Friedländer, Michael (1769-1824) Doktor der Arzneikunde.

Er ward 1769 geboren, der älteste Sohn des Warenhändlers Meier Friedländer zu Königsberg und der Enkel des Joachim Moses Friedländer, eines ausgezeichneten Mannes, der Kaufmann und Bankier, mit Recht als Zierde seiner Religions- und Zunftgenossen galt. – Unser Michael erhielt in seinem väterlichen Hause eine liberale Erziehung unter Leitung des Isaak Euchel, bekannt als Gelehrter und Mitherausgeber des ersten hebräischen Journals Hameasseph *), wozu der wissbegierige Schüler die erste Veranlassung gab, und wahrscheinlich auch Beiträge geliefert hat.

Neigung und Talent führten ihn den Wissenschaften zu. Nachdem er sich in seiner Vaterstadt unter Kant, Krause, Hager, Schulze und andern Männern vorbereitet hatte, ging er 1787 nach Berlin, Göttingen und Halle und widmete sich der Arzneiwissenschaft mit einem unermüdlichen Fleiß. In letzterer Universität erhielt er 1791 die Doktorwürde. Auf einer dann angetretenen 3jährigen Reise besuchte er Holland, England und Schottland (wo er viele Monate in Edinburg blieb), Deutschland, Italien und die Schweiz; die Spitäler waren vorzügliche Gegenstände seines Studiums.


*) oder „der Sammler.“ Diese Zeitschrift enthielt rein hebräische und deutsche Aufsätze, mit besonderer Hinsicht auf die israelitischen Genossen. In jener Epoche machte sie Aufsehen und erhielt Anerkennung. Der berühmte Eichhorn erwähnt ihrer in seinen, der morgenländischen Literatur gewidmeten Journalen mit entschiedenem Beifall, und ermunterte zu ihrer Fortsetzung. – Außer J. Euchel waren die Professoren Joel Löwe und A. Wolfsohn in Breslau Mitherausgeber. Beide sind als Gelehrte, praktische Schulmänner und als Übersetzer rümlichst bekannt; Ersterer zeichnete sich noch besonders als gründlicher deutscher Sprachlehrer aus. „Der Sammler“ erschien zuerst in Königsberg 1784, und nach einiger Jahre Unterbrechung in Breslau, wo das Journal 7 Bände stark, 1797 seine Endschaft erreichte.

Auf diesen Reisen knüpfte er gelehrte Verbindungen mit Männern seines Faches an, und teilte in mehreren Journalen die gesammelten wissenschaftlichen Nachrichten mit. Auch die andern Fächer der Wissenschaften, die nicht in unmittelbarer Verbindung mit seinem Berufe standen, blieben von feinen Studien nicht ausgeschlossen; ja selbst den bildenden Künsten huldigte er in seinen Mußestunden. Im Jahre 1799 war er einer der Ersten, welcher nach Berlin den Schutzpocken-Impfstoff verpflanzte.

Die Unruhen in Deutschland nahmen überhand; die Umwälzungen unterbrachen alle Verbindungen mit Frankreich, und dieses befestigte in ihm einen schon früher gefassten Vorsatz (1800), sich in Paris häuslich niederzulassen; denn nicht allein war er da als Mensch und Gelehrter liebevoll aufgenommen worden, sondern das Vertrauen zum Arzt steigerte sich mit jedem Tage, dass er als solcher, selbst in den vornehmsten Häusern, wohltätig wirken konnte. So war er, um Mehrerer nicht zu erwähnen, der Arzt der berühmten Frau von Staël in ihren letzten Lebensjahren. Dazu kam, dass ihm, seiner Religion, wegen, jede Aussicht zu einer öffentlichen Stelle in seinem Vaterlande versperrt war. Indessen gab er als Schriftsteller seine Verbindung mit Deutschland nicht auf, wie das Journal beweist, das er gemeinschaftlich mit dem Professor Pfaff unter dem Titel: Französische Annalen für die allgemeine Naturgeschichte, Physik, Chemie etc. (Hamburg und Leipzig 1803) veranstaltete. Deutsche und Franzosen wurden durch dasselbe gegenseitig auf ihre ihnen eigentümlichen Schätze aufmerksamer, und die Berichte über öffentliche Erziehung, Pariser Armenanstalten usw. trugen gedeihliche Früchte. – Hufelands und andere medizinische Journale versah er mit wichtigen Nachrichten; so wie die französischen Zeitschriften durch ihn mit den vorzüglichsten Männern und Werken Deutschlands bekannt wurden. Er lieferte Beiträge zu dem Journal de l'Education par Guizot, zu dem Dictionnaire des sciences médicales, wo besonders die Artikel Mortalité, Ivresse, Statistique médicale, von ihm mit vorzüglicher Sorgfalt ausgearbeitet find, und war Mitarbeiter an der Biographie universelle und der Révue encyclopédique. Endlich gab er 1815 ein selbstständiges Werk, unter dem Titel: de l'Education physique de l'homme (Paris) heraus, das in Deutschland an F. E. Oehler einen fachkundigen Übersetzer gefunden hat. (Leipzig 1819). Die Welt hatte von diesem unermüdlich fleißigen Manne mehrere Schriften zu erwarten, an deren Ausführung ihn ein schneller unerwarteter Tod verhinderte. Die ehrenvolle Aufnahme in mehrere französische und deutsche gelehrte Gesellschaften, gibt hinlängliche Beweise, dass seine Verdienste im In- und Ausland gerechte Anerkennung fanden. Auch das königlich preußische Ministerium der geistlichen Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten beehrte ihn mit gelehrten Aufträgen, und gab ihm eine Zufriedenheit mit ihrer Ausführung wohlwollend zu erkennen.

Seinen gelehrten Eigenschaften entsprachen eine moralischen im hohen Grade. Alle unterrichteten Männer feines Vaterlandes fanden bei ihm die freundschaftlichste und uneigennützigste Aufnahme, Nachweisung und Unterstützung, die sie bei ihrer Zurückkunft von Reisen nicht genug preisen konnten, so ausgezeichnet war eine liebevolle Dienstfertigkeit.

Er lag nur zwei Tage krank, und seine Freunde vernahmen seinen Tod, ehe sie etwas von seiner Krankheit erfahren hatten. Auf des humanen Bankiers Delessarts Ansuchen hatte er in der letzten Zeit eine Schrift über die deutschen Armenverpflegungs-Anstalten und Gefängnisse, nebst einer Literatur derselben aufgesetzt; sie ist zwar bei weitem nicht vollständig; dies konnte auch von einem in Paris lebenden Gelehrten nicht gefordert werden.
Er starb 1824 im April an einem Halsübel, und ward auf dem Friedhof der Israeliten zu Paris, nach seiner schriftlich hinterlassenen Verordnung, begraben, die als nicht unmerkwürdig hier wörtlich angeführt zu werden verdient. Man sollte, heißt es darin, bei seinem Leichnam die Phyläcterien, die Gebetsdecke und andere dergleichen Stücke legen, pour servir à mes co-réligionnaires comme Symbole de la religion, dans laquelle la providence m'a fait nâitre, et qui m'a paru être aussi favorable, que toute autre, au perfectionnement moral et des plus favorables à la liberté de la pensée.