Ein langer Monat.

In New York zeigten sie mir das Auswanderungshaus. Ich ging ins Arbeitszimmer und schmiß meinen Sack unter die Bank. Es dauerte nicht lange, so kam ein Franzose. Er konnte deutsch. Er kuckte uns alle der Reihe nach an. Als er mit seinen Augen bei mir angekommen war, fragte er, ob ich ein Mond bei ihm arbeiten wollte. – Wieviel zahlst du das Mond? – Zwölf Dollars. – Ja, dann geh ich mit, wenn du am Weg nach Chicago wohnst. Da will ich nachher hin, wenn die andern aus meiner Gegend kommen. – Ja, sagte er, da wohne ich. Aber er wohnte über hundert Meilen Nord, und ich wußte mit den amerikanischen Himmelsrichtungen noch keinen Bescheid. Abends ging es zu Schiff den Nord River hundert Meilen hinauf. Ich fragte: Warum mietest du dir keinen Knecht aus deinem Dorf? – Wir haben hier keine Dörfer; hier wohnt jeder für sich auf seiner Farm. – Also wie die Büdner auf Hornkaten, sage ich. Da hat er sich gelacht. Das hat der Mensch nicht gern, wenn man über ihn lacht; noch dazu, wenn es der neue Dienstherr ist.

Als es Bettgehenszeit war, fragte er: Hast du Geld, daß du ins Schlafzimmer gehen kannst? – Nein. – So ging er allein, und ich stieg mit meinem Sack hinunter zu den Feuerleuten, weil daß es auf dem Wasser kalt wurde. Sie sagten was; ich rührte mich nicht. Sie sagten nochmal was und zeigten nach oben. Ich rührte mich nicht. So ließen sie mich die Nacht durch in der Ecke sitzen, und ich hab auch geschlafen. Das waren freundliche Menschen. Ja well.


Endlich waren wir in Hudson. Da kam ein sehr schöner Wagen. Darin saß ein Herr, der hatte sich sehr hübsch angezogen. Ich nahm meine Mütze ab und sagte: Das ist wohl der Großherzog von Amerika. Nein, sagte mein Franzose, wir haben hier keinen Großherzog. Da setzte ich meine Mütze wieder auf und dachte: Wo kann das Land leben ohne Großherzog? – Dann fuhren wir achtzehn Meilen auf der Eisenbahn. Das kostet 53 Cents. Da kriegte meine erste Million ein großes Loch. Wie aber gewöhnlich ein Ereignis nach dem andern kommt, so auch hier. In der Stadt wartete seine Tochter schon mit Pferd und Wagen. Sie war ein glattes, schieres Mädchen, aber das Pferd war lange nicht gestriegelt und der Wagen schlecht gebaut. Sie fuhren nach Haus, mein Sack fuhr mit, und ich wackelte hinterher. So ein Sack hat es manchmal besser als sein Herr.

Dann bekam ich endlich was zu essen. Ich glaube, der Riese Goliath hat nicht mehr Speck und Brot und Pellkartoffeln und Stipp essen können, als ich tat. Zuletzt wurde ich doch satt, und als ich das Messer weglegte, da dachte ich: Oh, nun sieht Amerika schon anders aus. Mein Franzose sagte: Ich sehe an deinem Beten, daß du kein Katholik bist. – Nein, ich bin lutherisch. – Ja, wir haben den Rahm und ihr die saure Milch. – Ja, sagte ich, und dann kommt die schwarze Katze und frißt den Rahm. Da machte er große Augen.

Es war ein Tag, da fragte er: Was hast du für Bücher in deinem Sack? Oh, sagte ich, einen ganzen Posten: Bibel, Gesangbuch, Katechismus und Starks Gebetbuch. Damit kommt man schon ein ganz Ende durch die Welt. Im Starkenbuch hat er öfter gelesen, und wenn er es zuklappte, sagte er: Das ist ein gutes Buch.

Am andern Tag sollte ich melken und konnte nicht, weil das bei uns Dirnsarbeit ist. Die Kuh merkte auch bald, daß ich nichts davon verstand. Sie sah mich mit Verachtung an und schlug mir den Schwanz um die Ohren. Als das geschehen war, schlug sie hinten auch noch aus, und ich und mein Eimer, wir flogen in den Dreck. So melkte er die Kuh. Das ging ihm läufig von der Hand. – Dann sollte ich die beiden Ochsen aufjochen und pflügen. Ich ging auf die Weide, sie zu holen. Als die Ochsen mich sahen, nahmen sie Kopf und Schwanz hoch und kniffen aus. Ich lief hinterher; da nahmen sie noch mehr Reißaus. Ich dachte: Amerika ist heil und deil verrückt. Hier haben die Ochsen es auch schon mit den Nerven zu tun. Nun jochte er sie auf. Kriegen die Ochsen keine Leine? fragte ich. Nein, sagte er, die werden mit Wörtern und Peitsche regiert. Ich dachte: Diese Welt steht auch nicht mehr lange. Und das will die neue Welt sein? Wenn Kolumbus sich man nicht geirrt hat. – Die Ochsen zogen den Pflug an einer Kette. Das kannte ich. Er pflügte das erstemal rum. Ich tüffelte nebenher. Er sagte mir die Wörter, die ich zu den Ochsen sprechen sollte. Denn siehe, seine Ochsen verstanden kein Deutsch. So was von Wörtern hab ich in meinem Leben nicht gehört.

Dann fuhr er mit seiner Tochter nach der Stadt, und nun hatte ich das Reich und mußte pflügen. Das ging ziemlich mittelmäßig, denn das Land war voll Stubben. Das zweitemal rum hatte ich alle Wörter vergessen und sprach plattdeutsch mit den Ochsen. Aber als ich Hüh! sagte, da standen sie still und spitzten die Ohren, und als ich Hott! sagte, standen sie noch stiller. Als ich aber Kemm! und Tudi! sagte, da nahmen sie Reißaus. Ich hielt die Pflug. Sie liefen kreuz und quer nach allen Richtungen; ich hielt die Pflug. Sie liefen immer döller; ich hielt die Pflug. Sie liefen in den Busch; ich hielt die Pflug. Als wir im Busch steckten, sah ich mich nach allen vier Winden um und sprach: O du mein liebes Vaterland, wo geht das deinen Kindern hier! Und das soll Amerika sein? Das ist den Deubel Amerika! Das ist noch schlimmer als bei den Türken oder in Konstantinopel. – Als ich das gesagt hatte, prügelte ich sie wieder raus aus dem Busch. Aber gründlich. Als das besorgt war, ging es besser. Aber das Stück Land sah bös aus, und es war man gut, daß da keiner aus unserm Dorf grade vorbeikam. Sonst hätte kein Bauer mich mehr als Knecht genommen und Hannjürn Timmermann erst recht nicht.

Auf einen andern Tag mußte ich Holz hauen, hartes natürlich. Mein Franzose sagte: Ein Amerikaner haut zwei Faden den Tag und setzt es auch auf. Wenn du einen Faden machst, bin ich zufrieden. Aber es ist mir sauer geworden. – Er hatte auch Buchweizen; der wurde mit Haken gemäht. Ich hatte schon von Haken gehört, aber noch keinen gesehen, noch weniger damit gemäht. Mit der Sense wollte ich schon fertig werden; da sollte mir keiner über sein. So ging es los. Ich mit der Sense voran. Die beiden baumlangen Amerikaner hauten zweimal zu, da waren sie mir auf den Hacken. Sie standen und lachten. Ich mähte und schwitzte. Ich mähte aus Leibeskräften. Sie hauten wieder zweimal zu. Da war ich gefangen. Da mähten sie im Bogen um mich rum. Ich haperte hinterher. Dies Land mag der Kuckuck holen! dachte ich und besah die Quesen (Schwielen) an meinen Händen. Man bloß, es gibt hier keinen Kuckuck. Aber die Sensen hier im Land haben auch schuld. Sie sind gegossen und lassen sich nicht mit dem Hammer haaren (schärfen). Dann brechen sie aus. So werden sie auf dem Schleifstein geschliffen. Sie kosten bloß drei Mark deutsches Geld, sind aber auch danach. Eine gut geschmiedete Sense aus Deutschland kostet hier sieben bis acht Mark und ist schwer zu haben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer