerhand artige Sachen, so in Deinem Geschmack. So hat er ihr eine etwas altmodische Uhr gegeben, wo das Gehäuse von einem Stück Karneol ist; auch einen recht hübschen Ring von bunten Steinen.

Du wirst, mein Lieber, von allem, was ich Dir sage, nichts in Weimar verbreiten. Ich kann Dir unmöglich anders schreiben, als wie es mir jedesmal vorkommt, und in Weimar macht es mir Feinde, und sie halten mich für exzentrisch. Die Prinzess wird hier geliebt und geachtet. Sie versteht auch recht gut, das Gute herauszunehmen, und wird es immer mehr lernen. —