Landschaft. Die Pyramiden von Gizeh

Es ist eben so schwer, etwas neues über die Pyramiden zu sagen, als sich jeder Äußerung über dieselben zu enthalten. Man kann nicht über Rom schreiben ohne des Colosseums zu gedenken, nicht an Mailand und Köln vorübergehen, ohne von ihren Domen zu sprechen, man kann von Ägypten nicht reden und von den Pyramiden schweigen. Mich überkam das volle Bewusstsein, dass ich in Ägypten sei, erst als ich von Alexandria herkommend fünf Meilen von Kairo die Steinphantome der großen Pyramiden von Gizeh am Wüstenrande aufsteigen sah. Bis dahin hatte nichts einen durchaus originellen Eindruck auf mich gemacht, erst hier empfing ich den Anhauch der großen seltsamen Vergangenheit des Pharaonenreiches.

Man kann daher nicht in Kairo sein, ohne sogleich an den Besuch der Pyramiden zu denken. Als wir an einem kalten Jännermorgen bei Altkairo über den Nil setzten, lag ein Nebel auf dem Wasser, wie er dichter nicht auf der Donau liegen kann. Doch kaum waren wir bei dem Dorfe Gizeh an das Land gestiegen und saßen in den Sätteln unserer Esel, so hoben sich die Nebel rasch und die grüne Landschaft zeigte ihr freundliches Antlitz. Eine Stunde hinter dem Dorfe liegen die Pyramiden, deren kolossale Dimensionen optisch fort und fort zusammenschwinden, bis wir das Plateau erreichen, welches ihre Basis bildet; erst auf diesem, das anfangs sanft, dann mit einer abgesetzten Steilkante sich erhebt, tritt man wieder in den Besitz des ersten richtigen Eindruckes, den man schon aus weiter Ferne empfangen.


Die Aussicht, die man von der Spitze der größten Pyramide gewinnt, geht weithin über die Wellen der Wüste, deren gelben Staubsand der Wind gegen das grüne Fruchtland spült, bis zu den Pyramiden von Saqqâra, die fern im Süden stehend, die ungemeine Ausdehnung der Totenstadt von Memphis bezeugen. Vor uns liegt der Mokáttam, als die Grenze des Niltales, eine weiße Mauer, an welche sich die Zitadelle von Kairo lehnt. Die Stadt ist zu fern und über die Ebene gebreitet als dass sie in dem Bilde besonderen Effekt hervorbrächte. Weit anziehender ist es das glänzende Band des Stromes zu verfolgen, das sich durch die grüne Flur schlingt, oder nach dem Gipfel der großen Nachbarpyramide zu sehen oder auf die winzigen Größen der Menschen und Tiere zu achten, die am Fuße des Quaderberges in Gruppen stehen, denn an dieser ältesten historischen Stätte darf man jetzt nicht hoffen allein zu sein und der Betrachtung oder dem Studium ohne Behelligung sich überlassen zu können. Schon wer Italien bereist hat, kennt die friedliche Plünderung, welcher der Reisende verfällt. Die Gizehpyramiden aber sind ein Brennpunkt für die spekulativen Tendenzen eines der spekulationseifrigsten Geschlechter. Bereits hundert Schritte von der großen Pyramide warten die habgierigen Beduinen, ihr Schêch an der Spitze. Der Liebesdienst, den sie durch ein rasches erschöpfendes Hinaufzerren erweisen, das an die Kletterung auf den Vesuv erinnert, wird klingend gelohnt. Damit ist aber der Gelddurst nicht gestillt. Nun drängen sich andere mit Muscheln, Münzen, Scarabäen, kleinen Totenstatuetten und anderen wertlosen antiquarischen Alltäglichkeiten, worunter die meisten gefälscht sind, an den Besucher und quälen ihn mit fortwährendem Angebot; ist der eine abgewiesen, so tritt der andere herzu. Da war u. a. einer der sich jedermann zu einem Duzendmal anbot innerhalb 10 Minuten von der Spitze der Cheopspyramide herabzusteigen und auf die Spitze der nächsten zu klimmen, wenn man ihm für diese akrobatische Leistung 5 Schilling verspreche. Ein Engländer hat sich herbeigelassen ihm ein Zeugnis auszustellen, dass er diese Leistung in 8 Minuten vollführen gesehen habe. Man kann sich von der fliegenartigen Zudringlichkeit dieses Völkchens keine Vorstellung machen. Um uns tummelten sich 21 feilschende Araber auf der Plattform der Spitze, man konnte vor Geschrei nicht zu sich selbst kommen. Um mich vor denselben zu retten, stieg ich wider Willen herab.

Nachdem begeisterte Gelehrte mit unermüdeter Ausdauer alle Details des Pyramidenbaues insbesondere an den Pyramiden bei Kairo untersucht haben, hat eine Beschreibung eines überdies flüchtigen Besuches des Inneren kein Interesse. Man kann aus den Zeichnungen eine genaue Vorstellung der kunstvollen Anlage gewinnen; aber gerade dieses Innere darf man nicht außer Acht lassen, wenn man ein Urteil über den architektonischen Wert dieser seltsamen Bauten fällt, man wird sie dann nicht wie Manche tun bloß für prismatische Steinhaufen, für künstlich aufgetürmte Berge halten.

Bei einem neuen Besuche der Pyramiden wurde die Hauptaufmerksamkeit der kleinen Pyramide des Menkera (Mykerinos) zugewendet. Wie geringfügig erscheint sie von der Höhe der großen erblickt und wie mächtig ist der Anblick an ihrem Fuße. Die unteren Teile zeigen noch Reste der alten Granitbekleidung. In der Mitte der Nordseite ist ein tiefer entstellender Einsturz; ihn haben jene Hände gebrochen, die schon in frühen Zeiten den Zugang erzwangen. Tiefer unterhalb ist der ursprüngliche ziemlich enge Eingang. Er führt unter einem Winkel hinab. Da viele Blöcke und Steintrümmer auf der schiefen Ebene des Einganges hinabrollen, so ist der Weg noch beschränkter und beschwerlicher, als er bereits von Anfang an gewesen. Nachdem der Gang einige Zeit geneigt fortgegangen, lenkt er horizontal ab, um sich dann wieder zu senken. Nun betritt man seitwärts ein Gemach, in dem sich 6 Grabkammern auftun, gerade so weit, um die Sarkophage aufzunehmen. Dann gelangt man in ein weiteres Gemach, das glatte Wände umschließen und dessen Plafond aus Steinplatten besteht, deren Ausschnitte zu einem Gewölbe zusammentreten. Es ist die alte Grabkammer des Königs Menkera selbst. Hier lag einst der Steinsarg, den später die See verschlang, um ihm eine sicherere, unzugänglichere Stätte zu gewähren, als diejenige, welche er sich erbaute. Seltsames Geschick dieser Pharaonen. Sie meinten durch alle Ewigkeit hin zu ruhen in unantastbarer Sicherheit. Hätten sie ihr Grab in den Tiefen der Sandwüsten gesucht, vielleicht ruhten sie noch jetzt ungestört von der Habgier und Wissbegier der späteren Geschlechter. Aber indem sie auf Majestät und Prunk, auf irdische Größe auch nach dem Tode ein Absehen hatten, bauten sie riesige Monumente, welche das Staunen der Nachwelt fort und fort rege machten, und die Vorstellung von großen darin verborgenen Schätzen erweckten. Nun sann die goldgierige Habsucht darauf, dies Innere sich zu unterwerfen. Als man mit unsäglicher Mühe die Grabkammer erreicht und erbrochen hatte, sieh da fand sich die wühlende Gier betrogen. Sie riss die königlichen Leichen aus dem Holz ihrer Särge, aus dem Byssus ihrer Binden, und ließ sie liegen, oder warf sie hinaus aus den entweihten Bäumen. So geschah es dem armen Mykerinos. Als Col. Vyse sein Grab eröffnet hatte, da fand er die Mumie des großen Pharaonen zerrissen. Und er hatte die Ruhe mehr verdient, als seine beiden Nachbarn und Rivalen, sein Vater Schufu und sein Oheim Schâfrâ , wenn es wahr ist, dass er der Tyrannei dieser seiner beiden Vorfahren ein Ende gemacht und eine mildere Herrschaft geführt habe. Diese aber hatten ihr Volk gequält durch eine unsinnige Härte der Fronden und die Kraft eines ganzen Reiches an den Ruhm gewendet, das massenhafteste Bauwerk der Erde zu türmen. Sie sind verwünscht worden von ihrem seufzenden Volke, während Menkera eines gesegneten Andenkens genoss.

Gewöhnlich bezeichnet man den Chalifen Al-Mamun (813 — 833) als denjenigen, welcher die Verwüstung der Pyramiden, bei den Arabern el-Harâmân genannt, unternahm, weil er der darin vermuteten Schätze sich zu bemächtigen dachte. Doch die Nachrichten über diese Gewalttat haben im Munde der arabischen Historiker bald ein ebenso märchenhaftes Aussehen angenommen, als die Erzählung von dem Inhalt der Pyramiden. Ibn al Vardi berichtet, es sei dem Chalifen mit aller Anstrengung und Kosten, die er daran wandte, nur gelungen, einen schmalen Eingang zu eröffnen, so dass er ausgerufen habe: „Alles Irdische fürchtet die Zeit; doch diese fürchtet die Pyramiden." So hätte Mamun viel Geld an die Gewinnung der Pyramiden-Schätze vergeblich gewendet. Sie blieben verschlossen. Dennoch wussten sie die arabischen Fedora glänzend zu beschreiben, als lägen sie in einer Schatzkammer ausgestellt. In der Pyramide, welche wir die Chephrenpyramide zu nennen pflegen, sollten 30 Kammern sein erfüllt mit Edolsteinen, wunderbaren Bildern, Geräten und Waffen. Damit sie nicht rosteten, waren sie mit dem Oel der Weisheit benetzt worden. Auch gibt es da unzerbrechliches Glas. In der Cheops-Pyramide sollte ein unvergleichlicher Tierkreis gemeißelt sein. In der dritten, in deren Bezeichnung nach einem König Kuros noch das Andenken an Menkera oder Mencheres erhalten ist, gab es zahlreiche Inschriften die von dem Leben der Priester handelten, alchemistische Tafel und allerlei Abbildungen derselben. Ein anderer „Zeuge" berichtet, auf einer der Pyramiden habe eine himjaritischo Inschrift gemeldet, dass es leichter sei diese Pyramide zu zerstören, als ihres Gleichen aufzusuchen. Auch sollte i. J. 839 in ihr ein koptisches Buch gefunden worden sein, das ein christlicher Mönch zu lesen wusste. Dieses enthielt, dass man durch alte Beobachtungen des Himmels gefunden habe, die Erde werde zu Grunde gehen und da habe Surid Salkugs Sohn ein Grab für sich und zwei Gräber für seine Familie erbauen lassen. Diese seien die Pyramiden. Solches wissen die arabischen Bucher über die Pyramiden; es ist alles im Stil von tausend und einer Nacht.

Gewiss ist nur, dass die Pyramiden von Gizeh, lange bevor der Wissensdrang der Europäer daran rührte, geöffnet worden sind zum großen Nachtheil für die Wissenschaft.

Im Grabgewölbe Menkeras ließen vier Beduinen es sich nicht nehmen, einen Tanz vor uns aufzuführen, den sie mit Gesang und Händegeklatsche begleiteten. Bei dem Scheine zweier Lichter erschienen die Wendungen, Krümmungen, Neigungen, Beugungen der halbnackten Körper wie Phantasmagorien. Bloß der raue Gesang mahnte an das wirkliche Leben.

Die Bekleidung der Menkera-Pyramide ist in Besten am Fuße des Bauwerks noch erhalten. Sie besteht aus dunklem rötlichen Granit, sogenanntem Syenit in glatt geschliffenen rund abgekanteten Blöcken, Strabo bezeichnet ihn ungenau als schwarz. Dieser letzte Mantel ist nie fertig geworden. Strabo sagt, dass die Bekleidung bis fast zur Mitte gereicht habe. Keiner der Blöcke dieses glatten Mantels zeigte Schriftzüge und es ist darum auch unwahrscheinlich, dass die von Herodot erwähnte Inschrift einen großen Umfang hatte oder sich gar über die gesamte Pyramide hinzog. Auch der Mangel an Inschrift im Innern der untersuchten Pyramide ist ein Beweis dagegen. Wenn man in dieser Hinsicht die Pyramiden mit den Königsgräbern Thebens vergleicht, welche einen verblüffenden Reichtum von Inschrift und figuralischem Schmuck, eine unermüdliche Geschwätzigkeit und Bilderfreude entwickeln, so kann man sich eines Befremdens darüber nicht entschlagen. Die alte Zeit ist noch so bescheiden in ihren Äußerungen, mehr und mehr schwellen später die Inschriften an, alles leidet an theologischem Speichelfluss die Tempel werden steinerne Gebetbücher, die Gebete, Abhandlungen, alles wird redseliger, wortreicher, abstruser.

Der Sphinx, oder wie die deutsche Sprache mit Hartnäckigkeit will, die Sphinx erregt zuerst, von hinten her erblickt, durchaus nicht die Erwartung eines Menschenwerkes; man meint ein Stück zufällig gerundeten Kalkfelsens zu erblicken. Erst die Betrachtung der vorderen Seite, des gräulich zerschossenen und verstümmelten Antlitzes mit Spuren roter Bemalung belehren eines besseren. Doch ist der Eindruck nicht groß; ich konnte nichts von dem mächtig Ergreifenden spüren, das andere davon melden und das auch jene Araber empfunden haben mussten, als sie ihm den Namen Vater des Schreckens (Abul haul) gaben. Diesen zu Folge dient es als Talisman gegen den Sand, um dessen Vordringen in die Fruchtlandschaft von Gizeh abzuwehren.

Die kleinen Pyramiden, welche familienweise um die Hauptpyramiden gelagert sind, befinden sich in arger Verwüstung. Wenn Abdallatif recht unterrichtet war, so rührt sie von einem griechischen Eunuchen in der Zeit Salaheddins (1170 — 1193) her, der die Steine zum Bau von Brücken in der Provinz Gizeh verwendete.

                                                ******************

Der Pitt zu den Höhlen von Turah und Masarah dauerte drei Stunden. Er führt seit dem Augenblick, als man das fruchtbare Weichbild Kairos verlässt, fort und fort über die Steinwüste. Hinter Altkairo, an dessen äußerstem Ende das griechische Kloster des heil. Georg auf den Fundamenten eines römischen Baues steht, beginnen die Schutthügel der Städte, welche sich auf diesem Boden einst erhoben. Da war zuerst Babylon, ursprünglich ein Kastell, wie die Griechen wollten von meuterischen Babyloniern gegründet, später das Standlager einer römischen Legion. Dieselbe 13. Legion (Leg. XIII Gemina), welche Dacien erobern half, lag im vierten Jahrhundert hier. Der berühmte Name, den Babylon aus für uns unbekannter Ursache trug, ließ sein Andenken nicht erlöschen, auch als es schon nicht mehr war. Im Abendland übertrug man seinen Namen zuerst auf Fostât, später auf Kâhira und während aller Jahrhunderte bis in sehr moderne Tage hieß der Herrscher von Ägypten der König von Babylon.

Auf dem welligen Sandboden, den stellenweis nacktes Gestein durchbricht, erheben sich einige zerbröckelnde Grabkuppeln und Moscheen, worunter eine Gruppe die „sieben Brüder" genannt wird. Eine verfallene Wasserleitung, vielleicht diejenige, die einst Babylon mit Wasser versah, durchzieht das völlig unfruchtbare Erdreich.

Die von Kairo südwärts streichende Bergkette des Mokáttam fällt zum Tal El Tih ab, einer weiten Furche, auf deren Sohle die Karawanen gegen Sues wandern. Die andere, die rechte Talwand bildet die Turahkette und setzt die Richtung des Mokáttam fort, nur dass ihr südliches Ende vom Nil weiter absteht. Zwischen Berg und Fluss erhebt sich wie ein weißer Steintisch über grünem fettem Rasen die Wüstenfläche.

Bastionenartig baut sich das Gebirge auf, welches durchaus aus einem feinkörnigen hellweißen Kalkstein besteht. Hier bricht man die dünnen Platten, welche zur Pflasterung und Dielung von Vorzimmern und Küchen in Kairo und im Delta viel gebraucht werden — die Kamele, welche mit dieser Last schwer bebürdet durch die engen Straßen von Kairo sich drängen, haben schon manches Reiters Füße in schwere Gefahr der Quetschung gebracht — hier auch holt man jene großem mächtigem Blöcke aus festerem Korn, aus welchen sich die vielen Häuserbauten oberhalb wie unterhalb Kairo erheben. Durch einige Schienenlinien, die über die geneigte Fläche vom Bergfuß zum Nil hinablaufen, erleichtert man den Transport ungemein und es ist in der einst stillen Gegend eine ungemeine Lebendigkeit und laute Rührigkeit erwacht. Dank diesem Umstand sind auch die antiken Steinschriften, welche an den Eingängen der schon von den Pharaonen ausgebeuteten Brüche errichtet waren, beinahe völlig verschwunden. Schon in alter Zeit hat man ungeheure künstliche Höhlen in dem Berge eröffnet, ein System geradlinig fortlaufender Hauptgänge mit seitwärts abzweigenden schmaleren Nebengängen. Die Gesellschaft durchschritt einen dieser „Säle" bis zu tausend Schritt, ohne an sein Ende zu gelangen. Bei der Dunkelheit des weiten Raumes, welche einige Kerzen nur ungenügend erhellen können, ist das Gehen ein fortwährendes oft schmerzliches Anstoßen auf dem unebenen mit Trümmern bedeckten Boden. Die Entstehung der ungeheuren Hohlräume erklärt sich aber dadurch, dass man in der altägyptischen Bauepoche den Stein aus dem Innern dos Berges herauszubrechen liebte; die Gegenwart aber, das Eintreiben von Stollen verschmähend, schürft und bricht von außen ab und räumt so gründlich auf mit dem alten Steinbergwerke.

Man hat oft behauptet, das Material zu den Pyramiden von Memphis sei aus den Steinbrüchen von Turah genommen worden, aber dem ist wohl nicht so. Die Pyramiden zeigen durchaus einen versteinerungsreichen Nummulitenkalk und die Brüche von Turah enthalten keine Nummuliten. Man beruft sich auf das Zeugnis Strabons. Aber kann dieser ein Zeuge sein, dessen Aussage über die Untersuchung der natürlichen Beschaffenheit des Gesteins gesetzt werden dürfte? Dann sagt er das, was man ihm in den Mund legt, doch nicht geradezu. Er äußert sich nämlich: „Es ist auch anderswo, dass bei den Steinbrüchen, aus welchen die Pyramiden erbaut wurden im Angesichte der Pyramiden, jenseits in Arabien, ein ziemlich felsiger Berg der Troische heißt; in ihm ist eine Höhle und in ihrer und des Flusses Nähe ein Dorf Namens Troja." Der Ausdruck bei den Turahsteinbrüchen, angesichts der Pyramiden erlaubt es ganz wohl auf den Mokáttam bezogen zu werden, der so nummulitenreich ist. Dieselben Nummuliten haben übrigens Strabon große Bedenken gemacht. Er sah nämlich Steinschutt bei den Pyramiden, in welchem ihm einige Abfälle die Gestalt von Linsen, andere von Graupen und halbenthülsten Körnern zu haben schienen. Man sagte ihm, dies seien Reste von der Speise der Arbeiter. Solches glaubte nun Strabon zwar nicht, allein die Sache blieb ihm rätselhaft. Dass aber Troja, das heutige Tura, eine Anlage gefangener Trojaner aus dem Gefolge des Menelaos sei, welche sich hier niederließen, glaubte Strabon und mit ihm alle Griechen.

                                                ****************

Zu dem sogenannten versteinerten Walde, der seit einigen Jahren für die Touristen unvermeidlich geworden ist, bin ich zweimal geritten. Durch die muldige Talung zwischen dem roten Berge (Gebel el ahmar) links und dem Mokáttam rechts ritten wir über steinige und sandige Flächen durch anderthalb Stunden bis zu einigen Hügeln, die mit Holzversteinerungen bedeckt sind. Doch fanden wir nur kleine Trümmer, nirgends große Stücke, geschweige Stämme, welche den Ausdruck Wald rechtfertigen konnten. Als wir den Freunden unsere Enttäuschung klagten, erfuhren wir, dass wir noch lange nicht an der rechten Stätte gewesen, die den Namen Wald mit mehr Recht führe, dass dieser noch zwei Stunden von unserm Rastplätze entfernt sei und gewöhnlich bir el fachm (Kohlenbrunnen) heiße, weil man sich an jenem Orte sehr ungerechtfertigten Illusionen auf ergiebigen Kohlenbau hingegeben und einen Schacht in die Erde eingetrieben habe. Es ergehe übrigens allen Reisenden so, die sich der Führung eines Dragomans oder eines Einheimischen überhaupt anheimgäben. Sie scheuen die weitere Tour und geleiten nur so weit, bis sich ein häufigeres Vorkommen der in der ganzen Sueswüste allenthalben wahrnehmbaren Holzversteinerung darbiete. Ich erneuerte daher den Ausflug in Gesellschaft des eben so landeskundigen als liebenswürdigen Dr. Reil. Wir hatten bei dieser Wanderung häufige Gelegenheit, das hohle Klingen und Dröhnen des Bodens wahrzunehmen, der in diesen Tälern des Kalksteingebirges höhlenreich zu sein scheint. Wir erreichten den bir el fachm, wo die Lagerung großer verkieselter Baumstämme in der Tat ein hochinteressantes Schauspiel gewährt *). Es war zugleich einer der schönsten mildesten Jännertage, die Luft so rein, dass ich ohne Bewaffnung des Auges die Zahl von 14 Pyramiden zugleich erblickte.

*) Vgl. F. Unger, der versteinerte Wald bei Kairo. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. in Wien. XXXIII, 18 ff.

                                                *************

Einer der weihevollsten Orte Ägyptens ist Heliopolis, doch nicht durch seine Gegenwart, sondern die auf uns herandrängende Erinnerung an die Vergangenheit. Wir wissen von Heliopolis eben nur so viel, um dafür schwärmen zu können, Licht ohne Schatten. Es ist das gelehrte Alexandrien des Pharaonenzeitalters, aber unbefleckt von den Gräueln der Empörungen und Stürme, der Hofskandale und Intrigen, deren Andenken sich an die Stadt am Pharus heftet. Heliopolis war eine stille Klause priesterlicher Weisheit, besucht und geschätzt von den ersten Geistern Griechenlands.

Von Kairo erreicht man es in anderthalb Stunden; einer der dahin führenden Wege ist so bequem, dass man ihn auch fahren kann. Wenn man zum düstern Bab el Nasr hinausreitet, so betritt man sogleich das Gebiet der Sandwüste. Rechts erhebt sich der zackige Gipfel des roten Berges, vor uns der große Palast genannt die Abbasie, die auf dem weiten einsamen Boden den sie beherrscht durch ihre Hässlichkeit unangenehm auffällt. Welcher Kontrast der steifen nüchternen Kasernenformen gegen die phantastischen edlen Umrisse der unfernen Mamlukengräber. Für den rapiden Verfall der neumoslimischen Architektur gibt es kein stärkeres Zeugnis, als diese Gegenüberstellung.

Eine Allee von Lebbek-Akazien nimmt uns nach Überschreitung des Sandes auf und begleitet uns durch eine fortan fruchtbare wohlgepflegte Landschaft. Dieser Anblick ist jederzeit lachend und herzerfreuend; besonders reizend aber im Dezember, wenn eben die jungen Halme hervortreiben. Das Hellgrün der sprossenden Gräser sticht dann scharf ab vom Schwarz des fetten Bodens, vom Gelb der immer sichtbaren Wüste und mit Behagen gibt man jenen recht, die schon in alter Zeit das Land das dunkle, schwarze nannten.

Der berühmte Obelisk von Heliopolis, die letzte Säule der alten verschwundenen Stadt ragt empor in der Eintiefung eines Feldes, welches wie die unweit liegenden Gehöfte lange einem Europäer gehörte. Vor einigen Jahren hat der Vizekönig den Besitz an sich gebracht und ist so anschließender Eigentümer des vielbesuchten Monoliths geworden, worauf einer seiner in Gott ruhenden heidnischen Vorfahren sich verewigt hat. Die Inschrift zu Ehren Sesurtesens I., desselben von dem ein Obelisk in einem Sumpfe des Fajûm liegt, auf den vier Seiten des Monoliths sich wiederholend, ist noch wol erhalten. Nur sind die Nordwest und Nordostseite ganz und gar von den Zellen der Wespen bedeckt, welche die eingetieften Räume der „heiligen Zeichen" vollständig ausgefüllt haben. Außer den Obelisken über dessen Scheitel gegen fünftausend Jahre hinweggezogen sind, sind es noch 12 bis 14 Granitblöcke, darunter zwei, drei mit Inschriften und Königsschildern Thutmosis III. und Ramses III., welche das Dasein der alten Sonnenstadt An *) oder On die Heimat der unberühmten Gattin des ägyptischen Josef und des berühmten Stieres Mnevis bezeugen. Diese Reste liegen in einer von niedrigen Hügeln umwallten Niederung, welche wahrscheinlich den Umkreis, den heiligen Grund des alten Sonnentempels bezeichnet. Alljährlich tritt jetzt die sommerliche Nilflut darüber, wäscht die Steine und spült daran, bis es ihr im Verein mit der Sonne gelingt, die letzten Schriftzüge zu verwischen. Unter dem Kranze der Hügel bergen sich aber wohl noch schätzenswerte Überbleibsel, denen Menschen und Wetter nichts anhaben konnten und sie sind so lange sie die Erde verwahrt vor der Zerstörung sicher. Einmal an das Licht gebracht, wird sich die moderne Bautätigkeit ihrer bemächtigen und sie werden schwinden wie die oberirdischen Bauten, die zum Bau Alt- und Neu-Kairos manchen Stein geliefert haben müssen.

*) Mit Anklang daran nannten die Araber die Stadt 'Ain ´sems; der Obelisk heißt bei ihnen Pharaons-Nadel missellet Fara'ûn.

Keinem Reisenden wird es erlassen den Baum der Jungfrau Maria im sogenannten Balsamgarten zu besuchen. Dieser ist nur eine Viertelstunde vom Obelisk und so blühend und ungeordnet, als hier zu Lande üblich, der Baum aber, eine Sykomore nicht älter und schöner als viele in Ägypten. Aber so wie am Amenophiskolosse in Theben haben sich hier Touristen alten und neuen Datums epigraphisch verewigt. Da selbst ein protestantischer Pilger aus dem rationalistischen Deutschland freilich in einem dem frommen Könige Wilhelm IV. von Preußen gewidmeten Buche gestand, angesichts des Baums „von frommen Gedanken erfüllt gewesen zu sein," so kann man sich vorstellen, welchen Hochgenuss Engländer fühlen, welche über das Alter kindlicher Bibelmilchkost noch nicht hinaus sind. Auch denken diejenigen, welche am zweiten Kapitel bei Matthäus keinen Anstoß nehmen nur konsequent, wenn sie jeden Zweifel darüber verbannen, dass die Jungfrau gerade unter diesem Baume Ägyptens geruht habe, so wenig als die Araber zweifeln, dass in einem unweit liegenden Brunnen Jesus gewaschen worden sei. Das nahe Dorf heißt, wie einige andere wohl von sehr alter Zeit her wie Quatremère mit Recht meint, Matarijeh; die Stegreifetymologen leiten es dagegen vom arabischen matar Regen ab, obgleich es nicht bekannt ist, dass hier eine Linie Regen mehr fällt als zu Kairo, wo er bekanntlich sehr selten ist. Die französische Kriegsgeschichte kennt Matarijeh als eine Stätte, auf der am 30. März 1800 in einem Siege über die Türken durch den General Kleber unfruchtbare Lorbeeren erworben wurden.

                                                ****************

Das Memphis der Lebenden ist dahin, das Memphis der Toten lebt. Noch weist die ungeheure Nekropole zahlreiche Reste der früheren energischen Bautätigkeit auf. Die größten davon sind die Pyramiden von Saqqâra, ihr Fuß steht wie der aller ihrer Schwestern auf dem Plateaurande der libyschen Wüste.

Es war einer jener milden angenehm kühlen Tage wie sie der Mittwinter Ägyptens kennt — der Himmel trug einen bleigrauen tiefhängenden Schleier — als ich zum erstenmale nach Saqqara ritt. Die Landschaft in ihrem grünen Winterschmucke rüstete schon den Segen künftiger Ernten, die wuchernde Bohne (vicia faba) blühte, die Gerste stand in üppigster Blattfülle, die Palmen, in geradlinigen Reihen angepflanzt, breiteten die Kronen aus über dem grünen Teppich der Ceres, aus dem sie mächtig hoch hervorstreben. Ist man von Kairo aus auf dem linken Ufer des Nil angelangt, so geht der Weg fort und fort auf Erddämmen hin, die zur Zeit der sommerlichen Überschwemmung die einzigen trockenen Pfade von Dorf zu Dorf bilden. Als ich mich den Pyramiden näherte, begann ein Regen, wie gewöhnlich hielt er aber nicht lange an. Die Wüste aber, auf die wir losritten, nahm sogleich ein düsteres und unheimliches Aussehen an. Wir klommen zu ihr hinan, besahen die architektonisch merkwürdige Stufenpyramide und gelangten dann zu dem einsamen Blockhause, das A. Mariette, der verdiente Direktor des ägyptischen Museums in Bulak, inmitten der Öde erbaut hat, um seine Nachgrabungen von hier aus zu leiten. Nie sind solche Bemühungen herrlicher belohnt worden. Ihnen verdankt man die Kenntnis des Serapeum und der Apisgräber. Jetzt war das Blockhaus unbewohnt, nur einige faulenzende Beduinen, schöne kräftige Gestalten, verweilten daselbst und erboten sich zu Führern nach dem Serapeum. Wir nahmen ihre Dienste sehr gern an, da keiner von uns der Örtlichkeit schon kundig war.

Fesselnder als alles ist das Apieium, die Katakomben der heiligen Stiere. Hinter hohen Pylonen, über einen geneigten abwärts führenden Weg, gelangt man zu einer mächtigen steinernen Pforte. Hinter dieser eröffnet sich ein Hof, von welchem unterirdische Gänge auslaufen, hoch und geräumig in den Kalkfelsen eingetrieben. Zu beiden Seiten liegen tiefer eingesenkte in der untern Hälfte vermauerte Nischen. In ihnen ruhen die monolithen Granitsärge des „lebenden Gottes Hapi." Die Höhe eines solchen Sarkophags beträgt gegen 10, die Länge über 25 Schuh, die massiven Deckel zeigen eine Dicke von 3 Schuh. Alles ist auf das sorgfältigste poliert, aber nur zum Teil mit kurzen Inschriften versehen. Schon im Altertum scheinen diese Gräber aufgedeckt und ihrer Kostbarkeiten beraubt worden zu sein. Die sorgfältig balsamierten Mumien hat man herausgeworfen und so die geehrtesten aller Stiere, die Inkarnationen des Osiris, das Los ihrer ungeehrten menschlichen Zwecken dienenden Mitbrüder teilen lassen. Vielleicht war es der christliche Fanatismus, der dem Serapeum zu Memphis so verderblich wurde wie dem in Alexandria. Früher und später kann die Verwüstung kaum erfolgt sein. Die Römer waren duldsam, insbesondere gegen die Anhänger der Isis und des Osiris; später in arabischer Zeit war man nicht mehr im Stande Hieroglyphen zu lesen. Diejenigen aber, welche in die Apisgräber eindrangen, haben den Namen des Apis zu lesen gewusst und ausgemeißelt. Vielleicht hat auch eine doppelte Verwüstung stattgefunden, eine durch die Christen des 5. Jahrhunderts und eine durch die Araber. Wenigstens ist die Zuschüttung der Särge mit Steinen, zum Zeichen der Verachtung, ein mehr orientalischer Brauch.

Unter den Grabkapellen, die wir sodann besuchten, erwies sich eine in ihren Skulpturen als besonders interessant. War es doch, als hätte man dem Toten zoologische Bilderbogen en relief in seine stille Wohnung mitgeben wollen. Das große Talent der Ägypter für treue Auffassung des Charakteristischen in den Tierformen, der sie sich in diesem Genre im Gegensatze zur typischen Gebundenheit in der Zeichnung der Götter und Menschen überließen, trat an den zahlreichen Zeichnungen auf den Kalksteinwänden in den zierlichsten Proben zu Tage.

Als der Abend einbrach, betraten wir Abusir, (wohl ein altes I Busiris, Pa-Osir) ein Dorf, nur eine halbe Stunde Wegs von der Stufenpyramide. Das Abendessen nahmen wir auf der Tenne eines Bauernhofes. Sodann wies uns der Fellah das beste Zimmer des Hauses an, ein solches, das bei uns für eine ländliche Rumpelkammer gut genug sein möchte. Da es eine Tür hatte, wozu bedurfte es eines Fensters? Dass ein arabisches Haus, besonders eines Armen, kein Mobiliar besitzt, war mir bekannt, und so fand ich es auch hier. Über eine festgestampfte Lehmerhöhung, welche einen Divan vorstellt, wurde eine Bastmatte gelegt und das Bett, das unser Wirt uns bieten konnte, war fertig. Nachdem wir ihm durch den Plaid so viel als möglich von seiner Härte zu benehmen gesucht hatten, suchten wir den Schlaf. Aber dieser erschien nicht, so müde wir auch waren. Seit Moses scheinen die tierischen Landplagen in Permanenz geblieben zu sein. Es war ein Überfall, gegen welchen kein Moskitonetz helfen kann, und morgens zeigten die Leiber der Gesellschaft jene ausschlagartige Sprenkelung, welche mir so oft an den Eseltreibern aufgefallen war. Als dieser ersehnte Morgen kam, hatten wir noch viel des Wehes zu ertragen, denn draußen ging der Lärm nicht aus. Esel trompeteten bald schmetternd und dröhnend, bald jämmerlich klagend, auf dem raschelnden Strohdache der Hütte lief der Hofhund umher und beteiligte sich nicht als einer der schlechtesten an dem allgemeinen lauten Meinungsaustausche, welchen die gesamten Köter von Abusir gegenüber der Schönheit der Mondnacht für notwendig hielten.

Vom Teiche von Abusir ritt ich des Morgens nach Saqqâra, vorbei an den Grabstätten zahlreicher in den Felsennischen eingesargter Mumien von Katzen, Ibisen und anderem Getier, übersetzte den Bahr-Jusuf, oder Josefsfluss und gelangte ostwärts zum Dorfe Mit Rahine, das Dattelpflanzungen ringsum umschließen. Von hier bis Bedresin breitete sich einst die alte Reichshauptstadt Memphis aus, der Kultussitz des Ptah. Aber sowie das alte Alexandrien aufgezehrt ist, so auch Memphis; über Alexandria erhebt sich eine andere Stadt, wo Memphis stand, ist nur Feld und Pflanzung. Abd-al-Latif, einer der besten Beobachter und Beschreiber, den Ägypten gefunden hat, beklagt bereits im Anfang des 13 Jahrhunderts den furchtbaren Verfall von Memphis, aber wie viel hat er noch gesehen, von dem jetzt keine Spur mehr vorhanden ist. Die Gebäude sind bis auf die Fundamente völlig aufgebraucht worden für die Neubauten der Jahrhunderte, besonders in Kairo; und was von Werken des Meißels sich noch findet, ist doch über alle Vorstellung winzig und wenig. Der zerbrochene Ramseskoloss ist die letzte große Erinnerung an eine wohl nicht versunkene aber abgetragene konsumierte Königsstadt. In einer Bodenmulde liegend, wird er alljährlich von dem steigenden Nil überdeckt, um alljährlich seine Auferstehung aus dem Wasser und dem Schlamme zu feiern. Der harte Granit mag solchem Prozesse noch lang widerstehen, ohne dass die Arbeit des Meißels zu sehr Schaden leidet. Noch gibt es in der Umgebung einiger Bauernhütten eine ganze Sammlung zerstückelter, verstümmelter Statuen. Kauernde Figuren von Göttern und Priestern, Köpfe von Königsstatuen, Säulenkapitäle u. s. w. Ein Museum Europas würde sich zu deren Erwerbung Glück wünschen.

Der Heimritt erfolgte desselben Wegs, nur setzten wir schon eine Stunde oberhalb Gizeh über den Nil. Indessen war ein Sturm aufgesprungen, der den Staub in wahrhaften Wolken dahertrieb. Der vollgeladene Kahn, der uns über den hoch seine Schaumwellen bäumenden Strom fuhr, schwankte und bog , dass ich jeden Moment das Umschlagen und den Untergang gewärtigte. Die zahlreichen Tiere, welche einen unsicheren Stand hatten, zeigten sich unruhig. Die Araber beteten und drehten eifrig an ihren Gebetkügelchen. Doch wir erreichten das Ufer ungefährdet und dankten „dem rettenden Gotte."
Dieses Kapitel ist Teil des Buches KAIRO - Topographische Skizzen