Frankl-Hochwart, Ludwig August Ritter von (1810-1894)

Wer die Geschichte der Stadt Wien auch nur einiger Maßen kennt, der weiß, dass die Leopoldstadt früher „Judenstadt“ geheißen, weil sie der Wohnsitz der in Wien lebenden Juden gewesen. Doch nicht Jedem wird bekannt sein, dass die Häuser Nr. 28, 29, 38, 39, 48, 50 vor dem Jahre 1670 einer jüdischen Familie angehörten, die den Namen Frankl geführt, und noch weniger, dass unter dieser Familie, die Ahnen unseres gefeierten Dichters gewesen. Diese Familie gehörte zu den wohlhabenderen der damaligen Wiener Judengemeinde, und sie zeichnete sich noch außerdem durch frommen Sinn und Eifer für ihren Glauben aus, Eigenschaften, welche sie, wie unser Dichter in einem Beitrage zur Geschichte Wiens: „Der alte Judenfreythof“ berichtet, in einer verhängnisvollen Stunde auf eine schöne Weise an den Tag legte. Im Jahre 1671 nämlich, wo sämtliche Juden aus der Stadt Wien vertrieben wurden, kaufte die Familie Frankl den jüdischen Leichenhof in der Roßau von dem Magistrate, und zwar um 4.000 Silbergulden, damit er, wie es die Pietät jüdischer Glaubensgenossen will, unangetastet verbleibe für ewige Zeiten, auf dass die Ruhe ihrer hingegeschiedenen Eltern und Freunde nicht gestört werde. Der Leichenhof besteht heute noch, und der große Kaiser Joseph, der aus Sanitätsrücksichten allen Leichenhöfen außerhalb der Linie ihren Platz anwies, achtete den zwischen der Familie Frankl und dem Wiener Magistrate bestehenden Vertrag.

Diese Familie zog damals nach Fürth, wo sie friedlich lebte, bis sie durch Verhältnisse bestimmt, nach Böhmen übersiedelte, wo unser Dichter in Chrast, einem Markt des Chrudimerkreises, am 3. Februar 1810 geboren wurde. Sein Vater Leopold war k. k. Tabak - Distriksverleger und war der Sohn von der Schwester des k. k. n. ö. Regierungsrates Israel Hönig Edlen von Hönigsberg, welcher der erste Jude in Österreich, seiner Verdienste wegen um das Tabakregale, den erbländischen Adel erhielt. Er heiratete die Tochter einer würdigen in Mähren ansässigen Familie, Theresia Hermann. Dies die Eltern unseres Dichters; sie verwendeten die ihnen zu Gebote stehenden Mittel auf die Erziehung ihres erstgeborenen Sohnes. Während ein Hauslehrer ihn Bibel und die Propheten in der Ursprache verstehen lehrte, leitete in der öffentlichen Schule, in welcher die Pikardisten früher ihre Zusammenkünfte hielten, ein tüchtiger Schulmann und Schriftsteller, Filczik, seinen Unterricht in der böhmischen Sprache und in Musik, in letzterer jedoch ohne allen Erfolg.


Chrast ist die Sommerresidenz des Bischofs von Königgrätz, damals ein Graf Aolois Kolowrat Krakowski, der einen förmlichen geistlichen Hofstaat zu unterhalten pflegte; während sein jugendlicher Neffe, ein Enkel des bewährten Feldmarschalls Grafen Hadik, und dessen schöne Gattin, einen glänzenden Kreis von weltlichen Gästen um sich versammelten, und in mannigfacher geselliger Berührung mit dem Vater des Dichters standen, der sich in der Jugend in Wien seine Bildung erworben hatte, und in dem kleinen Städtchen zu den Wenigen zählte, der in einem höher gebildeten Kreise sich zu bewegen verstand. So sah und lernte der Knabe seine Weltsitte, die ihm in seinem späteren Lebensgange sehr zu Statten kam, neben frommer, streng jüdischer Lebensweise seines elterlichen Hauses, während die Kunden des Morgenlandes, die bilderreiche Sprache der Propheten frühzeitig seine lebhafte Phantasie weckten und nährten. Ein katholischer Priester übernahm seinen Vorunterricht in der deutschen Sprache, in welcher er sich in Lettomischl, wohin er als zehnjähriger Knabe der Schulen wegen geschickt wurde, im Piaristenkollegium vervollkommte. Nach einem Jahre kehrte er in seinen Geburtsort zurück, wo er wieder bei einem katholischen Priester Joseph Dworczak, die drei ersten Klassen des Gymnasiums privatim durchmachte, und zur Prüfung jedesmahl nach Leitomischl gebracht wurde, ohne übrigens den Unterricht in der Bibel zu vernachlässigen.

Im Jahre 1824 wurde Frankl nach Prag gebracht, wo er die letzten drei Klassen des Gymnasiums absolvierte, und wo der jetzige Professor der hebräischen Literatur an der k. Universität Prag, Dr. Wessely und der Oberrabbiner in Dresden, Dr. Zacharias Frankl, seinen Unterricht im Griechischen, Lateinischen und Hebräischen privatim leiteten. Hier versuchte er sich zuerst, vorzüglich durch Hölty, Salis, Matthisson angeregt, im lyrischen Gedichte, und durch Uhland und Fouqué begeistert, in der Romanze. Der plötzliche Tod seines Vaters brachte einen herben Glückswechsel in der Familie hervor; der kostspielige Aufenthalt in Prag musste auf gegeben werden, und nur dadurch, dass ein Verwandter ihn in seinem Hause aufnahm, konnte er in Leitomischl die beiden Jahrgänge der Philosophie absolvieren.

Die theatralischen Vorstellungen im Residenzschlosse des Bischofs hatten schon in frühester Jugend den Knaben mächtig angezogen, und die früh erhaltenen Eindrücke tauchten in dem, damahls von Holbein trefflich geleiteten Theater in Prag, und nun durch eine wandernde Truppe, die in Leitomischl Vorstellungen gab, wieder lebendig auf. Die begeisterte Lektüre der Dramen Schillers, Zacharias Werners, Adolph Müllners, Körners usf. wirkten nicht wenig mit auf seine lebhafte Phantasie, und er schrieb in dieser Zeit ein historisches Schauspiel, dessen Stoff den Hussitenkämpfen entnommen war, unter dem Titel: „Agnes von Sezyma;“ ein historisches Trauerspiel „Wenzel der Heilige“ und ein dem Stoffe nach erfundenes „die Brautnacht;“ dann zwei Schauspiele, wovon das eine den Genossen Johannes Paricides beim Morde Kaiser Albrechts von der Wart zum Helden, und das zweite ein Mädchen „Manna Zeka“ zur Heldin hat; und endlich ein Lustspiel „Scherz und Ernst.“ All diese Arbeiten, wenn auch nach Frankls eigener Ansicht, von keinem tieferen poetischen Werte, daher er sie nie der Öffentlichkeit übergab, enthalten effektvolle Situationen, konsequent gezeichnete Charaktere, und trugen viel dazu bei, ihm die Sprache in die Gewalt zu geben, zu historischen Studien anzuregen, und hier zog ihn dieGeschichte seines Vaterlandes zumeist an.

Die philosophischen Studien waren mit glänzendem Erfolge – das Studium der Mathematik ausgenommen – vollendet, mit einem Gedichte, das erste, das von Frankl gedruckt erschien, von seinen Mitschülern Abschied genommen, und es galt, sich für ein Brotstudium zu entschließen, und sich einer Hauptstadt zuzuwenden. Am liebsten und mit dem größten Eifer hätte er sich den historischen Studien zugewendet, denn eine besondere Neigung machte ihm diese Wissenschaft wert; da ihm aber als Juden jeder Weg zu einer Professur verschlossen, und nur der eine der Medizin offen war, ging er ohne jede Unterstützung im Jahre 1828/9 nach Wien, um sich dieser Wissenschaft zu widmen, und sie zu einem Brotstudium zu machen. Hier kämpfte er alle harten Kämpfe eines Jünglings durch, der mit widerstrebender Phantasie sich einem Verstandesstudium mit selbst gebotenem Fleiß widmet, und dabei kümmerlich von Tag auf Tag durch Unterricht geben, sich sein Brot erwerben muss. Es blieb ihm keine Entbehrung fremd, keine Sorge erspart. Als ein Lichtblick in diese für ihn trübe Zeit fiel mit einem ihm anvertrauten jugendlichen Schüler eine Ferienreise in das Salzkammergut. Die großartige Gebirgswelt mit ihren Gletschern und Seen wirkte mächtig auf ihn, und weckte vollends das in ihm schlummernde Talent. Schon früher mit einer historischen Romanze von Hormayr, in dessen Archive in die Öffentlichkeit eingeführt, erschien er jetzt öfter mit lyrischen und kleineren epischen Arbeiten in Zeitschriften und Taschenbüchern. Im Jahre 1832 trat er zuerst mit einer Sammlung Balladen, deren Stoff aus der österreichischen Geschichte geschöpft war, in einem größeren Werke „das Habsburglied“ (Wien 1832) auf, welcher Titel auf ein tendenziöses Werk hinzudeuten schien, während das Ganze doch nur die Schilderung einzelner poetischer, f?r die Ballade geeigneter Momente sein sollte und war. Der Beruf des Dichters schimmerte überall durch, und es lenkte dies Buch rasch die Aufmerksamkeit auf den jugendlich Strebenden. Im Jahre 1833 gab er einen Band „lyrischer und epischer Dichtungen“ heraus, deren Widmung an Hammer-Purgstall, dieser durch die seiner „Duftkörner“ erwiderte, und so das Talent, wie den persönlichen Charakter des Dichters, durch edle Freundschaft des Greises zum Jünglinge, würdigte. Im Jahre 1834 unternahm Frankl eine Reise nach Böhmen, durch die sächsische Schweiz nach Dresden und Leipzig, um hier eine „Sagen aus dem Morgenlande,“ zugleich eine Übersetzung von Byrons „Parisina,“ und Moores „Paradies und die Peri“ (Leipzig 1834) herauszugeben. In Dresden war es vorzüglich Ludwig Tieck, dem er durch Caroline Pichler empfohlen war, der sein poetisches Talent anerkannte, indem er ihm Proben seines erst später im Jahre 1836 (Stuttgart) edierten Gedichtes „Christoforo Colombo“ vorlas.

Anfangs des Jahres 1837 wurde Frankl zum Doktor der Medizin graduiert, und genoss die Auszeichnung, dass Se. Majestät, der Kaiser von Österreich, aus seiner Privatschatulle für ihn die Taxen erlegen ließ. Seine, in lateinischer Sprache abgefasste Inaugural- Dissertation handelte: „De influxu Phantasiae.“ Eine Reise durch Italien brachte nun den mächtigsten und einflussreichsten Eindruck auf das Gemüt und den Geist des Dichters hervor. Das elegisch-historische Rom, das dithyrambische Neapel, Kunstwunder und Naturschönheit vereinigten sich, um ihn das, nach seinem eigenen Ausspruch, glücklichste Jahr seines Lebens feiern zu lassen. Hier trat er, wie er überhaupt in dieser Beziehung stets begünstigt wurde, mit den bedeutendsten Persönlichkeiten, Thorwaldsen, Mezzofanti, Luzzato, Cantu, mit den Dichtern Leopardi und Niccolini in Beziehung.

Nach Wien zurückgekehrt, begann er seine medizinische Praxis, die er im Jahre 1838 mit dem ihm angebotenen Syndikat der israelitischen Gemeinde in Wien vertauschte und zugleich das „österreichische Morgenblatt,“ aber nur kurze Zeit, redigierte. Im Jahre 1839 erwarb er sich durch Herausgabe der nachgelassenen Poesien und bis jetzt noch nicht übertroffenen Übersetzungen Byrons, von Joseph Emanuel Hilscher, einem als gemeinen Soldaten verstorbenen Manne, ein wahres Verdienst um die vaterländische Literatur (Peth 1813). Im Jahre 1840 (Leipzig) gab er eine neue Sammlung lyrischer und epischer Dichtungen heraus, und begründete im Jahre 1842 die von ihm noch geführte Wochenschrift „die Sonntagsblätter,“ mit welcher er ein „Kunstblatt,“ das einzige in der k. k. Monarchie vereinigte. Die durch Gesinnung und Talent edelsten Kräfte des Vaterlandes, sind Mitarbeiter dieser Wochenschrift, die einen mehr als ehpemeren Wert hat. In demselben Jahre erschien auch ein neues biblisch romantisches Gedicht „Rahel“ (Wien 1842), der französischen Schauspielerin Rachel gewidmet, und von M. E. Stern ins Hebräische übersetzt, von ihm.

Eine lebhafte dichterische Phantasie, ein bewegtes Gemüt, können nicht unempfindlich für weiblichen Reiz, für Frauenschönheit sein; und unser Dichter, durch seine äußerliche Persönlichkeit unterstützt, soll manches, sogar an's Abenteuer grenzende Erlebnis erfahren haben. Vielleicht schreibt er Memoiren.

Frankl lebt seit seiner Reise nach Italien fortgesetzt in Wien, und unterbrach seinen Aufenthalt nur einmal, im Jahre 1845 mit einer Reise nach Deutschland, wo er im Norden und Süden die edelsten deutschen Schriftsteller begrüßte, und freundlichst von ihnen aufgenommen wurde.

Im Jahre 1846 erschien (Leipzig) sein Heldenlied „Don Juan d'Austria“ seinem Freunde Anastasius Grün gewidmet, und erfreute sich einer vielfach anerkennenden Aufnahme. Frankl befindet sich in jugendlichem Mannesalter, in frischester Fülle eines bewegten, mannigfach gebildeten Geistes, und schon in nächster Zukunft soll uns ein neues poetisches Werk erfreuen. Eine Charakteristik seines noch in fortwährender Entwicklung begriffenen Talentes kann hier noch nicht an der Stelle sein, und bleibt einer späteren Zeit, einem eigentlich kritischen, nicht bloß biographischen Werke vorbehalten.
S. D.
Frankl-Hochwart, Ludwig August Ritter von (1810-1894) Arzt, Journalist, Schriftsteller

Frankl-Hochwart, Ludwig August Ritter von (1810-1894) Arzt, Journalist, Schriftsteller

Frankl-Hochwart, Ludwig August Ritter von (1810-1894) Arzt, Journalist, Schriftsteller (1)

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