Zeugnisse und Quellen

Was sind das nun für Zeugnisse, von denen wir bisher nur andeutungsweise gesprochen? Wir sind hier in der glücklichen Lage, nicht nur auf Kants Berichte angewiesen zu sein, sondern sie durch anderweitige Nachrichten kontrollieren zu können *). Dieselben gehen freilich auch nur auf mündliche Mitteilungen der beteiligten Personen zurück, und wer das Wesen mündlicher Traditionen kennt, wird sich nicht wundern dürfen, dass hier in Einzelheiten diese und jene Abweichung des einen Berichts vom andern konstatiert werden muss. Es wäre aber sehr voreilig, deswegen die betreffenden Überlieferungen für wertlos zu erklären.

*) Vg1. insbesondere Tafel, Sammlung von Urkunden betreffend das Leben und den Charakter Emanuel Swedenborgs, aus den Quellen treu wiedergegeben und mit Anmerkungen begleitet. Tübingen 1839.


Über die Geschichte vom Brand zu Stockholm besitzen wir allerdings die eingehendsten Mitteilungen bei Kant selber, sowohl in dem Briefe an das Fräulein von Knobloch als auch — in etwas kürzerer Form in seiner Abhandlung. Swedenborg hat diesen Brand in Gothenburg. in einer Entfernung von ca. 50 Meilen, im Geiste geschaut, als er gerade von einer Seereise aus England zurückgekehrt war. Er hat in einer Gesellschaft hei einem gothenburger Kaufmann, zu der er geladen war, über den Ausbruch, das Umsichgreifen und spätere Erlöschen des Feuers genauere Mitteilungen gemacht, die am zweiten und dritten Tage darauf, als direkte Nachrichten aus der Hauptstadt eintraten, bestätigt wurden. Noch vor Ankunft dieser Nachrichten waren Swedenborgs Erzählungen in der Stadt bekannt geworden und auch zu den Ohren des Gouverneurs gedrungen, der sie sich sogleich von ihm persönlich bestätigen lies.

Was unser Königsberger Philosoph hier berichtet, erzählt unabhängig von ihm in den Grundzügen auch Jung-Stilling in seiner „Theorie der Geisterkunde“ *) und, was noch wichtiger ist, ein persönlicher Freund Swedenborgs, der Kommerzienrat Springer, welcher Swedenborg selber über diese Geschichte befragt hat. Wir kennen Springers Darstellung aus einem Schreiben desselben an den Franzosen Pernety, der eine Zeit lang im Dienste Friedrichs des Großen stand und von ihm zum Bibliothekar und Mitgliede der Akademie der Wissenschaften ernannt wurde. „Ich fragte ihn hierauf.“ schreibt Springer, „ob es wahr sei, dass er, wie ich hatte sagen hören, als er sich zu Gothenburg (einer 60 schwedische Meilen von Stockholm gelegenen Stadt) befand, seinen Freunden drei Tage vor Ankunft der Post genau die Stunde des großen Brandes, der zu Stockholm statthatte, vorausgesagt habe: worauf er mir zur Antwort gab, dies sei vollkommen wahr.“ **)

An der persönlichen bona fides Swedenborgs ist nach allem, was wir über den Mann sonst wissen, nicht zu zweifeln und hat auch Kant nicht gezweifelt. So erscheint es mir auf Grund dessen, was uns überliefert ist, als ausgemacht, dass Swedenborg in dem vorliegenden Falle ein mit den bisherigen Mitteln der Wissenschaft nicht aufzuklärendes Wissen besessen hat. Eine Skepsis könnte höchstens bezüglich der Frage bestehen bleiben, wie weit wirklich auch verschiedene Einzelheiten des Brandes von ihm genau vorhergesagt, und wie weit diese Vorhersagungen eingetroffen seien. Das ändert aber an der Hauptsache nichts, dass er eine im wesentlichen richtige Schilderung des Brandes zu der Zeit bereits gegeben hat, da derselbe in der fernen Hauptstadt wütete.

Dass die Geister hierbei irgend eine Rolle gespielt haben sollten, davon erzählt Kant merkwürdigerweise nichts. Nur Jung-Stilling berichtet, Swedenborg habe es von den Engeln erfahren, dass es zu der angegebenen Zeit in Stockholm brenne.

*) Nürnberg 1808, Vgl. daselbst S. 91—96.
**) Auch auf den schwedischen Minister Grafen von Höpken können wir uns berufen, der Swedenborg 42 Jahre lang gekannt hat. Ein Jahr nach dem Tode des Mannes schreibt er an dessen Anhänger, den dänischen General Tuxen: „Ihre eigene Meinung, Herr, Über die Geschichte die sich in Gothenburg zugetragen, ist eine lebendige und genaue Darstellung der Personen, welche dabei betroffen waren.“ Tafel, a. a. O. S. 60. Dieses Urteil ist um so bedeutungsvoller, als sich Höpken in dem nämlichen Briefe über Swedenborgs Theologie mit einer gewissen Reserviertheit äußert.


Nicht minder ausführlich als die soeben behandelte Geschichte erzählt Kant die von der verloren gegangenen Quittung des Herrn von Marteville, eines holländischen Gesandten in Stockholm. Ein Zeit nach dem Tode dieses Mannes wird seine Witwe wegen der Bezahlung eines Silberservices gemahnt, welches der Verstorbene bei einem Goldschmied hatte anfertigen lassen. Sie ist überzeugt, dass die Schuld von ihrem Gatten bereits beglichen, kann aber die erforderliche Quittung nicht mehr auffinden. Da sie gehört hat, dass Swedenborg mit abgeschiedenen Seelen in Umgang stehe, wendet sie sich an ihn mit der Bitte, wegen des Verbleibs der Quittung bei ihrem verstorbenen Gatten Erkundigungen einzuziehen. Swedenborg verspricht es, erscheint nach einigen Tagen bei ihr und bezeichnet ihr genau die Stelle in einem Schrank, wo sie das Gewünschte finden würde. Die Dame zeigt sich dieser Angabe gegenüber zunächst ungläubig, da sie in dem Schranke bereits genau nachgeforscht habe, findet dann aber das Erforderliche in einem verborgenen Fache.

Dass diese rätselhafte Geschichte damals großes Aufsehen erregte, wissen wir auch aus anderen Quellen. So bezeugt z. B. der bereits erwähnte Akademiker Pernety, dass die schwedische Königin Luise Ulrike in Gegenwart eines seiner Kollegen, von dem er es vernommen, in Berlin gesagt hat: „Was die Geschichte der Gräfin von Marteville betrifft, so ist sie ganz zuverlässig“. Nur fragt sich, welches denn der genaue Hergang der Sache gewesen, und hier zeigt sich, dass Kant aller Wahrscheinlichkeit nach doch wohl nicht gründlich genug unterrichtet war. In seiner Schrift nennt er auch als Gewährleistung für die Wahrheit dieser Geschichte nur die gemeine Sage, während er in dem Briefe an Fräulein von Knobloch sich noch auf seinen englischen Gewährsmann beruft, der es unmittelbar an Ort und Stelle habe untersuchen können.

Wenige Jahre nach Swedenborgs Tode, 1775, hat der zweite Gatte der Frau von Marteville, ein dänischer General von E. in einem Briefe an einen Geistlichen folgende Darstellung von dem Auffinden der vermissten Quittung gegeben. Frau von Marteville hat selber, acht Tage, nachdem sie Swedenborg ihr Anliegen vorgetragen, ihren verstorbenen Gatten im Traume geschaut und von ihm den Ort genannt erhalten, wo sie, in einer englischen Kassette, die gesuchte Quittung neben andern Dingen finden würde. Sie wacht auf, zwei Uhr morgens, überzeugt sich sogleich von der Wahrheit des Traumes und begibt sich wieder zur Ruhe. Gegen 11 Uhr vormittags lässt sich Herr von Swedenborg bei ihr melden, der noch nichts von dem Vorgefallenen wusste. Auch er hat, wie er berichtet, in der verflossenen Nacht Herrn von Marteville gesehen. Er hat sich mit ihm unterhalten wollen, doch ist jener nicht darauf eingegangen, weil er zu seiner Gattin müsste, um sie eine wichtige Entdeckung machen zu lassen. Derselbe fügte nur noch hinzu, dass er die himmlische Sozietät, in der er sich seit einem Jahre befände — jeder Verstorbene lebt nach Swedenborg in einer bestimmten Gemeinschaft mit anderen Geistern — demnächst mit einer glücklicheren vertauschen werde *).

Nach diesem Bericht, den wir wohl für den bestbeglaubigten ansehen dürfen, haben beide, nicht nur Swedenborg, sondern auch Frau von Marteville, anscheinend zu gleicher Zeit, die Erscheinung des Verstorbenen gehabt, ja, die genauen Mitteilungen über den Verbleib der Quittung hat hiernach nur Frau von Marteville erhalten. Mithin scheint zunächst sie selber und nicht Swedenborg die Hauptrolle bei dieser Geschichte gespielt zu haben, es ist aber sehr erklärlich, dass in der mündlichen Überlieferung der Sache der ber?hmte Geisterseher gar bald unwillkürlich in den Mittelpunkt der ganzen Geschichte gerückt wurde. Denn nach einem auch sonst bei Sagenbildungen oft beobachteten Motive werden sehr leicht Dinge, die einer weniger berühmten Persönlichkeit passiert sind, einer berühmteren in die Schuhe geschoben. In dem vorliegenden Falle konnte das um so leichter geschehen, als Swedenborg in der Tat die Erscheinung des Verstorbenen gehabt hatte. Im wesentlichen ebenso wie von dem zweiten Gatten der Frau von Marteville wird die Geschichte von dem Bankdirektor Robsahm, einem vertrauten Freunde Swedenborgs, in dessen Memoiren über das Leben des merkwürdigen Mannes erzählt **). Es hat sich aber der Hergang der Sache nach einiger Zeit in der Phantasie der Leute in der Weise umgebildet, wie sie uns Kant, etwa fünf Jahre, nachdem sie passiert war, berichtet. Ein interessantes Mittelglied dieses Umbildungsprozesses, haben wir z. B. in dem Berichte Pernetys. Derselbe beruft sich auf den Grafen von Höpken und — die Frau von Swedenborgs Gärtner. Nach dieser Darstellung hat bereits Swedenborg selber, als er den Verstorbenen gesprochen, von ihm den Ort angezeigt erhalten, wo er die Quittung hingelegt habe. Aber der ursprüngliche Sachverhalt schimmert doch auch in diesem Berichte noch insofern durch, als nach ihm der Verstorbene auch seiner Witwe im Traume erschienen und ihr dieselben Angaben wie Swedenborg über den Verbleib der Quittung gemacht habe ***). Pernety fügt noch in bezeichnender Weise hinzu: Diese Geschichte machte viel Aufsehen am Hof und in der Stadt, und jeder erzählte sie auf seine Weise. Einer dieser Erzähler ist der Franzose Thiébault, der 1804 Erinnerungen an seinen zwanzigjähriger Aufenthalt in Berlin herausgegeben hat. Nach ihm sollte die Quittung die Bezahlung einer Tuchlieferung bescheinigen, aufgefunden wurde sie nach Swedenborgs Angaben in einem Buch, einem Kami von Bayle Thiebault beruft sich zwar auf den Bruder der Frau von Marteville, aber seine Erinnerungen sind auch sonst in Kleinigkeiten nicht genau.

*) Vgl. über diesen Brief z. B Wilkinson, Emanuel Swedenborg 2 S. 126 f. und Ballet, Swedenborg, S. 144 — 147.
**) Vgl. Emanuel Swedenborgs Leben und Lehre, eine Sammlung authentischer Urkunden usw., herausgegeben von Mittnacht, Frankfurt a. M. 1880. S. 21.
***) Vgl. Tafel a. a. O. S. 81 f.


Auf die dritte Geschichte spielt Kant in dem erwähnten Briefe nur an, in seiner Schrift erzählt er sie wenigstens in Kürze. Swedenborg wird zu seiner Fürstin gerufen, da dieselbe von seinen Visionen viel gehört hat. Bei der Verabschiedung erhält er von ihr einen Auftrag, der in seine Geistergemeinschaft einschlägt. Die Antwort, die er ihr nach einigen Tagen bringt, setzt sie in das größte Erstaunen. Sie gesteht, dass sie den Inhalt derselben von keinem lebenden Menschen hätte erfahren können. Den Namen der Königin - es war Luise Ulrike, die Schwester Friedrich des Großen - nennt Kant nicht. Er sagt von ihr nur, dass ihr großer Verstand und Einsicht es beinahe unmöglich machen sollte, in dergleichen Fällen hintergangen zu werden. Ober diese Affäre sind wir durch eine ganze Anzahl anderer Zeugnisse genauer unterrichtet, wenn auch die Königin nicht gern über ihr Erlebnis gesprochen zu haben scheint. Es handelte sich dabei um ihren 1758 verstorbenen Bruder, den Prinzen August Wilhelm von Preußen. Welches freilich der Auftrag gewesen, den die Fürstin dem Geisterseher erteilt hat, darüber gehen die Angaben der Berichterstatter auseinander. Die größte innere Wahrscheinlichkeit hat die einfachste Form der Überlieferung für sich. Zu Gunsten derselben spricht zugleich die Persönlichkeit der beiden Männer, welche in diesem Sinne die Geschichte erzählt haben, des Ministers Grafen Höpken und eines anderen dem Hofe nahe stehenden Kavaliers, des Hauptmanns von Stahlhammer. Ersterer hat 1784, als Ergänzung zu Robsahms Memoiren, eine Darstellung des Falles gegeben, die auf Mitteilungen der Königin vom Jahre 1774 zurückgeht, und letzterer sich in einem Schreiben geäußert, welches 1788 in einer französischen Ausgabe einer Auswahl von Swedenborgs Werken erstmalig abgedruckt wurde. Nach beiden Gewährsmännern hat die Königin an Swedenborg die Frage gerichtet, ob er ihren verstorbenen Bruder in der Geisterwelt gesehen hätte, und sodann, als er eine verneinende Antwort gegeben, ihm wohl im Scherz, den Auftrag erteilt, ihn zu grüßen, falls er ihn träfe. Einige Zeit darauf erschien dann Swedenborg wieder hei Hofe. Die Fürstin war noch nicht sozusagen offiziell sichtbar, sondern befand sich noch mit ihren Hofdamen in dem sogenannten weißen Zimmer. Trotzdem tritt jener bei ihr ein, nähert sich ihr und macht ihr einige Mitteilungen, worauf diese äußerst bestürzt ist und sich dahin äußert, dass niemand außer Gott und ihrem Bruder das wissen könne, was Swedenborg ihr gesagt habe. Nach beiden Berichterstattern haben sich dessen Worte auf den letzten geheimen Brief bezogen, den die Fürstin an ihren Bruder gerichtet. Stahlhammer wendet sich noch empört gegen den Verdacht, dass Swedenborg mit Hilfe vornehmer Persönlichkeiten von dem Inhalt der geheimen Korrespondenz der Königin Kenntnis bekommen habe.

Es lag nun die Annahme sehr nahe, dass die Fürstin nicht nur einen so nichtssagenden Auftrag dem Geisterseher gegeben, wie den, den Verstorbenen zu grüßen, sondern etwas Konkreteres von ihm gewünscht habe. So ist die Phantasie denn bald geschäftig gewesen, diese empfundene Lücke auszufüllen. Wenn er der Königin hinterher von einem Briefe erzählte, den sie selber geschrieben, so konnte man zum mindesten leicht vermuten, dass sie bereits in der ersten Audienz nach jenem Schreiben resp. dessen Inhalt gefragt habe. So z. B. in dem Berichte Pernetys, bei Tafel a. a. O., S. 82, oder ähnlich in den Mitteilungen des Vorlesers der Königin, des Ritters Beylon, nach welchen Swedenborg den Prinzen fragen sollte, weshalb er seiner Schwester auf deren letzten Brief nicht geantwortet habe. Es gibt aber noch eine andere Version bezüglich des Auftrags der Königin: Swedenborg sollte ihr mit Hilfe des Verstorbenen den Inhalt eines Gespräches mitteilen, das sie mit ihrem Bruder gehabt habe, als sie ihn zum letzten Male gesehen, und dieser Aufforderung habe dann jener nach einiger Zeit zur größten Bestürzung der Königin entsprochen. So in den Darstellungen Robsahms, Thiébaults, Jung-Stillings u. a. Auch der Ort des angeblichen Gespräches, Charlottenburg, wird mehrfach angegeben, ja, Thiébault glaubt die Stelle noch genauer bezeichnen zu können, auf Grund von Mitteilungen, die er von der Königin selbst erhalten haben will.

Es wird sich vielleicht nie mehr ganz aufklären lassen, was es mit dieser Variante der Überlieferung auf sich hat. Sie kann auf irgend ein Missverständnis zurückgehen, möglich aber auch, dass in dem Briefe, über welchen Swedenborg Auskunft gab, auf jenes Gespräch irgendwie Bezug genommen war. Der Auftrag der Königin wird aber wohl nur dahin gelautet haben, das scheint mir festzustehen, dass er ihren Bruder in der Geisterwelt grüßen solle.

Lassen sich so auch nicht alle Einzelheiten dieser merkwürdigen Altäre mehr aufklären, so stimmen doch sämtliche Berichte darin Überein, dass Swedenborg hier, zum größten Erstaunen der Königin, die ihn anscheinend zunächst nicht recht ernst genommen, ein wunderbares Wissen bewiesen hat. Das ist die Hauptsache, und daran wird keine historische Kritik etwas ändern können. Entsprechendes liegt in der ersten der von uns behandelten Geschichten, die den Brand von Stockholm betrifft, vor, während ihm in der Affäre von der wiederaufgefundenen Quittung des Herrn von Marteville, wie wir gesehen haben, eine Rolle zugeschrieben wurden ist, die er in Wirklichkeit nicht gespielt hat.

Auch bei anderen Gelegenheiten dürfte Swedenborg sein rätselhaftes Wissen bewiesen haben. Elf Jahre nach dem Brande von Stockholm hat er, wie berichtet wird, gleichfalls in Rothenburg in einer Gesellschaft befindlich, den dort anwesenden Tuchfabrikanten Bolander plötzlich in ziemlich unhöflichem Tone aufgefordert, in seine Fabrik zu gehen, da er, Swedenborg, dieselbe in Gefahr wusste. Bolander kommt der Aufforderung, wenn auch verwundert, nach und findet, dass ein großes Stück Tuch an einem Ofen Feuer gefangen hat, sodass, wenn er nicht zur Stelle gewesen, seine ganze Fabrik ein Opfer der Flammen geworden wäre. Eine andere Geschichte hat ein Freund Jung-Stillings überliefert, in einem Briefe, aus dem Jung-Stilling den betr. Passus in den zerstreuten Aufsätzen aus seinem Taschenbuch 1805 — 1816 (sämtliche Schriften, Band 13, S. 397 f.) abgedruckt hat. Nach diesem Gewährsmann ist Swedenborg im Jahre 1762, gerade an dem Tage, als Kaiser Peter III. von Kussland starb, in einer Gesellschaft zu Amsterdam gewesen. Mitten im Gespräch erscheint er plötzlich wie geistesabwesend. Als er wieder zu sich gekommen, erklärt er nach einigem Zögern, dass in der gegenwärtigen Stunde der Kaiser in seinem Gefängnisse gestorben sei, eine Nachricht die später durch die Zeitungen bestätigt werden würde. Jung-Stillings Freund hat die Geschichte allerdings nur von einem Manne gehört, der einen Augen- und Ohrenzeugen derselben gesprochen bat. Aber man wird doch kaum an ihrer Wahrheit zweifeln dürfen, zumal der erste Erzähler als ein gottesfürchtiger und wahrheitsliebender Mann geschildert wird.

Schließlich möchte ich noch auf zwei Parallelen zu dem rätselhaften Vorfall mit der Königin Luise Ulrike hinweisen. Jung-Stilling war in den siebziger Jahren des vorvorigen Jahrhunderts in Elberfeld mit einem dortigen Kaufmann befreundet, der auf einer Geschäftsreise in Amsterdam Swedenborg persönlich aufsuchte. Er wollte gern einen unwiderleglichen Beweis für den Umgang jenes mit der Geisterwelt haben und bat ihn, ihm den Inhalt eines Gespräches mitzuteilen, welches er mit einem früh an der Schwindsucht verstorbenen Freunde, einem Theologen, kurz vor dessen Tode gehabt hatte. Swedenborg ersuchte den Kaufmann in einigen Tagen wiederzukommen, was denn auch geschah, worauf er ihm von dem Inhalt des Gespräches mit seinen Einzelheiten Mitteilung machte. Es hatte sich um die Frage nach der Wiederbringung aller Dinge gehandelt, der sog. Apokatastasis. Jung-Stilling hält es für gänzlich ausgeschlossen, dass Swedenborg etwa durch einen geheimen Spion seinen Freund habe ausfragen lassen. Dazu sei Swedenborg zu edeldenkend und zu gottesfürchtig und sein Freund zu gescheit gewesen.

Wir haben nun aber noch von einem direkten Freunde Swedenborgs, dem Kommerzienrat Springer, das Zeugnis, dass er ihm vieles von seinen verstorbenen Freunden und Feinden, sowie den Geheimnissen, die er mit ihnen hatte, erzählt habe, was fast unglaublich sei. In einem Brief an Pernety hat er sich darüber ausgesprochen. „Er hat mir sogar auseinandergesetzt, auf welche Weise der Friede zwischen Schweden und dem Könige von Preußen geschlossen wurde: und er hat mein Verfahren dabei gelobt. Er bezeichnete mir auch die drei wichtigen Personen, deren ich mich in dieser Sache bedient hatte, was indessen ein sehr großes Geheimnis unter uns war. Ich fragte ihn, wie er von diesen besonderen Umständen unterrichtet sein könne, und wer sie ihm enthüllt habe; worauf er mir antwortete: „Wer hat mich über das, was zwischen Dir und dem Grafen Clar Ekeblad vorging, belehrt? Du kannst die Wahrheit dessen, was ich Dir soeben sagte, nicht leugnen. Fahre fort,“ setzte er hinzu, „es zu verdienen, dass er sich über Dich beklagt; entferne Dich weder um Geld noch um Ehrenstellen von dem guten Wege, sondern bleibe im Gegenteil so beständig darauf, als Du es bisher wärest, und es wird Dir wohl gehn.“ Swedenborg hatte wohl eine Erscheinung des verstorbenen Grafen Ekeblad gehabt, in welcher dieser sich über Springer beklagt hatte, dass er eine hohe Summe nicht angenommen, durch welche jener ihn hatte bestechen wollen *).

*) Vgl. Wilkinson. a. a. O. S. 246. Über ähnliche Geschichten, die Springern mit Swedenborg passiert sind, berichtet der Geistliche Ferelius dem greifswalder Professor Tretgart, bei Mittnacht, S. 88 f.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kant und Swedenborg