Auf eigener Farm.

Ein halbes Jahr zurück, da hast du gefragt, ob der Jürnjakob hier auch Heimweh gekriegt hat. Ne, nie nicht. Bloß mal als Junge Masern. Ich weiß nicht genau, woans das Heimweh sich regieren tut. Aber ich glaube nicht, daß es noch kommt. Nur welche von den Alten, die können das hier nicht so recht anwenden. Das ist, weil sie so spät rübergekommen sind oder sonst kein Murr (Kraft) in den Knochen haben. Tagsüber, bei der Arbeit, geht es noch. Aber abends in der Stube oder, wenn’s Wetter ist, vor der Tür, dann fühlen sie nicht gut. Dann sacken sie zusammen und lassen den Kopf hängen. Dann folgen sie die Hände zwischen den Knien und sinnieren über ihr Dorf und sind kreuzunglücklich. Die lassen sich man schlecht aufmuntern. Alles zu seiner Zeit, sagte Salomo und zählt einen ganzen Posten auf, auch Steine sammeln und Steine zerstreuen. Aber das Auswandern nach Amerika hat er vergessen. Das war damals wohl noch keine Mode.
Für die Alten ist das hier nichts mehr, und für die Weichen erst recht nicht. Für die ist die amerikanische Luft zu scharf. Hier muß einer Eisen im Blut haben. Hier darf er seine Harfe nicht an die Trauerweiden hängen, wenn er eine hat. Hier ist es nicht so gemütlich als wie zu Hause. Hier hat keiner recht Zeit. Selbst der Rauch, wenn er aus dem Schornstein kommt, dann hat er hier nicht soviel Zeit als bei euch im Dorf. Da kroch er langsam aus der Tür oder durch die Wände, wo gerade Platz war, und dann kuckte er sich erst mal gemütlich um, und wenn das besorgt war, dann sagte er: Na, denn kannst du ja erst mal so’n bißchen die Dorfstraße entlang schmöken. Aber hier geht er auf und davon und kuckt sich nicht mal um.

Nein, ich bin hier zu Hause. Hier ist ja auch meist alles plattdeutsch und aus Mecklenburg. Und dann bin ich in jungen Jahren rübergekommen. Ich habe hier geheiratet. Ich habe hier eine gute Familie gereest (engl. raisd = aufgezogen). Ich habe hier gebaut. Ich habe hier gesät und geerntet. Ich habe hier viel Schweiß auf dem Acker liegen, und der Schweiß tut hier sein Ding gerade so gut als drüben. – Ne, dat deiht hei nich. Bi mi hett hei en ganz Deil mihr dahn, als hei tau Hus dahn hadd. Im Dorf wär ich bei aller Arbeit doch man Tagelöhner geblieben und, wenn’s hoch kam, Häusler, und meine Kinder wären wieder Tagelöhner geworden. Wir haben hier auch scharf ranmüssen, viel schärfer als in old Country. Das muß wahr sein. Aber dafür hab ich auch mehr vor mich gebracht. Das muß auch wahr sein. Hier hab ich mich frei gemacht. Hier stehe ich mit meinen Füßen auf meinem eigenen Boden und taglöhnere nicht beim Bauern. Das Freisein ist schon ein paar Eimer Schweiß wert.


Mein Vater kriegte vier Schilling im Taglohn, bloß in der Aust (Ernte) mehr. Dort ging der Wind durch alle Katenwände. Hier hab ich mir ein schönes Haus gebaut mit acht Stuben und was dazu gehört. Dort hatten wir im ganzen vier Fensterscheiben, und eine ist entzwei gewesen, so lang ich denken kann. Hier haben wir viele feste Wände und große Fenster. Die sind alle neu. Die arbeiten mit Gewichtern. Die Scheiben sind 24 mal 26 Zoll und an der Südseite ein großes, 3 mal 5 Fuß, ein Glas, und um die große herum sind kleine mit bunten Farben. Die Verkleidungen an Türen und Fenstern hab ich selbst gemacht, weil daß der Zimmerer sechzig Dollars haben wollte und mir das zu steif war. Eine große Veranda ist auch gleich dabei. Die haben wir hier meist alle.
Unser Haus haben wir gründlich um- und durchgebaut. Dabei konnte ich gerade so viel arbeiten, wie ich mochte. Als es fertig war, ließ ich es mit buntem Papier ausbacken (auskleben). Das kostete dreißig Dollars, die Arbeit zwanzig. Binnen und buten fertig kostete das Haus im Umbau rund 1500 Dollars, ohne meine Arbeit gerechnet. Ein paar Narben zur Erinnerung gab es für mich extra, weil ich mit dem Hammer am Haus vorbeiklopfte und den Daumen traf, daß das Blut raussprang. Da sagte Wieschen: So, dat hest du nu dorvon. Dacht heff ick mi dat all lang. Ja, so sind die Weiber. Aber dann ist sie doch hingegangen und hat mich verbunden, und am anderen Tag konnte ich weiterhämmern.

Nein, mit dem alten Strohkaten zu Hause will ich nicht mehr tauschen. Da gehörte mir kein Kuhschwanz. Bloß einmal, ich war so bei acht Jahr rum, da hat Düfferts Mutter mir einen Farkenstert geschenkt. Man bloß, das Ferkel war da schon abgeschnitten, und aus einem Schweineschwanz läßt sich kein seidenes Halstuch machen. Na, das kann man auch bleiben lassen. Das hat man ja auch nicht nötig.

Jetzt hab ich zehn Pferde, achtzig Kühe, ein paar Ochsen, dazu hundertzwanzig Schweine. Schweine waren es früher weniger. Aber in den letzten Jahren ist das Korn gut geraten. So haben wir mehr. Hühner mögen es bei sechshundert sein oder auch mehr. Die werden hier nicht gezählt.

Aber vom Vieh will ich dir diesen Winter durch erzählen. Denn was ein richtiger Farmer ist, der macht es wie ein richtiger Bauer bei euch. Er erzählt erstens vom Vieh und zweitens vom Vieh, und drittens holt er nach, was vom Vieh übrig geblieben ist. Erst kommen die Schweine.

Die haben hier auch einen ringeligten Schwanz und sagen auch öcke, öcke. Aber sonst ist das hier alles anders. In einer Bucht oder einem engen Stall kann man keine Schweine aufziehen. Wir haben das erst auch so gemacht, denn wir dachten: das muß so sein, weil es zu Hause so war. Aber dies Land hat andre Gebräuche bei den Schweinen. So haben wir umgelernt. Die Schweine müssen sich bewegen und viel Sonne haben. Das Schwein liebt das Licht, darin schlachtet es nach dem Menschen. Darum sind sie hier auch immer gesund, und wenn wir in euren Zeitungen lesen, daß die amerikanischen Schweine Trichinen haben, so ist das in unsern Ohren zum Lachen. Denn siehe, in euren Zeitungen lesen wir oft, daß Hof und Markt da und da gesperrt sind von wegen Rotlauf unter den Schweinen.

Auf 320 Acker kann ich genug Futter bauen für meine Kühe, denn das Land ist danach. Dabei hab ich auch genug Weide für die Schweine, beinahe vierzig Acker. Sie können vom Hof aus gleich reingehen. Alle acht Fuß ein Pfosten, unten zwei Brett von sechs Zoll, oben drei Stacheldraht. Das macht eine gute Fenz, das meint Zaun. Wir rechnen für das Schwein drei bis vier Mond auf der Weide. So gewinnt es in der Zeit bei hundert Pfund, und zehn Schweine auf einen Acker, das macht vierzig Dollars auf den Acker. Bloß, daß sie sind billiger als bei euch. Sie kosten jetzt vier Dollars das hundert Pfund. Aber hundert Schweine das Jahr macht doch was. Wenn man Korn pflanzt und kriegt fünfzig Bushel per Acker und zwanzig Cents den Bushel, das ist ein Unterschied; den fühlt der Geldbeutel. Da sagt der Geldbeutel: Dies Land ist mir lieb.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer