- 11 -

Es war ein alter Strohkaten, in dem wir wohnten. Er war niedrig im Dach, aber dafür der längste im Dorf. Darin gehörte uns eine Stube und eine Kammer. Wer lang aufgeschossen war, der tat gut, wenn er mit seinem Kopf den Balken aus dem Wege ging. Für einen hochmütigen Menschen war da schlecht wohnen. Wenn er aber in eins von den vielen Löchern im Fußboden trat, dann konnte er seinen Kopf hoch tragen. Dann ging das so eben. Der Fußboden war als Lehm auf dem Püttberg gewachsen. Man bloß, er brach immer aus. Aber sonntags streute die Mutter weißen Sand. Da sah er sehr schön nach Sonntag aus.

Mit den Kartoffeln war das ganz bequem eingerichtet. Die brauchten wir nicht weit aus dem Keller oder aus der Kammer zu holen. Sie lagen im Winter unter dem Bett in der Stube, daß sie nicht erfroren. Da unter dem Bett war auch noch Platz für einen gadlichen Pölk (Ein ziemlich herangewachsenes Schwein) oder wenigstens für ein hübsches Ferkel; das sollte uns morgens mit seinem Quieken wecken. So sparten wir die Uhr. Aber Vater starb zu früh, und so weckte es uns bloß in Gedanken. – Die Wände waren Klehmstaken, auf beiden Seiten mit Lehm überworfen, und der Lehm war mit Häcksel vermischt. So war er nicht so vergänglich; so hielt er sich besser. Im Frühjahr konnten wir den Flieder schon durch die Wand durch riechen, und im Sommer ging die Sonne hindurch, daß wir die Tür nicht mal aufzumachen brauchten. So bequem hatten wir das. Gab es nichts zu riechen im Winter, dann lehnten wir bloß ein paar Strohkloppen gegen die Wände, und der Schnee mußte draußen bleiben. Der Ofen war aus festem Backstein und auch mit Lehm vom Püttberg überworfen. Er hatte eine wunderschöne grüne Farbe. Du kannst alle Pötters in den Staaten fragen, und keiner tut das raten, woher die grüne Farbe kam, und der Präsident weiß es auch nicht. Das war ein Geheimnis meines Vaters. Denn siehe, er hatte den Lehm mit Kuhdung vermischt; darum sah der Ofen so schön grün aus.


Bettstellen, Koffer, Tisch und Brettstühle, das hatten wir alles ganz umsonst, denn Vater hatte es selbst gemacht. Der Koffer hatte links ordentlich eine Beilade, wie das so Mode war, und unten in der Beilade lag der Geldstrumpf, wie das auch so Mode war. Meist aber war nur der Strumpf da, und so konnten wir ruhig schlafen. An der Wand hing ein kleiner Spiegel; der Belag war hinten an vielen Stellen schon abgescheuert; aber wir konnten uns doch noch ganz nett in dem Spiegel besehen, wenn wir Lust dazu hatten. Dann hing da noch ein Christus am Kreuz und die heilige Genoveva. Glas und Rahmen hatten sie nicht. So waren sie an die Wand genagelt und konnten nicht runterfallen. Die haben sich da gehalten, so lange ich denken kann.

Wenn Holztage waren, dann schoben Mutter und wir mit der Karre nach den Tannen hinter dem Roden Söcken und holten trockenes Holz. Das war eine Stunde hin und eine Stunde zurück und machte uns viel Spaß. Manchmal gab es in den Tannen auch einen Katteiker (Eichhörnchen) zu sehen. Aber Mutter mußte schieben, bis wir so weit rangewachsen waren, und sie mußte die Karre oft niedersetzen und sich verpusten. Vater verdiente vier Schilling im Tagelohn, aber es gab nur in der Aust und beim Dreschen was zu verdienen, und das Dreschen ging schon morgens drei Uhr los. Für uns Jungs war das Dreschen ein Fest, denn wir konnten nachmittags manchmal hingehen zum Bauern und uns auf den Strohkloppen wöltern (wälzen), und manchmal gab die Frau uns noch ein Butterbrot dazu. Siehe, so waren wir glücklich.

Das dauerte, bis der Vater starb. Er war nicht fest in der Lunge. Er hatte sich in der Aust erkältet. Er kriegte es mit der Lungenentzündung. Am letzten Tag sagte er zu Mutter: Es paßt schlecht, denn die Aust ist noch nicht zu Ende; aber meine Zeit ist um. Busacker will dir ein paar Bretter schenken, das hat er mir versprochen. Der alte Köhn will den Sarg umsonst machen; das hat er mir auch versprochen. Und der Lehrer will mit den Kindern „Christus, der ist mein Leben“ singen, das hat er mir auch versprochen. Dann hat er die Hände gefolgt. Als Köhns Vater den Sarg zunagelte, da hab ich die Nägel gehalten und kam mir sehr wichtig dabei vor, denn wir waren alle noch klein. Aber Mutter hatte nachher oft rote Augen.

So, mein Junge, nun weißt du, woher du kommst. Und wohin du gehst, das brauch ich dir nicht zu sagen. Bis dahin aber ist die Hauptsache, daß du ein tüchtiger Kerl wirst, der seine Sache versteht. Wenn du hier so weit bist, dann reist du rüber nach Deutschland, wo sie gute Ärzte haben. Da studierst du noch ein Jahr lang und kommst dann wieder zurück. Unterwegs aber kehrst du ein in unserm Dorf und siehst dich um nach dem alten Katen, und es kann nicht schaden, wenn du ihn dir aufmerksam in deinen Kopf und in dein Herz nimmst. Und für mich nimmst du ihn ab mit einem guten Abnehmerdings, wenn er da nicht von umfällt. Das Bild soll einen guten Platz in meiner Stube haben. Aber es muß ein gutes Bild werden, und das Abnehmen will auch gelernt sein, sonst wird das Bild nichts nütz. So kaufst du dir in den nächsten Tagen ein gutes Abnehmerdings und tust dir vorweg damit üben. Das alte Ding taugt nichts. Da kriegen die Leute bloß einen Schrecken von, wenn sie uns auf den Bildern sehen. Von dem letzten Bild, was du von mir und Mutter abgenommen hast, davon muß ich auch sagen: das ist gegen das vierte Gebot. Aber das andre, den Goldbehang und Kläterkram, das schlägst du dir aus dem Sinn. In unsrer Familie haben wir so was nicht nötig.

Da hat er mich mit blanken Augen angesehen und nichts dazu gesagt. Aber die Hand hat er mir gedrückt. Dann sind wir nach Hause gegangen. Er hat nachher sein Jahr in Deutschland studiert und ist ja auch drei Tage bei dir gewesen und acht Tage im Dorf. Das Bild hat er mir auch mitgebracht, und es ist eine Freude für meine alten Tage. Und dein Bild auch, wie du in der Schulstube stehst. Und ein Bild von dem Storch auf Brünings Haus. Nimm mal bloß an, er hatte noch keinen Storch gesehen, denn hier herum gibt es keine. Kannst du dir das denken?

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer