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Aber Jochen hat ein trauriges Ende genommen. Als sein Bruder wieder besser war, wollte er mit ihm nach dem Town und Mehl gegen Korn eintauschen. Ein Krenzliner war auch noch dabei. Sie fahren mit der Karre auf den Schienen. Die Karren baut man hier gleich so, daß sie auf den Schienen spuren. Da kommt der Zug um die Ecke. Die beiden andern pressen sich gegen den Drahtzaun und machen sich dünn. Sie rufen Jochen zu, er soll sich auch dünn machen. Aber Jochen will noch schnell die Karre von den Schienen wuchten, daß es für den Zug kein Unglück gibt. Da faßt der Zug die Karre und schmeißt sie zur Seite, und ihn drückt es gegen die Karre. Er hat nur noch ein paar Minuten gelebt. Er gehört zu den Menschen, auf die man sich verlassen kann. Er war ein fleißiger Arbeiter. Es ist schade um ihn.

Du wunderst dich wohl, daß sie auf den Schienen fuhren und die Karren schon in der richtigen Spurweite gebaut werden, daß sie dazu passen. Lieber Freund, ich kann dir mitteilen, an solchen Dingen merkt man, daß dies Land auf der andern Seite der Erde liegt. Wenn bei euch in Deutschland ein Fuhrwerk über die Bahn fährt und der Zug kommt und überfährt den Wagen, dann wird alles genau untersucht, wer die Schuld hat. Wenn bei euch so was passiert, dann ruft gleich alles nach Staat und Obrigkeit, daß sie den Menschen schützen. Das ist hier anders. Hier sind keine Schranken an der Bahn, und wenn da ein Mensch überfahren wird, dann heißt es: Warum geht er auch gerade dann rüber, wenn ein Zug kommt? Das hätte er doch nicht nötig gehabt. Hier sorgt der Staat nicht so für den einzelnen Menschen. Hier muß der Mensch für sich selbst sorgen.


Wenn bei euch ein Eisenbahnunglück geschieht, dann heißt es nachher in der Zeitung als Überschrift: Zwei Tote, fünf Verletzte. Von denen wird dann ausführlich geschrieben, wie sie hießen, woher sie waren und was sie waren. Zuletzt wird dann noch kurz erzählt von den Waren und Gütern. Hier ist es umgekehrt. Hier schreiben die Zeitungen erst ausführlich vom Güterschaden, und ganz zuletzt heißt es dann: 16 Tote, 48 Verletzte. Die Bahnen sind hier ja auch meist Privatbahnen und leicht gebaut, und es sind etliche Bahnstrecken da, die sind im Lande verrufen, weil da so viel Unglück geschieht. –

Du fragst noch, wo Org Warnholz geblieben ist. In der Schule nannten wir ihn den Hebenkieker. Der ist es. Ja, wo der geblieben ist, das mag der Schah von Persien wissen. Ich habe seit der Überfahrt nichts mehr von ihm gehört. Seine Tochter wohnt hier in der Nähe, aber von ihrem Vater spricht sie nicht. Ihre Heurat ist abgebluckt. Es war einer da, der hat sich eine Woche auf dem gepolsterten Wiegestuhl rumgerekelt und hat sich füttern lassen. Der ist mit zwölf Jahren ins Land gekommen und hat noch keine zwölf Dollars gespart. So hat sie ihm die Handschuhe gegeben. Das ist so ein Sprichwort in diesem Lande. Das meint, sie hat ihn laufen lassen.

Lieber Freund, ich will dir heute ein Gleichnis machen, denn draußen schneit es, und ich habe Zeit dazu. Das soll dir zeigen, wie wenig ein Platz hier kostete, als die ersten aus unserm Dorf rüberzogen. Das waren die Gebrüder Dubbe. Einem von ihnen gefiel es in Minnesota nicht. So zog er nach Wisconsin. Da gedieh es ihm. Da schrieb er an seine Verwandten. Ich habe den Brief nachher als hartlicher (ziemlich herangewachsen) Jung gelesen. Er war vom 18. Februar 1851. Er hatte zwei kleine Farmen von 40 Acker gekauft; die kosteten zusammen 850 Dollars. Das ist heute wie ein Trinkgeld gerechnet. Mit der einen Stelle waren im Handel verbunden vier Ochsen, zwei Kühe, vierzehn Schweine, fünfzig Hühner, weiter Haus- und Wirtschaftsgeräte, achtzig Scheffel Korn und zweihundert Scheffel Kartoffeln. Die Plätze lagen beieinander. So hat er sie in eins verbunden. Dazu gute Gebäude, das Land ebener Plan und schwerer Boden, wovon in guten Jahren das 40. Korn fiel, in mittelmäßigen das 25. Und dabei 850 Dollars. Nimm mal bloß an! Heute kostet so eine Farm von 80 Acker mit allem, was dazu gehört, ihre 4.000 Dollars, und das wird dann noch geboten, das meint überboten.

Da wurde kein Schwarzbrot gegessen, nur Weizenbrot. Darüber hat sich unser ganzes Dorf gewundert. Die Leute haben gesagt: Das ist wie im gelobten Lande. Denn der Honig hat auch nicht gefehlt, oder es war was Ähnliches. Denn er hatte soviel Zuckerahörner, daß er die Bäume nicht zählte. Denen zapfte er den Saft ab. Den dickte er ein zu Zucker oder Sirup. Er hatte das Jahr 600 Pfund Zucker und 200 Kannen Sirup. Ein Stück Zucker hat er mitgeschickt. Das hat die Runde im Dorf gemacht. Ich hab es nicht mehr gesehen. Es war so bei kleinem aufgeleckt worden.

Auch aus Kürbis bereitete er Sirup. Er hatte den Herbst zehn Fuder nach Hause gefahren. Soviel Kürbis wuchs nicht im ganzen Grabower Amt. Auch waren viele Obstbäume mit der Stelle verbunden, dazu ein kleiner Wald von Eichen, Buchen, Zedern und solchen Bäumen, die er noch gar nicht kannte. Als er den Brief schrieb, hatten sie die Schweine noch nicht gefüttert. Die gingen Mitte Februar noch in die Mast. An Abgaben zahlte er das Jahr fünf Dollars. Die wurden ihm aus dem Haus geholt. Weiter war er niemand nichts schuldig, und kein Mensch hatte weiter einen roten Pfennig von ihm zu fordern. Der Präsident auch nicht. Bloß die Arbeitslöhne waren da auch schon teurer. Er wollte da einen Wagen haben. Das Holz gab er drein, zugeschnitten hatte er es auch. Aber der Stellmacher rechnete es für nichts, und der Wagen kostete 46 Dollars.

Sonst aber war das alles wie ein Lobgesang anzuhören. Und nur 850 Dollars. Nimm mal bloß an! Als unsre Leute im Dorf das hörten von dem Weizenbrot, Zucker und Sirup, von dem billigen Land und den kleinen Abgaben, da haben sie sich über die Maßen gewundert und gesagt: Wo kann das bloß angehen, daß es so ein Land auf der Welt gibt, und wir wußten nichts davon bis auf diesen Tag. Da haben sich etliche auf die Socken gemacht und sind hingereist. Zuerst sein Bruder mit Frau. Er hatte ihnen Freikarten geschickt. Und der alte Willführ hat sich auch auf die Socken gemacht. Er war schon 80 Jahr. Er hat gesagt: Ich will auch mal in meinem Leben Weizenstuten sattessen. Bloß, er ist unterwegs auf dem großen Wasser gestorben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer