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Aber was geschah? Das geschah, daß die Hühner nun wie verrückt legten. Immer ein Ei hinter dem andern her. Es war ein rechter Jammer und gar nicht mehr auszuhalten. Mir wurde ganz kakelig zumute. Mir sackten die Hände am Leibe dal. Wieschen auch. Sie schalt: Nu hebben wir uns richtig taum Ulenspeigel makt vör de ganze Gegend. Und wenn sie so sagt, dann ist das immer ein Zeichen, daß sie sich ärgern tut. – Noch lange nicht, Wieschen, sage ich: denn siehe, ich habe einen Plan. – Noch einen Plan? Wist du uns noch mehr Unglück int Hus bringen? – Wieschen, sage ich, es ist ein ganz ernstlicher Plan und nicht zu verachten. Nu hör mal zu und paß Achtung. Magst du noch Eier eten? – Ne! – Magst du noch Pannkauken eten? – Swieg mi still von Pannkauken! – Schön, denn sünd wi also wedder mal einig, un Einigkeit macht stark. Nu will ich die wat seggen. De Farkn sünd wi los. De Eier willen wi nun mal uns Kalwer geben, denn sind wie dei ok los. Denn hett alle Not ein Enn’, und du sast mal seihn, wo ehr dat bekümmt.

Jürnjakob, du büst nich bi Trost, un wenn du öfter so’ne Infäll kriegst, denn süst du doch mal wat dorgegen dauhn. Irst verfudderst du de Farken an de Häuhner. Nu wist du de Eier de Kalwer geben. Wist du denn nachher de Kalwer nich slachten und de Swien mit Kalwerbraten fett maken, dat sei düchtig farken dauhn? Mi dücht, denn is de Rundreis’ dörch de Wirtschaft richtig fardig. Odder willen wi dat nich versäuken un de Ossen mit Häuhnerbraden fett maken? Wat ‘ne Wirtschaft, wat ‘ne Wirtschaft!


Damit legte si sich in den Schaukelstuhl. Als sie das getan hatte, stand sie wieder auf und lief hinaus. Ich aber kuckte ihr nach und sprach zu mir: Was die Frau da eben von der Rundreise gesagt hat, das ist nicht ganz ohne. Das ist eine richtige Karussellfahrt durch die Viehwirtschaft und durch die ganze Naturgeschichte. Als ich das gedacht hatte, steckte ich so’n Dutzend frische Eier in die Taschen und ging zu den Kälbern. Oha, haben die aber gelickmünnt (Lickmünnen, eigentlich den Mund lecken, weiter = lüstern verlangen)! Als Wieschen das sah, da war sie nicht mehr zornig. Da holte sie sich gleich eine halbe Schürze voll Eier. Da hat sie mir geholfen. So haben wir die Kälber mit Eiern gefüttert, und sie lachten über das ganze Gesicht, und dem kleinen schwarzen Bullenkalb lachte das Herz im Leibe.

Lieber Freund, ich kann dir mitteilen, sie sind so glatt geworden wie Spickaal, und wenn wieder mal solche Ferkel- und Eierplage über das Land kommt, dann machen wir wieder eine Rundreise durch die Wirtschaft. Es ist aber besser, daß du diese Geschichte nicht im Dorf vorlesen tust. Sonst lacht uns das ganze Dorf aus vom ersten Häusler auf dem Lasen bis zum letzten Büdner am Schnellenberg.

In den ersten Jahren, als wir eine eigene Farm hatten, da waren die Eier billig. Wir waren froh, wenn wir für das Dutz acht Cents kriegten. In den Jahren war es, daß die Geschichte mit dem Regierungshahn geschah. Wir hatten rund rum noch viel Busch (Urwald) und im Busch viel kleines Raubzeug. Da gingen die Hühner über das Feld bis an den Busch. Aber sie kamen nicht alle zurück. Wir hatten noch wenig. Wir zählten sie noch. Ich sagte zu Wieschen: Das geht nicht. Da muß was geschehen. Wieschen sagt: ja, da muß was geschehen; aber was willst du machen? Ich sagte: Paß mal auf. Ich kaufe eine Bell, das meint eine kleine Glocke. Die hänge ich dem großen schwarzen Hahn um den Hals, denn er ist das Haupt. Dann nimmt das Raubzeug Reißaus, und die Hühner wissen gleich, wo ihr Herr ist und daß sie ausritzen müssen, wenn Not am Platze ist.

Sie sagt: Jürnjakob, du bist nicht klug. Was werden die Leute sagen? – Was die Leute sagen, darauf liegt keine Steuer; das ist mir auch gleich. – Aber der schwarze Hahn wird verrückt. – Abwarten, Wieschen! – Sie sagt noch dies und das, aber sie lacht sich dabei, und das ist immer ein gutes Zeichen an ihr.

So kriegte der Schwarze seine Glocke. Erst wurde mir auch bange. Er tobte wahrhaftig wie verrückt umher. Aber wo döller er tobte, wo döller er klingelte. Er hackte nach der Glocke, es half nichts. Er wälzte sich auf dem Rücken und stangelte mit den Beinen in der Luft rum; es half nichts. Es sah doll aus, und ich dachte: Na, wenn er sich man bloß nicht mit Selbstmord ums Leben bringt und ins Wasser geht. – Die Hühner kniffen auch erst aus, wenn er angebimmelt kam. Sie liefen in alle Ecken hinein und über das ganze Feld. Sie schlugen mit den Flügeln und schrien vor Furcht, wenn er mit der Bell am Halse angesaust kam.

Ich sage zu Wieschen: Von Treue und Liebe ist da auch nicht viel zu sehen bei dem Hühnervolk. Es ist man gut, daß es bei den Menschen anders ist. Je ßüh du! sagte sie; häng du dir mal so’ne Glocke um den Hals und lauf dann als Späuk hier rum, dann –. So, da hatte ich auch mein Teil. – Aber Gewohnheit ist das halbe Leben. Zuletzt gab sich das alles, und manchmal sah es schon aus, als trug der Schwarze seine Bell ordentlich mit Stolz über das Feld. Die Hühner gewöhnten sich wieder an, und das Mittel half gegen die Raubtiere.

In der Zeit war es, da kam einmal ein Tag, da fuhr hier eine Deutschrussin durch, die war auf dem Wege zu ihrem Sohn. Die hörte den Hahn läuten und sah ihn auch. Da hielt sie still und betrachtete sich den Hahn lange Zeit mit ihren Augen. Als sie das getan hatte, sprach sie: Was ist das für eine Sache, die ich hier mit meinen Augen sehe und mit meinen Ohren höre? Ich habe sechzig Jahre gelebt und bin von Rußland nach Amerika gekommen, aber so was habe ich noch nicht gesehen. Hat die Regierung das anbefohlen, daß die Hühner hierzulande eine Glocke tragen müssen?

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer