Kairo - Topographische Skizzen - 1. Stadt - Nilinseln Roda und Bulak, Baum der Fatime, Museum
Sonderabdruck aus den Mitteilungen der geographischen Gesellschaft.
Autor: Roesler, Robert, Erscheinungsjahr: 1872
Themenbereiche
Mittelalter Reisen Architektur & Baukunst Politik, Gesellschaft, Wirtschaft Religionen & Völker Kunst & Kultur
Enthaltene Themen: Kultur, Kunst, Renaissance, Italien, Reformationszeit, Denkmäler, Künstler, Politiker, Herrscher, Tyrannen, Reisen, Religion, Gebräuche, Sitten, Lebensverhältnisse, Recht und Gesetz, Kirche
Der westlich von Kairo fließende Nil bildet angesichts der Stadt, deren Längenaxe in der Richtung von Süd nach Nord liegt, zwei große Inseln, die Geziret el Kudah fßoda) und die Geziret Bulaq (Bulak). Der ersteren, welche nur ein schmaler Wasserraum von Masr el atiqe, «nlcr Altkairo trennt, hat ihre üppige Vegetation den Namen Garten (Roda) schlechthin verliehen. Sie hieß ehedem Geziret Misr und Geziret al hisn. Den letzteren Namen führte sie nach dem Kastelle, das der Nil hinwegriss. Fromme Frauen suchen die Insel auf, wegen des sogenannten Baumes der Fatime, Fremde um den dar el Mikiäs oder Nilmesser zu schon. Der Baum der Fatimo gehört zu denjenigen Bäumen, welchen man die Eigenschaft zuschreibt, weibliche Fruchtbarkeit zu fördern. Die
Betende schlägt einen Nagel in den Stamm, hängt daran ein buntes Läppchen und zieht getrost ihres Weges. Der Nilmosser aber liegt am oberen südlichen Ende der Insel, an dem vorüber die Überfahrt von Altkairo nach Gizeh stattfindet. Es ist inmitten eines Gartens ein quadratischer Kaum; jede der Wände zeigt eine Nische, gekrönt von einem
Spitzbogen, der von Halbsäulen getragen wird. Oberhalb der Bogen ziehen sich kurze kufische Inschriften. Höher als diese umläuft in Art eines Frieses eine fünfte kufische Inschrift den gesamten Kaum. In seiner Mitte erhebt sich der Pegel, eine Säule mit 15 Absätzen, von denen eben acht aus dem Wasser hervorragten. Jeder Absatz beträgt eine Elle und
ist wieder in Palmen eingeteilt. Eine 16. Elle wird durch den gemauerten Abacus der Säule repräsentiert, auf welchem als Stützpunkt ein Gebälko ruht, das die Decke halbiert. Das Wasser tritt in den brunnenartigen kühlen Raum durch eine gegen den Nil mündende Türe ein. Den Grund fand ich sehr verschlammt, so dass ein in das Wasser gehaltener Stab
nur 3 Ellen tief eindrang. Das ist die moderne, aber schon sehr alte Form des Nilmessers, auf dessen Bulletins zur Zeit der Nilschwelle eine Million Menschen mit gespanntester Aufmerksamkeit warten.
Der Nordspitze von Geziret Bulak gegenüber liegt der große Flusshafenplatz Bulak mit Arsenal und Werften und regem Verkehr des Auf- und Abiadens. Er steht durch eine Flügelbahn mit dem Bahnhofe zu Kairo in Verbindung, eine Allee läuft auf die Ezbekieh aus, und bildet eine belobte, die Schaulust des Fremden fort und fort reich lohnende
Straße. Nicht dieses Treiben aber will ich schildern, sondern das stillste Plätzchen in Bulak aufsuchen, dasjenige wo die alte Zeit ihr wohlgepflegtes einsiedlerisches Daheim hat, das Museum. Es ist die Schöpfung Ismail-Paschas und des ebenso geschmackvollen, als ununterbrochen tätigen August Mariette. welcher das Amt eines Directors an dem Museum
bekleidet. Sehe ich ab von der herrlichen Lage am prächtigen Nil und einem Garten, der zwischen dem Museum und dem Wohngebäude des Directors prangt, so finde ich das einfache ebenerdige Gebäude sehr ähnlich dem alten provisorischen Museum für Kunst und Industrie im Ballhause zu Wien. Auch das Bulaker Museum gilt nur für provisorisch, und es soll
ihm ein reicherer würdigerer Bau am Ezbekiehplatze zu Teil werden.
Es ist dies auch dringend notwendig, da schon vor Jahren viele Funde in den Magazinen deponiert werden mussten, weil es an Raum zur Aufstellung fehlt. Die Funde sind aber eine bis jetzt unerschöplliche Quelle zur Vermehrung dieses Museums, das wenn es nicht schon alle ähnlichen
Sammlungen Europas übertrifft, sie endlich alle weit hinter sich zurücklassen wird und muss, so unerschöpflich an Altertümern zeigt sich der Boden Ägyptens.
Auch ist die Liberalität, mit welcher es sechs Tage in der Woche je acht und eine halbe Stunde dem Publikum geöffnet wird, wohl geeignet manche Sammlung in Europa zu beschämen. Ein musterhafter, sorgfältig gearbeiteter Katalog unterstützt die Benützung außerordentlich. 8 )
Die Anordnung des Hauses ist aber folgende: Aus einer Vorhalle (Grand Vestibüle) tritt man in den weiten Mittelraum, genannt Salle du Centre. An ihn schließen sich links und rechts die beiden Säle Salle de l'Ouest und Salle de l'Est; rechts von diesem folgen die zwei kleinen Vestibüle de la Salle des bijoux und die Salle des bijoux selbst. Alle
Zimmer zeigen geschmackvolle Ornamentierung und zweckmäßige gefällige Aufstellung. Die Aufschriften sind in den beiden Sprachen arabisch und französisch. Man beabsichtigt nämlich, auch das arabisch redende Publikum, also das eigentlich nationale Element heranzuziehen und in ihm den Sinn für die großartige Vorzeit seines Landes zu erwecken. Aber da müsste die Volkserziehung nicht erst in den Anfängen und die bild- und geschichtsfeindliche Ecligion der Belebung des Sinnes für die heidnische Vergangenheit nicht als ein mächtiges Hindernis im Wege liegen.
Ich sah nur wonige Nichteuropäer das Museum mit einigem Interesse durchwandern. Doch der Freund und Kenner der Kunst und Kultur Altägyptens findet sich hier bald reich belohnt. Denn neben der überwältigenden Menge von Kleinkunst in den sakralen Objekten, die natürlich auch hier
den Hauptbestandteil bilden, begegnet auch der weltliche königliche
Schmuck in reicher Vertretung. Der Goldschmuck der Königin Aah-hotep
der im Jahro 18ü7 zur Ausstellung an die Ufer der Seine geschickt
worden ist, hat dort längst die allgemeine Bewunderung erregt durch
den Geschmack der Erfindung, die Feinheit und Sorgfalt der Ausführung
und die überraschende Virtuosität der Technik. Unter den ikonischen
Statuen gebührt den wolerhaltenen des Königs Schafra (Chephren), gefun-
den mit 8 anderen im Tempel des großen Sphinx, einen der ersten Plätze
nicht nur in Bulak, sondern in allen Museen, vielleicht kann sich nur
der berühmte Ramseskopf in Berlin mit ihr messen. Der ebenso kräftige
als freie Meißel erregt bei diesem Werke Staunen. Augenscheinlich hat
die Kunst vor GO Jahrhunderten bereits in Aegypten eine Höhe erreicht,
die sie in der großen Plastik wenigstens nicht länger zu behaupten wusste.
Die Statue aus grünem Diorit zeigt den König in der typischen Sitzstollung;
die linko Hand ruht auf dem Beine, die rechto hält eine Opferbinde ;
*) Aug. Maviette-Bey, Notice des prineipaux Monuments expose's dans les
Galeries provisoires du Musee d'Antiquites Egyptiennes ä Boulaq. Alexan-
dra 1864.
— 21 —
der heiligo Sperber breitet schützend die Flügel über ihm aus. Auch
der reichgeschmückte Thronsitz zeigt ebenso schöne Composition als
gewandte Behandlung. Wenn dieses Werk durch Ernst und Sicherheit
unsere höchste Achtung gewinnt, so zieht die Alabasterstatue der äthio-
pischen Königin Ameniritis durch den Liebreiz der Erscheinung immer
von neuem an; sie ist fürwahr das gefälligste Werk der ägyptischen
Kunst. Die Königin im großen Haarschmuck der Göttinen erhebt sich
auf grauem Granitsockel; die Geisel in der linken Hand erklärt sich aus
ihrer Stellung als Regentin oder „Lenkerin des Nordens und dos
Südens" zu welcher sie ihr Bruder Sabaka erhoben. Weniger ver-
ständlich ist mir die Börse in ihrer rechten; zeigt sie die Macht zu
belohnen an, wie die Geisel jene zu bestrafen? Zu den immer fort sich
mehrenden Schätzen, zu welchen auch wertvolle Holzstatuen archaischen
Stils gehören, ist jetzt auch der Besitz jenes Steines von Tanis getreten,
der uns um eine neue wichtige Urkunde zur Chronologie der Aegypter,
die Aegyptologen um eine neue Probe der unerschütterlichen Richtigkeit
der Grundsätze ihrer Wissenschaft bereichert hat.
2. Landschaft.
Die Pyramiden von Gizeh.
Es ist eben so schwer, etwas neues über die Pyramiden zu sagen,
als sich jeder Aeußerung über dieselben zu enthalten. Man kann nicht
über Rom schreiben ohne des Colosseums zu gedenken, nicht an Mailand
und Cöln vorübergehen, ohne von ihren Domen zu sprechen, man kann
von Aegypten nicht reden und von den Pyramiden schweigen. Mich über-
kam das volle Bewustsein, dass ich in Aegypten sei, erst als ich von
Alexandria herkommend fünf Meilen von Kairo die Steinphantome der
großen Pyramiden von Gizeh am Wüstenrande aufsteigen sah. Bis dahin
hatte nichts einen durchaus originellen Eindruck auf mich gemacht, erst
hier empfieng ich den Anhauch der großen seltsamen Vergangenheit des
Pharaonenreiches.
Man kann daher nicht in Kairo sein, ohne sogleich an den Besuch
der Pyramiden zu denken. Als wir an einem kalten Jännermorgen bei
Altkairo über den Nil setzten, lag ein Nebel auf dem Wasser, wie er
dichter nicht auf der Donau liegen kann. Doch kaum waren wir bei dem
Dorfe Gizeh an das Land gestiegen und saßen in den Sätteln unserer
Esel, so hoben sich die Nebel rasch und die grüne Landschaft zeigte
ihr freundliches Antlitz. Eine Stundo hinter dem Dorfe liegen die Pyra-
— 22 —
miden, »leren culossale Dimensionen optisch fort und fort zusaminon-
schwinden, bis wir das Plateau erreichen, welches ihre Basis bildet; erst
auf diesem, das anfangs sanft, dann mit einer abgesetzten Steilkanto sich
erhebt, tritt man wieder in den Besitz des ersten richtigen Eindruckes,
den man schon aus weiter Ferne empfangen.
Die Aussicht, die man von der Spitze der größten Pyramide gewinnt,
geht weithin über die Wellen der Wüste, deren gelben Staubsand der
Wind gegen das grüne Fruchtland spült, bis zu den Pyramiden von
Saqqära, die fern im Süden stehend, die ungemeine Ausdehnung der
Todtenstadt von Memphis bezeugen. Vor uns liegt der Mokättam, als die
Grenze des Nilthaies, eine weiße Mauer, an welche sich die Citadelle
von Kairo lehnt. Die Stadt ist zu fern und über die Ebene gebreitet
als dass sie in dem Bilde besonderen Effect hervorbrächte. Weit anzie-
hender ist es das glänzende Band des Stromes zu verfolgen, das sich
durch die grüne Flur schlingt, oder nach dem Gipfel der großen Nach-
barpyramide zu sehen oder auf die winzigen Größen der Menschen und
Thiere zu achten, die am Fuße des Quaderberges in Gruppen stehen,
denn an dieser ältesten historischen Stätte darf man jetzt nicht hoffen
allein zu sein und der Betrachtung oder dem Studium ohne Behelligung
sich überlassen zu können. Schon wer Italien bereist hat, kennt die
friedliche Plünderung, welcher der Eeisendo verfällt. Die Gizchpyramiden
aber sind ein Brennpunct für die speculativen Tendenzen eines der
speculationseifrigsten Geschlechter. Bereits hundert Schritte von der großen
Pyramide warten die habgierigen Beduinen, ihr Schech an der Spitzo.
Der Liebesdienst, den sie durch ein rasches erschöpfendes Hinaufzerren
erweisen, das an die Kletterung auf den Vesuv erinnert, wird klingend
gelohnt. Damit ist aber der Gelddurst nicht gestillt. Nun drängen sich
andere mit Muscheln, Münzen, Scarabäen, kleinen Tocltenstatuetten und
anderen wertlosen antiquarischen Alltäglichkeiten, worunter die meisten
gefälscht sind, an den Besucher und quälen ihn mit fortwährendem An-
gebot; ist der eine abgewiesen, so tritt der andere herzu. Da war u. a.
einer der sich jedermann zu einem Duzendmal anbot innerhalb
10 Minuten von der Spitze der Cheopspyramide herabzusteigen und auf
die Spitze der nächsten zu klimmen, wenn man ihm für diese akrobatische
Leistung 5 Schilling verspreche. Ein Engländer hat sich herbeigelassen
ihm ein Zeugnis auszustellen, dass er diese Leistung in 8 Minuten voll-
führen gesehen habe. Man kann sich von der fliegenartigen Zudringlich-
keit dieses Völkchens keine Vorstellung machen. Um uns tummelten sich
21 feilschendo Araber auf der Platteforme der Spitzo, man konnto vor
Geschrei nicht zu sich selbst kommen. Um mich vor denselben zu retten,
stiejr ich wider Willen herab.
— 2b -
Nachdem begeisterte Gelehrte mit unermüdetor Ausdauer alle
Details des Pyramidenbaues insbesondere an den Pyramiden bei Kairo
untersucht haben, hat eine Beschreibung eines überdies flüchtigen Be-
suches des Innern kein Interesse. Man kann aus den Zeichnungen eino
genaue Vorstellung der kunstvollen Anlage gewinnen; aber gerade dieses
Innere darf man nicht außer Acht lassen, weun man ein Urtheil über
den architektonischen Wert dieser seltsamen Bauten fällt, man wird sie
dann nicht wie Manche tlnm bloß für prismatische Steinhaufen, für
künstlich aufgetürmte Berge halten.
Bei einem neuen Besuche der Pyramiden wurde die Hauptaufmork-
samkelt der kleinen Pyramide des Menkera (Mykerinos) zugewendet.
Wie geringfügig erscheint sie von der Höhe der großen erblickt und wio
mächtig ist der Anblick an ihrem Fuße. Die unteren Theile zeigen noch Reste
der alten Granitbekleidung. In der Mitte der Nordseite ist ein tiefer ent-
stellender Einsturz; ihn haben jene Hände gebrochen, die schon in frü-
hen Zeiten den Zugang erzwangen. Tiefer unterhalb ist der ursprüngliche
ziemlich enge Eingang. Er führt unter einem Winkel hinab. Da viele
Blöcke und Steintrümmer auf der schiefen Ebene des Einganges hinab-
rollen, so ist der Weg noch beschränkter und beschwerlicher, als er
bereits von Anfang an gewesen. Nachdem der Gang einige Zeit geneigt
fortgegangen, lenkt er horizontal ab, um sich dann wieder zu senken.
Nun betritt man seitwärts ein Gemach, in dem sich 6 Grabkammern auf-
thun, gerade so weit, um die Sarkophage aufzunehmen. Dann gelangt
man in ein weiteres Gemach, das glatte Wände umschließen und dessen
Plafond aus Steinplatten besteht, deren Ausschnitte zu einem Gewölbe
zusammentreten. Es ist die alte Grabkammer des Königs Menkera selbst.
Hier lag einst der Steinsarg, den später die See verschlang, um ihm eine
sicherere, unzugänglichere Stätte zu gewähren, als diejenige, welche er sich
erbaute. Seltsames Geschick dieser Pharaonen. Sie meinten durch alle
Ewigkeit hin zu ruhen in unantastbarer Sicherheit. Hätten sie ihr Grab
in den Tiefen der Sandwüsten gesucht, vielleicht ruhten sie noch jetzt
ungestört von der Habgier und Wißbegier der späteren Geschlechter.
Aber indem sie auf Majestät und Prunk, auf irdische Größe auch nach
dem Tode ein Absehen hatten, bauten sie riesige Monumente, welche das
Staunen der Nachwelt fort und fort rege machten, und die Vorstellung
von großen darin verborgenen Schätzen erweckten. Nun sann die gold-
gierige Habsucht darauf, dies Innere sich zu unterwerfen. Als man mit
unsäglicher Mühe die Grabkammer erreicht und erbrochen hatte, sieh da
fand sich die wühlende Gier betrogen. Sie riss die königlichen Leichen
aus dem Holz ihrer Särge, aus dem Byssus ihrer Binden, und ließ sie
liegen, oder warf sie hinaus aus den entweihten Bäumen. So geschah
— 24 —
es dem armen Mykerinos. Als Col. Vyse sein Grab eröffnet hatte, da fand er
die Mumie des großen Pharaonen zerrissen. Und er hatte die Euhe mehr
verdient, als seine beiden Nachbarn und Rivalen, sein Vater Schufu und
sein Oheim Schäfrä , wenn es wahr ist, dass er deT Tyrannei dieser
seiner beiden Vorfahren ein Ende gemacht und eine mildere Herrschaft
geführt habe. Diese aber hatten ihr Volk gequält durch eine unsinnige
Härte der Frohnden und die Kraft eines ganzen Reiches an den Ruhm
gewendet, das massenhafteste Bauwerk der Erde zu türmen. Sie sind
verwünscht worden von ihrem seufzenden Volke, während Menkera eines
gesegneten Andenkens genoss.
Gewöhnlich bezeichnet man den Chalifen Al-Mamun (813 — - 833)
als denjenigen, welcher die Verwüstung der Pyramiden, bei den Arabern
el-Harämän genannt, unternahm, weil er der darin vermuteten Schätz«
sich zu bemächtigen dachte. Doch die Nachrichten über diese Gewalttat
haben im Munde der arabischen Historiker bald ein ebenso märchen-
haftes Aussehen angenommen, als die Erzählung von dem Inhalt der
Pyramiden. Ibn al Vardi berichtet, es sei dem Chalifen mit aller An-
strengung und Kosten, die er daran wandte, nur gelungen, einen schmalen
Eingang zu eröffnen, so dass er ausgerufen habe: „Alles Irdische fürchtet
die Zeit; doch diese fürchtet die Pyramiden." So hätte Mamun viel
Geld an die Gewinnung der Pyramiden-Schätze vergeblich gewendet. Sie
blieben verschlossen. Dennoch wussten sie die arabischen Fedora glänzend
zu beschreiben, als lägen sie in einer Schatzkammer ausgestellt. In der
Pyramide, welche wir die Chephrenpyramide zu nennen pflegen, sollten
30 Kammern sein erfüllt mit Edolsteinen, wunderbaren Bildern, Geräten
und Waffen. Damit sie nicht rosteten, waren sie mit dem Oel der Weis-
heit benetzt worden. Auch gibt es da unzerbrechliches Glas. In der
Cheops-Pyramide sollte ein unvergleichlicher Thierkreis gemeißelt sein. In
der dritten, in deren Bezeichnung nach einem König Kuros noch das Anden-
ken an Menkera oder Mencheres erhalten ist, gab es zahlreiche Inschriften
die von dem Leben der Priester handelten, alchemistische Tafel und allerlei
Abbildungen derselben. Ein anderer „Zeuge" berichtet, auf einer der Pyra-
miden habe eine himjaritischo Inschrift gemeldet, dass es leichter sei diese
Pyramide zu zerstören, als ihres Gleichen aufzusuchen. Auch sollte i. J. 839 in ihr ein koptisches Buch gefunden worden sein, das ein christlicher Mönch zu lesen wusste. Dieses enthielt, dass man durch alte Beobachtungen des Himmels gefunden habe, die Erde werde zu Grunde gehen und da habe Surid Salkugs Sohn ein Grab für sich und zwei Gräber für seine Familie erbauen lassen. Diese seien die Pyramiden. Solches wissen die arabischen Bücher über die Pyramiden; es ist alles im Stil von tausend und einer Nacht. 9 )
Gewiss ist nur, dass die Pyramiden von Gizeh, lange bevor der Wissensdrang der Europäer daran rührte, geöffnet worden sind zum großen Nachteil für die Wissenschaft.
Im Grabgewölbe Menkeras ließen vier Beduinen es sich nicht nehmen, einen Tanz vor uns aufzuführen, den sie mit Gesang und Händegeklatsch begleiteten. Bei dem Scheine zweier Lichter erschienen die Wendungen, Krümmungen, Neigungen, Beugungen der halbnackten Körper wie Phantasmagorien. Bloß der rauhe Gesang mahnte an das wirkliche Leben.
Die Bekleidung der Menkera-Pyramide ist in Besten am Fuße des Bauwerks noch erhalten. Sie besteht aus dunklem rötlichen Granit, so genantem Syenit in glatt geschliffenen rund abgekanteten Blöcken, Strabo bezeichnet ihn ungenau als schwarz. Dieser letzte Mantel ist nie fertig geworden. Strabo sagt, dass die Bekleidung bis fast zur Mitte gereicht habe. Keiner der Blöcke dieses glatten Mantels zeigte Schriftzüge und es ist darum auch unwahrscheinlich, dass die von Herodot erwähnte Inschrift einen großen Umfang hatte oder sich gar über die gesamte Pyramide hinzog. Auch der Mangel an Inschrift im Innern der untersuchten Pyramide ist ein Beweis dagegen. Wenn man in dieser Hinsicht die Pyramiden mit den Königsgräbern Thebens vergleicht, welche einen verblüffenden Reichtum von Inschrift und figuralischem Schmuck, eine unermüdliche Geschwätzigkeit und Bilderfreude entwickeln, so kann man sich eines Befremdens darüber nicht entschlagen. Die alte Zeit ist noch so bescheiden in ihren Äußerungen, mehr und mehr schwellen später die Inschriften an, alles leidet an theologischem Speichelfluss die Tempel werden steinerne Gebetbücher, die Gebete, Abhandlungen, alles wird redseliger, wortreicher, abstruser. Der Sphinx, oder wie die deutsche Sprache mit Hartnäckigkeit will, die Sphinx erregt zuerst, von hinten her erblickt, durchaus nicht die Erwartung eines Mensöhenwerkes; man meint ein Stück zufällig gerundeten Kalkfelsens zu erblicken. Erst die Betrachtung der vorderen Seite, des gräulich zerschossenen und verstümmelten Antlitzes mit Spuren roter Bemalung belehren eines besseren. Doch ist der Eindruck nicht groß; ich konnte nichts von dem mächtig Ergreifenden spüren, das andere davon melden und das auch jene Araber empfunden haben mussten, als sie ihm den Namen Vater des Schreckens (Abul haul) gaben. Diesen zu Folge dient es als Talisman gegen den Sand, um dessen Vordringen
Betende schlägt einen Nagel in den Stamm, hängt daran ein buntes Läppchen und zieht getrost ihres Weges. Der Nilmosser aber liegt am oberen südlichen Ende der Insel, an dem vorüber die Überfahrt von Altkairo nach Gizeh stattfindet. Es ist inmitten eines Gartens ein quadratischer Kaum; jede der Wände zeigt eine Nische, gekrönt von einem
Spitzbogen, der von Halbsäulen getragen wird. Oberhalb der Bogen ziehen sich kurze kufische Inschriften. Höher als diese umläuft in Art eines Frieses eine fünfte kufische Inschrift den gesamten Kaum. In seiner Mitte erhebt sich der Pegel, eine Säule mit 15 Absätzen, von denen eben acht aus dem Wasser hervorragten. Jeder Absatz beträgt eine Elle und
ist wieder in Palmen eingeteilt. Eine 16. Elle wird durch den gemauerten Abacus der Säule repräsentiert, auf welchem als Stützpunkt ein Gebälko ruht, das die Decke halbiert. Das Wasser tritt in den brunnenartigen kühlen Raum durch eine gegen den Nil mündende Türe ein. Den Grund fand ich sehr verschlammt, so dass ein in das Wasser gehaltener Stab
nur 3 Ellen tief eindrang. Das ist die moderne, aber schon sehr alte Form des Nilmessers, auf dessen Bulletins zur Zeit der Nilschwelle eine Million Menschen mit gespanntester Aufmerksamkeit warten.
Der Nordspitze von Geziret Bulak gegenüber liegt der große Flusshafenplatz Bulak mit Arsenal und Werften und regem Verkehr des Auf- und Abiadens. Er steht durch eine Flügelbahn mit dem Bahnhofe zu Kairo in Verbindung, eine Allee läuft auf die Ezbekieh aus, und bildet eine belobte, die Schaulust des Fremden fort und fort reich lohnende
Straße. Nicht dieses Treiben aber will ich schildern, sondern das stillste Plätzchen in Bulak aufsuchen, dasjenige wo die alte Zeit ihr wohlgepflegtes einsiedlerisches Daheim hat, das Museum. Es ist die Schöpfung Ismail-Paschas und des ebenso geschmackvollen, als ununterbrochen tätigen August Mariette. welcher das Amt eines Directors an dem Museum
bekleidet. Sehe ich ab von der herrlichen Lage am prächtigen Nil und einem Garten, der zwischen dem Museum und dem Wohngebäude des Directors prangt, so finde ich das einfache ebenerdige Gebäude sehr ähnlich dem alten provisorischen Museum für Kunst und Industrie im Ballhause zu Wien. Auch das Bulaker Museum gilt nur für provisorisch, und es soll
ihm ein reicherer würdigerer Bau am Ezbekiehplatze zu Teil werden.
Es ist dies auch dringend notwendig, da schon vor Jahren viele Funde in den Magazinen deponiert werden mussten, weil es an Raum zur Aufstellung fehlt. Die Funde sind aber eine bis jetzt unerschöplliche Quelle zur Vermehrung dieses Museums, das wenn es nicht schon alle ähnlichen
Sammlungen Europas übertrifft, sie endlich alle weit hinter sich zurücklassen wird und muss, so unerschöpflich an Altertümern zeigt sich der Boden Ägyptens.
Auch ist die Liberalität, mit welcher es sechs Tage in der Woche je acht und eine halbe Stunde dem Publikum geöffnet wird, wohl geeignet manche Sammlung in Europa zu beschämen. Ein musterhafter, sorgfältig gearbeiteter Katalog unterstützt die Benützung außerordentlich. 8 )
Die Anordnung des Hauses ist aber folgende: Aus einer Vorhalle (Grand Vestibüle) tritt man in den weiten Mittelraum, genannt Salle du Centre. An ihn schließen sich links und rechts die beiden Säle Salle de l'Ouest und Salle de l'Est; rechts von diesem folgen die zwei kleinen Vestibüle de la Salle des bijoux und die Salle des bijoux selbst. Alle
Zimmer zeigen geschmackvolle Ornamentierung und zweckmäßige gefällige Aufstellung. Die Aufschriften sind in den beiden Sprachen arabisch und französisch. Man beabsichtigt nämlich, auch das arabisch redende Publikum, also das eigentlich nationale Element heranzuziehen und in ihm den Sinn für die großartige Vorzeit seines Landes zu erwecken. Aber da müsste die Volkserziehung nicht erst in den Anfängen und die bild- und geschichtsfeindliche Ecligion der Belebung des Sinnes für die heidnische Vergangenheit nicht als ein mächtiges Hindernis im Wege liegen.
Ich sah nur wonige Nichteuropäer das Museum mit einigem Interesse durchwandern. Doch der Freund und Kenner der Kunst und Kultur Altägyptens findet sich hier bald reich belohnt. Denn neben der überwältigenden Menge von Kleinkunst in den sakralen Objekten, die natürlich auch hier
den Hauptbestandteil bilden, begegnet auch der weltliche königliche
Schmuck in reicher Vertretung. Der Goldschmuck der Königin Aah-hotep
der im Jahro 18ü7 zur Ausstellung an die Ufer der Seine geschickt
worden ist, hat dort längst die allgemeine Bewunderung erregt durch
den Geschmack der Erfindung, die Feinheit und Sorgfalt der Ausführung
und die überraschende Virtuosität der Technik. Unter den ikonischen
Statuen gebührt den wolerhaltenen des Königs Schafra (Chephren), gefun-
den mit 8 anderen im Tempel des großen Sphinx, einen der ersten Plätze
nicht nur in Bulak, sondern in allen Museen, vielleicht kann sich nur
der berühmte Ramseskopf in Berlin mit ihr messen. Der ebenso kräftige
als freie Meißel erregt bei diesem Werke Staunen. Augenscheinlich hat
die Kunst vor GO Jahrhunderten bereits in Aegypten eine Höhe erreicht,
die sie in der großen Plastik wenigstens nicht länger zu behaupten wusste.
Die Statue aus grünem Diorit zeigt den König in der typischen Sitzstollung;
die linko Hand ruht auf dem Beine, die rechto hält eine Opferbinde ;
*) Aug. Maviette-Bey, Notice des prineipaux Monuments expose's dans les
Galeries provisoires du Musee d'Antiquites Egyptiennes ä Boulaq. Alexan-
dra 1864.
— 21 —
der heiligo Sperber breitet schützend die Flügel über ihm aus. Auch
der reichgeschmückte Thronsitz zeigt ebenso schöne Composition als
gewandte Behandlung. Wenn dieses Werk durch Ernst und Sicherheit
unsere höchste Achtung gewinnt, so zieht die Alabasterstatue der äthio-
pischen Königin Ameniritis durch den Liebreiz der Erscheinung immer
von neuem an; sie ist fürwahr das gefälligste Werk der ägyptischen
Kunst. Die Königin im großen Haarschmuck der Göttinen erhebt sich
auf grauem Granitsockel; die Geisel in der linken Hand erklärt sich aus
ihrer Stellung als Regentin oder „Lenkerin des Nordens und dos
Südens" zu welcher sie ihr Bruder Sabaka erhoben. Weniger ver-
ständlich ist mir die Börse in ihrer rechten; zeigt sie die Macht zu
belohnen an, wie die Geisel jene zu bestrafen? Zu den immer fort sich
mehrenden Schätzen, zu welchen auch wertvolle Holzstatuen archaischen
Stils gehören, ist jetzt auch der Besitz jenes Steines von Tanis getreten,
der uns um eine neue wichtige Urkunde zur Chronologie der Aegypter,
die Aegyptologen um eine neue Probe der unerschütterlichen Richtigkeit
der Grundsätze ihrer Wissenschaft bereichert hat.
2. Landschaft.
Die Pyramiden von Gizeh.
Es ist eben so schwer, etwas neues über die Pyramiden zu sagen,
als sich jeder Aeußerung über dieselben zu enthalten. Man kann nicht
über Rom schreiben ohne des Colosseums zu gedenken, nicht an Mailand
und Cöln vorübergehen, ohne von ihren Domen zu sprechen, man kann
von Aegypten nicht reden und von den Pyramiden schweigen. Mich über-
kam das volle Bewustsein, dass ich in Aegypten sei, erst als ich von
Alexandria herkommend fünf Meilen von Kairo die Steinphantome der
großen Pyramiden von Gizeh am Wüstenrande aufsteigen sah. Bis dahin
hatte nichts einen durchaus originellen Eindruck auf mich gemacht, erst
hier empfieng ich den Anhauch der großen seltsamen Vergangenheit des
Pharaonenreiches.
Man kann daher nicht in Kairo sein, ohne sogleich an den Besuch
der Pyramiden zu denken. Als wir an einem kalten Jännermorgen bei
Altkairo über den Nil setzten, lag ein Nebel auf dem Wasser, wie er
dichter nicht auf der Donau liegen kann. Doch kaum waren wir bei dem
Dorfe Gizeh an das Land gestiegen und saßen in den Sätteln unserer
Esel, so hoben sich die Nebel rasch und die grüne Landschaft zeigte
ihr freundliches Antlitz. Eine Stundo hinter dem Dorfe liegen die Pyra-
— 22 —
miden, »leren culossale Dimensionen optisch fort und fort zusaminon-
schwinden, bis wir das Plateau erreichen, welches ihre Basis bildet; erst
auf diesem, das anfangs sanft, dann mit einer abgesetzten Steilkanto sich
erhebt, tritt man wieder in den Besitz des ersten richtigen Eindruckes,
den man schon aus weiter Ferne empfangen.
Die Aussicht, die man von der Spitze der größten Pyramide gewinnt,
geht weithin über die Wellen der Wüste, deren gelben Staubsand der
Wind gegen das grüne Fruchtland spült, bis zu den Pyramiden von
Saqqära, die fern im Süden stehend, die ungemeine Ausdehnung der
Todtenstadt von Memphis bezeugen. Vor uns liegt der Mokättam, als die
Grenze des Nilthaies, eine weiße Mauer, an welche sich die Citadelle
von Kairo lehnt. Die Stadt ist zu fern und über die Ebene gebreitet
als dass sie in dem Bilde besonderen Effect hervorbrächte. Weit anzie-
hender ist es das glänzende Band des Stromes zu verfolgen, das sich
durch die grüne Flur schlingt, oder nach dem Gipfel der großen Nach-
barpyramide zu sehen oder auf die winzigen Größen der Menschen und
Thiere zu achten, die am Fuße des Quaderberges in Gruppen stehen,
denn an dieser ältesten historischen Stätte darf man jetzt nicht hoffen
allein zu sein und der Betrachtung oder dem Studium ohne Behelligung
sich überlassen zu können. Schon wer Italien bereist hat, kennt die
friedliche Plünderung, welcher der Eeisendo verfällt. Die Gizchpyramiden
aber sind ein Brennpunct für die speculativen Tendenzen eines der
speculationseifrigsten Geschlechter. Bereits hundert Schritte von der großen
Pyramide warten die habgierigen Beduinen, ihr Schech an der Spitzo.
Der Liebesdienst, den sie durch ein rasches erschöpfendes Hinaufzerren
erweisen, das an die Kletterung auf den Vesuv erinnert, wird klingend
gelohnt. Damit ist aber der Gelddurst nicht gestillt. Nun drängen sich
andere mit Muscheln, Münzen, Scarabäen, kleinen Tocltenstatuetten und
anderen wertlosen antiquarischen Alltäglichkeiten, worunter die meisten
gefälscht sind, an den Besucher und quälen ihn mit fortwährendem An-
gebot; ist der eine abgewiesen, so tritt der andere herzu. Da war u. a.
einer der sich jedermann zu einem Duzendmal anbot innerhalb
10 Minuten von der Spitze der Cheopspyramide herabzusteigen und auf
die Spitze der nächsten zu klimmen, wenn man ihm für diese akrobatische
Leistung 5 Schilling verspreche. Ein Engländer hat sich herbeigelassen
ihm ein Zeugnis auszustellen, dass er diese Leistung in 8 Minuten voll-
führen gesehen habe. Man kann sich von der fliegenartigen Zudringlich-
keit dieses Völkchens keine Vorstellung machen. Um uns tummelten sich
21 feilschendo Araber auf der Platteforme der Spitzo, man konnto vor
Geschrei nicht zu sich selbst kommen. Um mich vor denselben zu retten,
stiejr ich wider Willen herab.
— 2b -
Nachdem begeisterte Gelehrte mit unermüdetor Ausdauer alle
Details des Pyramidenbaues insbesondere an den Pyramiden bei Kairo
untersucht haben, hat eine Beschreibung eines überdies flüchtigen Be-
suches des Innern kein Interesse. Man kann aus den Zeichnungen eino
genaue Vorstellung der kunstvollen Anlage gewinnen; aber gerade dieses
Innere darf man nicht außer Acht lassen, weun man ein Urtheil über
den architektonischen Wert dieser seltsamen Bauten fällt, man wird sie
dann nicht wie Manche tlnm bloß für prismatische Steinhaufen, für
künstlich aufgetürmte Berge halten.
Bei einem neuen Besuche der Pyramiden wurde die Hauptaufmork-
samkelt der kleinen Pyramide des Menkera (Mykerinos) zugewendet.
Wie geringfügig erscheint sie von der Höhe der großen erblickt und wio
mächtig ist der Anblick an ihrem Fuße. Die unteren Theile zeigen noch Reste
der alten Granitbekleidung. In der Mitte der Nordseite ist ein tiefer ent-
stellender Einsturz; ihn haben jene Hände gebrochen, die schon in frü-
hen Zeiten den Zugang erzwangen. Tiefer unterhalb ist der ursprüngliche
ziemlich enge Eingang. Er führt unter einem Winkel hinab. Da viele
Blöcke und Steintrümmer auf der schiefen Ebene des Einganges hinab-
rollen, so ist der Weg noch beschränkter und beschwerlicher, als er
bereits von Anfang an gewesen. Nachdem der Gang einige Zeit geneigt
fortgegangen, lenkt er horizontal ab, um sich dann wieder zu senken.
Nun betritt man seitwärts ein Gemach, in dem sich 6 Grabkammern auf-
thun, gerade so weit, um die Sarkophage aufzunehmen. Dann gelangt
man in ein weiteres Gemach, das glatte Wände umschließen und dessen
Plafond aus Steinplatten besteht, deren Ausschnitte zu einem Gewölbe
zusammentreten. Es ist die alte Grabkammer des Königs Menkera selbst.
Hier lag einst der Steinsarg, den später die See verschlang, um ihm eine
sicherere, unzugänglichere Stätte zu gewähren, als diejenige, welche er sich
erbaute. Seltsames Geschick dieser Pharaonen. Sie meinten durch alle
Ewigkeit hin zu ruhen in unantastbarer Sicherheit. Hätten sie ihr Grab
in den Tiefen der Sandwüsten gesucht, vielleicht ruhten sie noch jetzt
ungestört von der Habgier und Wißbegier der späteren Geschlechter.
Aber indem sie auf Majestät und Prunk, auf irdische Größe auch nach
dem Tode ein Absehen hatten, bauten sie riesige Monumente, welche das
Staunen der Nachwelt fort und fort rege machten, und die Vorstellung
von großen darin verborgenen Schätzen erweckten. Nun sann die gold-
gierige Habsucht darauf, dies Innere sich zu unterwerfen. Als man mit
unsäglicher Mühe die Grabkammer erreicht und erbrochen hatte, sieh da
fand sich die wühlende Gier betrogen. Sie riss die königlichen Leichen
aus dem Holz ihrer Särge, aus dem Byssus ihrer Binden, und ließ sie
liegen, oder warf sie hinaus aus den entweihten Bäumen. So geschah
— 24 —
es dem armen Mykerinos. Als Col. Vyse sein Grab eröffnet hatte, da fand er
die Mumie des großen Pharaonen zerrissen. Und er hatte die Euhe mehr
verdient, als seine beiden Nachbarn und Rivalen, sein Vater Schufu und
sein Oheim Schäfrä , wenn es wahr ist, dass er deT Tyrannei dieser
seiner beiden Vorfahren ein Ende gemacht und eine mildere Herrschaft
geführt habe. Diese aber hatten ihr Volk gequält durch eine unsinnige
Härte der Frohnden und die Kraft eines ganzen Reiches an den Ruhm
gewendet, das massenhafteste Bauwerk der Erde zu türmen. Sie sind
verwünscht worden von ihrem seufzenden Volke, während Menkera eines
gesegneten Andenkens genoss.
Gewöhnlich bezeichnet man den Chalifen Al-Mamun (813 — - 833)
als denjenigen, welcher die Verwüstung der Pyramiden, bei den Arabern
el-Harämän genannt, unternahm, weil er der darin vermuteten Schätz«
sich zu bemächtigen dachte. Doch die Nachrichten über diese Gewalttat
haben im Munde der arabischen Historiker bald ein ebenso märchen-
haftes Aussehen angenommen, als die Erzählung von dem Inhalt der
Pyramiden. Ibn al Vardi berichtet, es sei dem Chalifen mit aller An-
strengung und Kosten, die er daran wandte, nur gelungen, einen schmalen
Eingang zu eröffnen, so dass er ausgerufen habe: „Alles Irdische fürchtet
die Zeit; doch diese fürchtet die Pyramiden." So hätte Mamun viel
Geld an die Gewinnung der Pyramiden-Schätze vergeblich gewendet. Sie
blieben verschlossen. Dennoch wussten sie die arabischen Fedora glänzend
zu beschreiben, als lägen sie in einer Schatzkammer ausgestellt. In der
Pyramide, welche wir die Chephrenpyramide zu nennen pflegen, sollten
30 Kammern sein erfüllt mit Edolsteinen, wunderbaren Bildern, Geräten
und Waffen. Damit sie nicht rosteten, waren sie mit dem Oel der Weis-
heit benetzt worden. Auch gibt es da unzerbrechliches Glas. In der
Cheops-Pyramide sollte ein unvergleichlicher Thierkreis gemeißelt sein. In
der dritten, in deren Bezeichnung nach einem König Kuros noch das Anden-
ken an Menkera oder Mencheres erhalten ist, gab es zahlreiche Inschriften
die von dem Leben der Priester handelten, alchemistische Tafel und allerlei
Abbildungen derselben. Ein anderer „Zeuge" berichtet, auf einer der Pyra-
miden habe eine himjaritischo Inschrift gemeldet, dass es leichter sei diese
Pyramide zu zerstören, als ihres Gleichen aufzusuchen. Auch sollte i. J. 839 in ihr ein koptisches Buch gefunden worden sein, das ein christlicher Mönch zu lesen wusste. Dieses enthielt, dass man durch alte Beobachtungen des Himmels gefunden habe, die Erde werde zu Grunde gehen und da habe Surid Salkugs Sohn ein Grab für sich und zwei Gräber für seine Familie erbauen lassen. Diese seien die Pyramiden. Solches wissen die arabischen Bücher über die Pyramiden; es ist alles im Stil von tausend und einer Nacht. 9 )
Gewiss ist nur, dass die Pyramiden von Gizeh, lange bevor der Wissensdrang der Europäer daran rührte, geöffnet worden sind zum großen Nachteil für die Wissenschaft.
Im Grabgewölbe Menkeras ließen vier Beduinen es sich nicht nehmen, einen Tanz vor uns aufzuführen, den sie mit Gesang und Händegeklatsch begleiteten. Bei dem Scheine zweier Lichter erschienen die Wendungen, Krümmungen, Neigungen, Beugungen der halbnackten Körper wie Phantasmagorien. Bloß der rauhe Gesang mahnte an das wirkliche Leben.
Die Bekleidung der Menkera-Pyramide ist in Besten am Fuße des Bauwerks noch erhalten. Sie besteht aus dunklem rötlichen Granit, so genantem Syenit in glatt geschliffenen rund abgekanteten Blöcken, Strabo bezeichnet ihn ungenau als schwarz. Dieser letzte Mantel ist nie fertig geworden. Strabo sagt, dass die Bekleidung bis fast zur Mitte gereicht habe. Keiner der Blöcke dieses glatten Mantels zeigte Schriftzüge und es ist darum auch unwahrscheinlich, dass die von Herodot erwähnte Inschrift einen großen Umfang hatte oder sich gar über die gesamte Pyramide hinzog. Auch der Mangel an Inschrift im Innern der untersuchten Pyramide ist ein Beweis dagegen. Wenn man in dieser Hinsicht die Pyramiden mit den Königsgräbern Thebens vergleicht, welche einen verblüffenden Reichtum von Inschrift und figuralischem Schmuck, eine unermüdliche Geschwätzigkeit und Bilderfreude entwickeln, so kann man sich eines Befremdens darüber nicht entschlagen. Die alte Zeit ist noch so bescheiden in ihren Äußerungen, mehr und mehr schwellen später die Inschriften an, alles leidet an theologischem Speichelfluss die Tempel werden steinerne Gebetbücher, die Gebete, Abhandlungen, alles wird redseliger, wortreicher, abstruser. Der Sphinx, oder wie die deutsche Sprache mit Hartnäckigkeit will, die Sphinx erregt zuerst, von hinten her erblickt, durchaus nicht die Erwartung eines Mensöhenwerkes; man meint ein Stück zufällig gerundeten Kalkfelsens zu erblicken. Erst die Betrachtung der vorderen Seite, des gräulich zerschossenen und verstümmelten Antlitzes mit Spuren roter Bemalung belehren eines besseren. Doch ist der Eindruck nicht groß; ich konnte nichts von dem mächtig Ergreifenden spüren, das andere davon melden und das auch jene Araber empfunden haben mussten, als sie ihm den Namen Vater des Schreckens (Abul haul) gaben. Diesen zu Folge dient es als Talisman gegen den Sand, um dessen Vordringen