Hervorragende Bauten

Zu den hervorragenden Bauten gehören liier wie überall vor allem die Kirchen. Wir sind gewohnt, die islamischen Gotteshäuser mit dem einen aus dem arabischen meshid stammenden Worte Moschee zu bezeichnen, der Morgenländer aber liebt es zwischen größeren und kleineren Kirchen zu unterscheiden und nennt nur die letzteren mesgid, die größeren, aber entsprechend unseren Domen, Kathedralen oder Münstern Dschamien.

Zu den großartigsten Werken dieser Gattung gehört die Moschee Tulûn, die leider ihrem Verfalle rasch entgegen geht. Sie bedeckt einen größeren Flächenraum als jede andere in Kairo und ist in dem älteren Stile erbaut, wie ihn die Amrumoschee in Altkairo repräsentiert, nur dass die Säule, welche dort die Hauptrolle spielt, durch Pfeiler mit je vier Halbsäulen, und die geradlinige Konstruktion durch den Spitzbogen ersetzt ist. Ein weiter Hof, in welchem sich das schöne nicht mehr ganz wohl erhaltene Brunnenhaus erhebt, wird im Vierecke von krenelierten Pfeilerhallen umschlossen. Gegen Osten ist die Reihe fünffach, nach den anderen Weltgegenden doppelt. Diese Hallen dienen gegenwärtig als Wohnungen für eine zahlreiche Menge armer Leute; man hat die Interkolumnien der Bogen mit Mauerwerk ausgefüllt und durch Aufführung von Quermauern quadratische Wohnräume geschaffen. Nur die vierschiffige östliche Halle ist unverbaut geblieben, hier glänzt die bunte Mosaik des schönen Mihrâb, hier erhebt sich das elegante Holzschnitzwerk des Member (Kanzel), von dem aus keine Worte des Heiles mehr ertönen. Staub bedeckt das wiederhallende Pflaster der verödeten Räume. Über der Höhe der Westseite ragt das stattliche, turmgleiche Haupt-Minarett empor, ein anziehendes Werk, gleichfalls im größten Verfall, eine Treppe läuft außen umher, seit die ursprüngliche innere zerstört wurde. Überdies wachsen aus den Endpunkten der Ostseite kleinere schmalleibige Minarette heraus. Die Aussicht von diesen Höhen ist reizend. lieber den weiten Tempelhof, in dem eben ein Heer von Kindern spielt und tollt und die außerordentliche Kraft arabischer Kehlen übt, wendet sich der Blick zur hohen Zitadelle hinüber, von da zur einsamen Gräberstadt, um endlich zu weilen auf dem grünen Saatteppich, auf dem die große Städtekönigin des Nils ruht.


Makrizi teilt über diese Moschee mit: Der Ort wo die Moschee steht, wird Dschebel Jeschkur genannt, Daselbst soll Gott sich dem Moses geoffenbart haben. Den Bau dieser Moschee begann der Emir Ebü'l Abbâs Ahmed Ibn Tûlûn im Jahre 263 (879 n. Chr.) von dem Golde, das er auf der Spitze des Berges, an dem Orte, der Tennûr Firaûn heißt, gefunden hatte. Die Kosten des Baues betrugen 120.000 Dinare. Man erzählt, als Ibn Tûlûn nach Oberägypten reiste, sank eines der Pferde in der Wüste mit dem Fuß in den Sand, der Sklave, der darauf ritt, stürzte herab und siehe, da kam eine Spalte in der Erde zum Vorschein, in der man Geld im Werte von einer Million Dinaren fand. Ibn Tûlûn schrieb deshalb nach Irak an den Chalifen Mutomid und bat ihn um die Erlaubnis, dieses Geld zu frommen Zwecken verwenden zu dürfen. Davon erbaute er das Spital. Auf dem oberen Berge fand er noch weitere Schätze und baute davon die Moschee; was von dem Gelde übrig blieb, verwendete er auf fromme Stiftungen. Diese Moschee ward unter der Herrschaft der Emire erneuert.

Um die große Moschee Elazhar zu sehen, bedurfte es eines schriftlichen Erlaubnisscheins der Polizei (Zabtic) und der Begleitung eines Consulatskawâssen. Ausgerüstet mit dem einen, begleitet von dem andern, einer martialischen Erscheinung, begaben wir uns zur Moschee, wo unsere Annäherung sogleich eine ansehnliche Menschenmenge herbeilockte, die aber mehr Neugier und Gelüste nach Bachschisch als Übelwollen und religiöse Skrupel zeigte. Nachdem man Strohpantoffel über seine Fußbekleidung gebunden hat, darf man eintreten. Aus einem Vorhofe, in dem Kauf und Verkauf betrieben, frisiert und rasiert wird, tritt man in einen zweiten Hof, unbedeckt wie der erste, aber mit Steinquadern gepflastert. Der dritte gedeckte Raum wird von Säulen getragen, die ihn in sieben Hallen teilen. Kanzel und Mihrâb bieten eben so wenig als diese etwas Beachtenswertes. Alle Moscheeräume waren dicht erfüllt von Gruppen Liegender und Kauernder, die den Studien oblagen mit Lesen Memorieren und Schreiben. Jeder liest und lernt halblaut; daraus entsteht ein Summen in allen Räumen wie in der Nähe zahlreicher Bienenkörbe. Alles Lesen wird zugleich mit schwingenden Bewegungen des Leibes und Kopfes nach vorn und rückwärts, nach links und rechts begleitet, wie mehrhundertjähriges Herkommen sie im Orient zur Regel machen. Zum Schreiben bedienen sich die Scholaren dünner Blechtafeln und der bekannten Rohrfedern (qalem) die für den breitspurigen Zug der arabischen Kursivschrift weit geeigneter sind, als unsere Kiel und Stahlfedern. Die Blechtafeln gestatten ebenso ein öfteres Beschreiben, wie unsere Schiefer-, Papier- und Pergamenttäfelchen. Diese Moschee erbaut von dem Fatimiden Muiz LedinAllah (f 975 n. Chr.) ist zugleich Schule und Gebethaus, und man sieht wenn die Stunde gekommen ist, jedermann die Gebete verrichten, um dann wieder in seinem Studium fortzufahren. Längs der Wände der Moschee laufen rohgezimmerte Holzschränke hin sie sind durch Türen geschlossen und dienen sowohl zur Aufbewahrung der Bücher als des Mundvorrats, welchen die Studiosen alltäglich mit sich bringen; denn sie verweilen hier während der ganzen Dauer des Tages. Links vom nördlichen Eingange El-Azhars liegt ein Brunnen und unweit davon ein von übelduftenden Anstandsorten umsäumter Teich, der zu den ritualen Abwaschungen dient. Weil es gerade Asr (die Nachmittagsgebetszeit) war. so fand ich ihn zahlreich besucht. Da viele sich nicht begnügen die Füße zu bespülen, sondern in das Bassin hineinsteigen, so sieht diese Stätte der Reinlichkeit nichts weniger als rein und einladend aus.

Unsere Erscheinung auf der hohen Schule verfehlte nicht unter den Jüngern des göttlichen Rechtes Sensation zu machen; wir waren ihnen offenbar nicht willkommen. Mienen und Gebärden sprachen es aus, wie peinlich die Gegenwart der dreisten Kâfiren auf der heiligsten Stätte Kairos ihr Gefühl berührte. Sie verließen zahlreich ihre Bücher und rotteten sich in Scharen zusammen, um jedem unserer Schritte zu folgen. Aber da uns der Kawâsse und ein Soldat der Zabtie nie verließ und wir überdies mit einem Erlaubnisschein (teskere) derselben Behörde versehen waren, den wir jedem, der ihn zu sehen verlangte, gern vorwiesen, erhob niemand Einsprache und wir durften unsere Neugierde ungefährdet befriedigen.

Bei den Arabern liest man über die Dschämi el Azhar: Diese Moschee ist die erste, die in Kairo erbaut ward. Der Erbauer derselben ist Dschauher el Kâtib es Sakali, derselbe der Kairo gegründet hat. Vollendet ward sie im Jahre 359. Man sagt es soll in dieser Moschee ein Talisman sein, der die Sperlinge und andere Vögeln hindert, daselbst sich anzubauen und zu brüten. Dieser Talisman besteht aus den Bildern dreier Vögel, die auf den Capitälen von drei Säulen aus dem Stein gehauen sind.

Für eben so heilig als die Azharmoschee gilt die Moschee Hasanein, wo wie die gläubigen Musulmanen Kairos glauben, das Haupt des unglücklichen Hosein sich befinden soll. Mit der Dualform Hasanein bezeichnet man die beiden Söhne Alis Hasan und Hosein. Unser Besuch galt aber nicht sowol der für uns Ungläubige ohnehin unsichtbaren Reliquie dos Kopfes eines alten Chalifatsprätendenten *) als der heiligen Kiswe (kisweji serife). Dies ist ein Teppich, der zur Bedeckung der Kaba in Mekka alljährlich von Ägypten aus abgesendet wird. Die große afrikanische Pilgerkarawane hat die Ehre diese Kiswe zu überbringen. Man verfertigt sie auf der Zitadelle und bringt sie sodann zum füttern nach der Moschee Hasanein. Da man hier noch weit weniger auf den Besuch von „Christenhunden" vorbereitet ist als anderswo, so fehlt es auch an Strohschlerfen , wir mussten daher die Fußbekleidung ablegen, welche ein uns gänzlich unbekannter Mann in Obhut nahm, und in Socken die heilige Stätte durch wandeln. Da erblickten unsere profanen Augen den heiligen Teppich, der in nichts von unseren Bahrtüchern sich unterscheidet: schwarzer Sammet, dessen Bordüre goldgestickte Koransprüche bilden. Die Berührung desselben durch meinen Freund nahmen die Moslimen, die daran arbeiteten, sehr übel. Architektonisch ist die Moschee so unbedeutend wie ein Dutzend andere.

*) „Das Grab des Husein war ehemals in Askalon. Als aber die Franken diese Stadt eroberten, brachte man sein Haupt nach Kairo, wo schon das Grab Hasans war; dies geschah im Jahre 515" Abd-ol-Ghani Nabolsi bei A. v. Kremer Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss. V. S. 837.

Die imponierendste aller Moscheebauten der älteren Stadt, dasjenige Werk das von jeher die höchste Bewunderung erregt hat und mit seinen Riesenschultern aus Backstein ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt bildet, ist die Moschee des Sultan Hasan (1347 — 1361). Wie edel und groß ist das Riesenportal mit seiner Spitzbogenkrönung! Der Baumeister der diese ersann hatte einen Geist von gewaltigem Fluge, ihm musste das Schwerste gelingen. Wie sehr entstellt nun die kleine hölzerne Freitreppe, welche an den Fuß des ungeheuren Tors sich anlehnt. Hören wir auch was ein eben so begeisterter als unterrichteter Araber *) über diesen Zeitgenossen des Stephansdoms berichtet: Diese Moschee ist unter dem Namen Medreset Sultan Hasan bekannt und liegt der Zitadelle gegenüber, zwischen dieser und der Quelle Birket-el fil; sie steht auf der Stelle wo ehemals das Haus des Emirs Jlboghâ-1 Iahjâwi stand. Der Sultan begann den Bau im Jahre 757, erweiterte dessen Umkreis und erbaute sie in größtem Maßstabe. Der Bau dauerte ununterbrochen durch drei Jahre fort und die Kosten betrugen jeden Tag 20.000 Dirhem und tausend Miskâl Gold. Makrizi teilt mit: Ein Eunuch erzählte mir, er habe den Sultan Hasan sagen hören, für das Gerüst, auf dem die große Halle erbaut ward, seien 100.000 Dirhem ausgegeben worden; nachdem aber das Gewölbe vollendet war, ward das ganze Gerüste auf die Schuttstätte geworfen. Ich hörte den Sultan sagen: Wäre es nicht, dass man sagen würde, der König Ägyptens war nicht im Stande, den Bau den er anfing, zu vollenden, so hätte ich den Bau dieser Moschee aufgegeben wegen der großen Kosten. Diese Moschee ist ein wundervoller Bau, die große Halle ist 65 Ellen lang und breit. In Ägypten, Syrien, Irak, Maghreb und Jemen findet sich nichts wie die große Kuppel dieser Moschee, die marmorne Predigerkanzel hat nicht ihres gleichen, eben so wie. das große Portal, dann die vier Medreseen. Der Sultan wollte vier Minarette aufbauen, von denen der Ruf zum Gebete ertönen sollte; drei Minarette waren vollendet, da stürzte am Sonnabend des Monats Eebi'-alachir des Jahres 762 das am Tor stehende Minarett ein und bei dreihundert Waisen, die in der zu wohltätigen Zwecken gestifteten Schule ernährt wurden, nebst sechs anderen Kindern verloren dabei das Leben. Der Sultan ließ auf dieses den Bau nicht weiter fortführen und nur die übrigen zwei Minarette blieben bis auf unsere Tage stehen. Dieses Ereignis ward von den Bewohnern Kairos als ein Anzeichen des nahen Sturzes der bestehenden Regierung angesehen, der Sultan auch wirklich 33 Tage nach dem Sturze des Minarettes getötet, bevor noch die Marmorbekleidung vollendet war. Der Sultan liegt unter der von ihm erbauten schönen Kuppel begraben.

Nicht zu übersehen ist die Moschee Amrus (gama Amru) in Altkairo (Masr el atiqe). Sie hat etwas freies, feierliches, dem Gemüt wohltuendes. Da ist nichts von der dumpfen Enge eines unkünstlerischen, geschlossenen, verstellten Raumes. Die Säulen der Nordseite sind aber bereits niedergeworfen, Kapitäle und Schäfte liegen reihenweise wie vom Tode gemähte Schlachtlinien auf dem Steinpflaster, auch der südliche Säulengang ist schon sehr beschädigt. Die Kapitäle der Amrumoschee zeigen die größte Mannigfaltigkeit, wie sie denn gewiss auch von den verschiedensten Gebäuden des alten römischen Babylon zusammengetragen worden sind. Die dem Araber eigentümliche Antipathie gegen Gleichartigkeit und strenge Einheit fand diese Difformität und Buntheit ganz nach Sinn und Wunsch. Das alte Minarett ist zerstört und durch ein neues lehmgekleistertes ersetzt. Überhaupt zeigt dieses älteste aller islamischen Gotteshäuser in Ägypten, wie wenig Wert der Orientale auf Erhaltung von Baudenkmalen legt. Die Regierung beweist hierbei nicht mehr Einsicht und Pietät als der letzte Fellah; und ein Vizekönig, der den Grundsatz hegt alles für mich, nichts für das allgemeine ist gewiss nicht der Mann, um in diesem Punkte den Geist seines Volkes eine neue bessere Richtung zu geben. Das Volk aber, dem seine Geschichte abhanden kommt, verliert auch jeden Gradmesser für seinen Fortschritt.

Die christlichen Kirchen dürfen, wenn von Architektur die Rede ist, nicht genannt werden; sie sind durchaus unbedeutend, versteckt in den schmalsten, gewundensten Gässchen. Eine Erwähnung verdient nur etwa die koptische Kirche in Altkairo, genannt Santa Maria. Wir gelangen durch eine lange Folge von Häusermassen, kaktusumzäunten Feldern, Gärten und allerhand Pflanzungen bis zu einem Klumpen schmutziger niederer Lehmhütten. Die Kirche vergräbt sich in einem Labyrinth enger, winkeliger unsauberer Gässchen und scheidet sich in eine obere und in eine unterirdische oder Krypta. Ihr Bau hat nichts merkwürdiges. Bilder von Christus, Maria, Josef. Marcus, Georg, Demetrius im byzantinischen Stil bilden den Schmuck der glatten, getünchten Wände. Ein gutgeschnitztes Holzgitter, welches das Presbyterium von dem übrigen Raume trennt, bietet noch das meiste Kunstinteresse. Einige koptisch-arabische Psalm- und Ritualbücher liegen abgenützt und unordentlich in einer Mauernische; ein einziges davon mit vergoldeten Kapitalbuchstaben zeigt ein höheres Alter. Wir ließen uns vorlesen, wozu der Priester sogleich bereit war. Er erinnerte an die schmutzigsten Kapuzinergestalten und sein Vortrag war ein schnüffelndes näselndes Grölzen und Gurgeln. Er verstand keines von den Worten, die er las. Welch’ trauriger, kläglicher Tod, den die Sprache der ältesten Denkmäler des Menschengeschlechtes erlitten hat. In dem Lippendienste der koptischen Christen werden ihre Klänge in langweiliger ermüdender Melodierung herabgeplärrt, und wie sie nicht mehr vom Herzen kommen, dringen sie auch zu keinem mehr. So gleicht das koptische einem galvanisierten, noch zuckenden aber nicht mehr lebenden Leichnam. Das arabische, welches das ägyptische Volk jetzt redet, hat äußerst wenige Erinnerungen an das alte Idiom bewahrt, darunter aber die alten Monatsnamen. Mit ihnen lebt der alte Kalender fort und findet Anwendung in allen Geschäften des Ackerbaues, bei Kontrakten, Prozessen usw. *)

*) Sie lauten nach der heutigen Aussprache: Túti, Bába, Hatúr, Kiàk, Tùba, Emsir, Barmahát, Barmúde, Beséns, Beúne, Abibe, Misre.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches KAIRO - Topographische Skizzen