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Der alte Jauert aber hat die Leute gewarnt und gesagt: Was tu ich mit dem Weizenbrot, wenn ich mir da nicht ordentlich Butter aufstreichen kann? Der Mann hat eine große Wirtschaft und bloß zwei Kühe. Das paßt nicht zusammen, wo bei uns doch jeder Bauer im Herbst eine Kuh einschlachtet. Ne, ich will lieber bei meinem Schwarzbrot bleiben und mir da dick Butter aufstreichen. Da steckt mehr Murr dahinter. Und mit dem ollen Schmer von Sirup will ich mir den Magen erst recht nicht verkleistern. Daß die Schweine noch im Februar draußen rumlaufen, das ist auch gegen Gottes Weltordnung. Was ein rechtschaffenes Schwein werden soll, das gehört vom Herbst ab in den Stall und kriegt Schrot. Dabei setzt es auch dägten Speck an. Aber draußen rumlaufen, das gibt lauter matschigen (weichlichen) Speck und Funzelkram. Das ist mir nicht säuberlich genug in meinem Magen. Arbeiten kann ich hier auch. Ich bleibe, wo ich bin. – So hat er gesagt und hat damit viele bekehrt, denn sie sind in sich gegangen und haben ihm recht gegeben und sind im Lande geblieben. Die große Auswanderung kam ja erst später. Da bin ich auch mitgegangen, und es ist mir nicht leid geworden. Aber eine Farm mit voller Wirtschaft war da schon viel teurer. Achtzig Acker und nur 850 Dollars. Nimm mal bloß an!

Wieschen sagt: Du schreibst bloß von der Wirtschaft, du solltest auch mal von unsern Kindern schreiben. Ich sage: Wieschen, wenn ich von der Wirtschaft schreibe, so hat das seinen Grund. Wenn du aber sagst, daß ich von den Kindern schreiben soll, so hat das auch seinen Grund, denn wir haben eine gute Familie gereest, das meint aufgezogen. So will ich dir davon erzählen und will es gern tun.

Was mein Ältester ist, der hat in Iowa City studiert. Er will Doktor werden. Ein richtiger Menschendoktor will er werden. Wieschen wollte da erst nicht recht ran. Sie wollte lieber, er sollte Pastor werden. Das hat eine Mutter gern, wenn sie ihren Jungen auf der Kanzel sieht. Er hatte aber keine Lust zu priestern. So kriegte er seinen Willen. Es hat plenty Geld gekostet, aber er ist gut vorwärts gekommen. Er hat einen hellen Kopf und einen festen Willen zu arbeiten. Auf seiner Studierstube war es Mode, daß sie sich die Menschen von inwendig besahen. Ich sagte: Woso macht ihr das? Ihr könnt ihnen doch kein Loch durch den Bauch kucken. – Nein, wir schneiden sie auf. – Ist das, damit sie besser Luft holen können? – Nein, das tun wir, damit wir nachher Bescheid wissen, woans die Menschen inwendig getrachtet (geartet) sind. – Da hat er mir das richtig klargemacht, warum das gut ist für die andern Menschen, die heute gesund sind und morgen krank. Na, das muß wohl so sein, aber ich hab ihm gesagt: Macht auf eurer Schule, was ihr wollt. Aber mir bleibst du raus aus meinem Bauch, wenn ich mal krank werde. Da hast du nichts zu kucken. Das mußt du mir versprechen. Er wollte erst nicht recht ran. Er sprach: Es kann doch sein, Vater, daß du mal inwendig krank wirst und daß der Doktor dich nur durch eine Operatschon retten kann. Ich sprach: Das steht beim lieben Gott, mein Jung. Aber dann sollst du nicht der Doktor sein. Dann mußt du einen andern holen, auf den Verlaß ist. Es paßt mir nicht zu denken, daß du mal in meinem inwendigen Menschen herumfingerierst, wo ich doch der Vater über dich bin. Na, da hat er es mir auch versprochen.


Ich muß noch etliche Wörter von ihm machen, wo er doch mein Ältester ist und ich diese Wochen viel Zeit habe. Im letzten Winter auf dem College kam eine Zeit, daß er nach weltlichen Dingen trachtete. Er mußte mit einmal eine goldne Uhr haben, einen goldnen Ring mit Edelstein, eine goldne Nadel und all so’n Zeug. Das war nicht schlimm; aber der Sinn, der hinter dem Bammelkram steckte, der gefiel mir nicht. Der paßte nicht zur Familie. So nahm ich ihn mal mit raus aufs Feld, so ein paar Meilen weit, und da hab ich ihn so’n bißchen zurechtgestukt, und es hat geholfen. Wie ich das gemacht habe?

Ich hab zu ihm gesagt: Mir ist in der letzten Zeit mein altes Dorf und unser Haus oft durch den Sinn gegangen, wo ich nun doch auch alt werde. So will ich dir das mal richtig erzählen, daß du dir das ausmalen und mit Augen sehen kannst. Denn es ist immer gut für den Menschen, wenn er weiß, woher er kommt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer