Eschel, Josua ben Abraham (Augusti, Friedrich Albrecht). (1691-1782)

Es ist eine merkwürdige Erscheinung, wenn ein Jude, der eine reiche väterliche Erbschaft zu erwarten hat, und der sich in einem angesehenen Posten befindet, wo er Ehre und Reichtum erwerben kann, sich entschließt, allen diesen Vorteilen zu entsagen, und zu einer Religionsgesellschaft überzutreten, von der er nichts zu erwarten hat. Ein solches Beispiel verdient aufbewahrt zu werden, besonders wenn der Held noch die abenteuerlichsten Schicksale erfahren musste.

Josua ben Abraham Eschel war am 29. Juni 1691 zu Frankfurt an der Oder geboren. Sein Vater Abraham Eschel, ein angesehener Juwelier und Gelehrter an diesem Orte, der aus Wien gebürtig war, und in Prag studiert hatte, und seine Mutter Rebekka Pinto, die Tochter eines portugiesischen Juden zu Amsterdam, bestrebten sich wechselseitig, ihrem Sohne der die besten und glücklichsten Anlagen verriet, eine tüchtige Erziehung zu geben. Sein Vater übernahm selbst dessen Unterricht; allein der gute Mann starb, als Josua noch ganz jung war. Die Mutter würde es gerne gesehen haben, dass ihr Sohn, da er der einzige war, sich der Handlung gewidmet hätte. Allein dazu hatte er keine Lust, sondern eine Neigung zog ihn zum Studieren hin. Damit verband sich eine große Begierde, fremde Länder zu sehen, die durch folgenden Umstand noch mehr genährt wurde.


Die Juden in Jerusalem schicken jährlich gewisse Abgesandte (Meschullach) nach Europa, um Almosen einzusammeln, das teils zur Loskaufung der in der Türkei gefangenen Juden, teils zur Erhaltung der heiligen Orte verwendet wird. Ein Mann, Namens Aron ben Jekutiel kam in diesem Geschäfte nach Frankfurt. Ein solcher Mann wird überall, wo er hinkommt, von der Judenschaft sehr geehrt, weil er gewöhnlich als ein frommer gottesfürchtiger Mann gehalten wird, und durch Erfahrung auf seinen Reisen sich überall beliebt zu machen weiß. Jekutiel verband mit einer angenehmen Bildung eine ausgebreitete Kenntnis in den Sprachen und Wissenschaften des Morgenlandes, und als Arzt war er durch viele glückliche Kuren berühmt. Seine Erzählungen machten natürlich auf den jungen Menschen den gewaltigsten Eindruck, und erregten noch mehr seinen natürlichen Trieb, fremde Länder zu sehen.

In einigen Tagen trat Josua in Begleitung Jekutiels, seines Führers, Lehrers und Freundes, die wichtige und beschwerliche Reise an. Sie nahmen ihren Weg durch die Mark Pommern, Preußen, Polen und Litauen nach der Tatarei. An den Grenzen der Tatarei ward Jekutiel krank, und er sah sich genötigt, einige Wochen still zu liegen. Nach erlangter Gesundheit änderte er seinen Reiseplan, und beschloss, den Winter über in Klow zu bleiben, weil gewisse Unruhen in diesen Gegenden die Wege ziemlich unsicher machten. Er erwarb sich an diesem Orte durch verschiedene glückliche Kuren ein großes Ansehen. Er befreite z. B. einen türkischen Kaufmann aus Kaffa von der Schwindsucht, dass dieser aus Dankbarkeit sich erbot, ihn nicht bloß bis Kaffa, sondern sogar bis nach Jerusalem frei hinzubringen. Dies Anerbieten ward von Jekutiel mit Freuden angenommen, weil es mit sehr vielen Vorteilen verbunden war. In Gesellschaft von einigen 100 Personen trat er wirklich die Reise nach der Krimm an. Schon war er nur noch wenige Meilen von Oczakow entfernt, als sich mit einem Mahle eine tatarische Räuberbande zeigte, die Jeden, der sich widersetzte, niederhieb. Nur Wenige retteten sich mit der Flucht. Josua zu Pferde, flüchtete ebenfalls, eilte in ein Gebüsch, um sich dort verborgen zu halten; allein einer der Räuber entdeckte ihn, und schleppte ihn fort. In dieser traurigen Lage, wo ihm der Brustknochen ganz zusammengedrückt ward, und die Bande der Hände ihn schmerzten, musste er beinahe einen ganzen Tag zubringen. Erst nach einigen Tagen kam man an Ort und Stelle, wo ein barbarischer Führer ihn durch Brot, Wasser und Honig stärkte und seine Wunden mit starkem Wasser wusch. Seine Wohnung war nun ein Gefängnis, ein pferdehaarener Rock machte seine ganze Bekleidung aus, und eine Tracht Schläge war sein Willkommen.

Hier blieb er einige Tage, um neue Mühseligkeiten zu erdulden. Sein Gesicht wurde mit einer Kappe bedeckt, dann setzte man ihn zu Pferd; der rechte Arm wurde auf dem Rücken, und der linke an ein Bein festgebunden, und in diesem Aufzug wurde er mit noch mehreren Sklaven fortgeführt. Nach einigen Tagesreisen kamen sie in eine Stadt am schwarzen Meere, wo er für ungefähr 3 ½ Thaler verkauft und auf ein Schiff gebracht wurde. Der Dolmetsch des Schiffes, ein geborener Jude, der ein Türke geworden war, erkannte Josua gleich für einen Juden, und bot ihm nicht nur Freiheit, sondern auch die glänzendsten Aussichten an, wenn er ein Mahomedaner werden wollte. Mit Entschiedenheit wies Josua alle Vorschläge ab. Das Schiff fuhr nun ab, und da der Wind sehr ungünstig war, scheiterte es nicht weit von Kaffa. Die Schiffsmannschaft suchte sich so gut sie konnte zu retten. Josua erreichte mit einigen Andern eine Klippe, wo sie drei Tage lang mit Hunger und Kälte zu kämpfen hatten, ehe man ihnen zu Hilfe eilen konnte.

Einige Wochen blieben sie zu Kaffa, dann wurden sie auf ein anderes Schiff gebracht, das nach einer 14tägigen Fahrt in einer angenehmen Gegend landete. Die Sklaven wurden hier zum Verkauf ausgeboten, alle gut verhandelt, Josua und einige Wenige allein ausgenommen, die wegen ihres schlechten und kränklichen Ansehens keine Liebhaber fanden. Endlich wurden sie von einigen Kaufleuten, die nach Smyrna handelten, um einen sehr geringen Preis gekauft. Diese Kaufleute hatten einige 20 Kamele bei sich, worauf die matten Sklaven in geflochtenen Körben gesetzt wurden. Die Kaufleute verteilten bald nachher die Sklaven unter sich durch das Los. Josua bekam einen Herrn, der etwas menschlicher mit ihm umging. Sobald es ihm seine Kräfte gestatteten, brauchte ihn sein Herr zum Kameltreiber.

Als sie einmal in einer Stadt stille lagen, um ihr Gebet zu verrichten, hörte Josua einen Mann. Namens Ismael Bathmay, der von Geburt ein Jude war, allein sich äußerlich zum türkischen Glauben bekannte, ganz leise das gewöhnliche Sabbathslied singen. Er war davon ganz bezaubert, entdeckte sich dem Fremden, der ihn dann, obgleich sein Herr ihn schätzte, für zwei Stücke Kühtai (eine Art seidenes mit Baumwolle durchwebtes Zeug) an sich brachte. Von diesem neuen Herrn wurde er noch besser gehalten. Sein Herr reiste mit ihm nach Smyrna, in der Voraussetzung, dass die dortige Judenschaft ihn loskaufen würde. Zu dem Ende hing er ihm einen Strick um den Hals, und ein gelbes Blech mit Figuren an die Stirne, beides Zeichen der Sklaverei, und stellte ihn so an den Eingang der Hauptsynagoge, um die Aus- und Eingehenden zum Mitleid zu bewegen. Die Juden,die schon oft in diesen Fällen waren getäuscht worden, würden diesmal nichts zu seiner Loskaufung getan haben, wenn nicht Josua auf Anraten seines Herrn, eine Bittschrift an die Judenschaft aufgesetzt hätte, worin er seine Umstände dringend vorstellte, und sich unter anderm auf Jekutiel berief; nächst dem fügte er hinzu, dass, wenn sie ihn jetzt nicht loskaufen würden, sein Herr ihn an die Türken verkaufen wollte, wo eine Befreiung mit noch größeren Schwierigkeiten verbunden sein würde. Die Judenschaft entschloss sich endlich zum Kauf, vornämlich da der Preis von 200 Dukaten auf 150 Löwenthaler heruntergesetzt ward. Josua war entzückt über diese glückliche Veränderung; den nächsten Sabbath eilte er in dieSynagoge, und dankte inbrünstig dem Gotte Israels und seinem gegenwärtigen Erretter.

Josua blieb in Smyrna noch ein halbes Jahr, wo er sich hinlänglich erholte. Die Vorsteher beschlossen nun, ihn nach Europa zu schicken. Eben der Kaufmann aus Podolien, der seine Loskaufung am meisten betrieben, erbot sich, ihn auf dieser Reise zu begleiten. Unter dieses Mannes Aufsicht reiste Josua nach Konstantinopel und kam durch die Bulgarei und Moldau zu Kaminiek an. Unterwegs, nicht weit von Konstantinopel, wurde er von der Pest befallen, aber durch gute Pflege dem Tode entrissen. In Kaminiek bekam er Lust zu seinen Freunden nach Litauen zu gehen, die sein Vater ihm schon längst anempfohlen hatte. Er meldete seiner Mutter diesen Entschluss, und reiste nach Brest in Cujarien, zu einem nahen Anverwandten, wo er alle Pflege und Unterstützung erhielt, die er nach so vielen trüben Tagen nötig hatte.

Krakau, das nächst Prag damals der Hauptsitz jüdischer Gelehrsamkeit und Wissenschaften war, wurde von Josuas Freunden zu seiner Ausbildung gewählt. Hier fand er an Rabbi Baruch einen Lehrer, der ihm den „Binjan Schelomo“, oder die bekannte jüdische Grammatik und Auslegekunst erklärte. Er studierte dabei auch den Talmud, lernte über jeden vorgelegten Satz disputieren und erlangte darin eine große Fertigkeit. Jetzt stellte er über die verschiedenen Gebräuche seiner Nation Betrachtungen an. Der deutsche, polnische und morgenländische Jude, jeder hat seine besonderen Gebräuche. Josua sah den gewaltigen Aberglauben ein, womit der unwissende Jude gefesselt ist, und wünschte, dass es möglich wäre, ihn aufzuklären.

Damals hielt sich zu Pinczow ein sogenannter Baalschem oder Wundertäter auf, der sich zugleich für einen Vorläufer des Messias ausgab. Alles strömte hin ihn zu sehen, und Josua befand sich auch unter der Menge. Josua entlarvte ihn ganz, und schloss von diesem Manne auf die so gepriesenen Heiligen seines Volkes.

Nachdem er 4 Jahre in Krakau studiert hatte, zog er nach Prag. Rabbi Gabriel war hier ein vornehmster Lehrer. – Hier ließ er eine Schrift, Neschikat Mosche drucken, und verteidigte die öffentlich, worauf er den Titel eines Morenu oder Doktors und zugleich die Erlaubnis erhielt, Anderen öffentlichen Unterricht zu erteilen. Mit einem Mal entstand bei ihm der Trieb, die cabballistischen Wissenschaften zu erlernen. In Prag fehlte es an der Gelegenheit hierzu. Josua erkundigte sich und erfuhr, dass sich in Italien, Holland und England die Männer aufhalten sollten, die darin eine besondere Stärke hätten. Er fasste seinen Entschluss und reiste nach Frankfurt zu seiner Mutter, um sich mit den nötigen Kleidungsstücken und Reisegeldern zu versehen. Als er seiner Mutter, die ihren geliebten Sohn nach einer so langen Abwesenheit zum ersten Mal wieder sah, sein Vorhaben entdeckte, machte sie ihm mehr Schwierigkeiten als er vermutete. Sie wünschte ihn bei sich behalten zu können, und schlug ihm eine ansehnliche Heirat vor, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Allein all dieß änderte seinen Entschluss nicht.

In Folge seines Reiseplanes ging er durch die Mark und besuchte die Synagogen in Berlin, Dessau, Harzgerode und Halberstadt. In dem Hause des Hofjuden Wallich zu Sondershausen war er sehr gut aufgenommen; er konnte Wallichs schöne Bibliothek benützen, und erhielt von diesem würdigen Manne überdies noch das Versprechen, ihn im Frühjahre nach Amsterdam zu begleiten. Wallich war in Geschäften abwesend und Josua allein zu Hause, als in der Nacht vom 25. November 1720 eine Diebesbande in seine Wohnung einbrach. Plötzlich traten fünf Kerl, die sich das Gesicht geschwärzt hatten, mit Säbel und Pistolen vor sein Bett. Ein heftiger Schlag beraubte ihn seiner Sinne. An Händen und Füßen gebunden, ließen die Diebe ihn liegen, und raubten sein eigenes und seines Wirtes Vermögen, das sich auf 30.000 Thaler belief. Erst am Morgen entdeckte man den Einbruch; es eilten Ärzte und Wundärzte herbei, und boten ihre Kunst auf, den für tot gehaltenen Josua ins Leben zurück zu rufen; selbst Fürst Günther schickte seinen Leibarzt Zinkernagel hin.

Die Muße, die Josua jetzt genoss, wandte er dazu an, eine Erklärung des Propheten Jesaias zu vollenden, die er bereits in Prag angefangen hatte. Bei der Erklärung des 53sten Kapitels fand er unglaublich viele Schwierigkeiten, die er schlechterdings nicht zu heben wusste. Er wendete sich nun an den Hofprediger Reinhard, einen sehr fertigen Hebräer, der zugleich mit der jüdischen Gelehrsamkeit befreundet war. Zu diesem ging er jetzt, und fragte ihn um seine Meinung. Reinhard entwickelte den Sinn der Stelle nach den Erklärungen der christlichen und jüdischen Lehren, und überließ ihm die Wahl. Rabbi Josua konnte sich nicht überzeugen. Er wollte die ganze Sache vergessen, aber sie machte ihm nur desto mehr Unruhe. Mit Bedacht las er die Schriften Moses und der Propheten durch, um darüber Auskunft zu erhalten und am Ende glaubte er, dass Jesus von Nazareth doch wohl der rechte Messias sein möchte. Er ging zu Reinhard, stellte ihm seine Unruhe vor, und bat ihn, ihn auf den rechten Weg zu bringen. Der Hofprediger hielt diesen Schritt für Übereilung und verhehlte ihm die Folgen nicht, die er haben könne; – aber Josua erwiderte: „wäre es mir um zeitliche Vorteile zu tun, so müsste ich allerdings bei den Meinigen bleiben; aber nicht mein ansehnliches Erbteil, nicht meine Mutter, die ich sehr liebe, nicht die Zuneigung meines Volkes, nichts in der Welt soll mich abhalten, Jesum von Nazareth zu suchen, den ich für den einzigen Heiland der Welt halte.“

Als er nach Hause gekommen war, überlegte er noch einmal den Schritt, den er tun wollte, allein nichts konnte ihn auf andere Gedanken bringen. Er nahm das nächste Mahl, begleitet von Reinhard und dem Hofrat Janus, feierlich in der Synagoge von seinen Glaubensgenossen Abschied. Er sagte den Anwesenden mit vieler Freimütigkeit, dass sie jetzt vergeblich auf den Messias warteten, da er bereits erschienen sei, daher er ihn jetzt mit völliger Überzeugung öffentlich bekenne. Er bat, die möchten sich nicht ferner täuschen lassen, sondern den Gott Israels bitten, dass er ihnen die Erkenntnis und Überzeugung schicken möchte, die er erlangt und die er gegen alle Reichtümer der Erde nicht vertauschen würde. Mit zärtlicher Wehmut dankte er ihnen für alle Liebe, die er unter ihnen genossen und Tränen sagten zuletzt mehr als Worte.

Reinhard nahm hierauf das Wort, und bezeugte öffentlich, dass es noch Zeit wäre, bei seinem Volke zu bleiben und dessen Liebe zu genießen. Die Juden stürzten auf ihn los, baten ihn, die nicht zu verlassen, und wollten ihn nicht früher freigeben, als bis er ihre Bitte erfüllte; allein er riss sich von ihnen los, nahm Reinhard bei der Hand und ging heiter aus der Synagoge.

Es ist gewiss sehr merkwürdig, dass ein Mann, der von seiner Mutter ein Vermögen von 20.000 Thalern zu erwarten hat, der bei seinem Volk in Ansehen steht, der auf die größten Ehrenstellen Rechnung machen kann, der sogar Hoffnung hat, den gewaltigen Aberglauben, womit eine Nation gefesselt ist, nach und nach wegzuschaffen, und sich dadurch ein unendliches Verdienst zu erwerben, kurz, der alle Glückseligkeit dieses Lebens in einem hohen Grade genießen konnte, dass dieser Mann sich entschließt, all dies zu entbehren, seine Mutter, Verwandten und Freunde zu verlassen und zu verleugnen, bloß um eine Religion öffentlich zu bekennen, von deren Wahrheiten er sich überzeugt, und bei welcher er aber nichts weniger als äußerliche Vorteile zu erwarten hatte. Josua musste nach dem Auftritt in der Synagoge noch einen scharfen Kampf aushalten. Die Judenschaft der umliegenden Gegend forderte ihn zu einer Unterredung nach Dessau auf, mit der Erklärung, ihm seine irrigen Meinungen zu benehmen und ihn wieder auf den rechten Weg zu bringen. Er nahm dies Anerbieten an, und war bereit, öffentlich die Gründe anzugeben, warum er das Judentum verlassen und die christliche Religion annehmen wolle. Auf Befehl des Fürsten begleitete ihn, außer einer militärischen Bedeckung, der Hofrat Janus mit einem Sekretär, und ein Empfehlungsschreiben an den Fürsten von Dessau, verschafften ihm hinlängliche Sicherheit.

An dem zur Unterredung bestimmten Tage war die Synagoge außerordentlich stark besucht. Der Proselyt war begleitet von dem Hofrat Janus, von dem Sekretär, von einem dessauischen Rat, und der Geistlichkeit der Stadt. Die jüdischen Lehrer entwickelten ihm die unendlichen Vorzüge ihrer Religion vor einer jeden andern, sie stellten ihm den Fluch vor, den sie und alle Rabbiner über ihn, als über einen Abtrünnigen aussprechen müssten. Der Proselyt sagte, dass dieser Fluch ihm nichts schaden könne. Die Ankunft des Messias wäre längst vorüber, welches sie selbst einsehen würden, wenn sie sich die Mühe geben wollten, die Schriften der Propheten genau zu erforschen. Die Juden nahmen noch andere Ausflüchte, womit sie aber nicht durchkamen. Der Proselyt erklärte ihnen, dass er sich völlig von der Wahrheit der christlichen Religion überzeugt habe, und dass weder Übereilung noch Hoffnung irdischer Vorteile einigen Anteil an dieser Entschließung habe. Der Hofrat Janus fragte darauf die Anwesenden: Ob sie ihm sonst irgend Vorwürfe machen, oder seine Aufführung tadeln könnten? Und alle gaben ihm das beste Zeugnis. Dann wandte er sich an den Proselyten mit der Frage: ob er noch jetzt zurückkehren und seine Brüder erfreuen wolle? Josua blieb standhaft und äußerte bloß den Wunsch, dass alle gegenwärtigen Juden ihren Irrtum einsehen, und seinem Beispiele folgen möchten! Es nahmen auch wirklich zwei Juden aus dieser Versammlung bald nachher die christliche Religion an.

Drei Viertel Jahre lang erteilten Reinhard und einige andere Geistliche in Sondershausen dem Proselyten Unterricht, und der Erstere gab ihm zugleich Tisch und Aufenthalt. Endlich wurde er an zweiten Weihnachtsfeiertage 1722 öffentlich getauft. Die regierende Fürstin zu Schwarzenburg - Sondershausen Elisabeth Albertine, ihre Schwester Caroline Sophie und ihr Gemahl August zu Eheleben, die regierenden Herzoge von Sachsen-Gotha und Braunschweig und Caroline Christine, Pfalzgräfin am Rhein, waren Taufzeugen. Nach der Taufhandlung, welche Reinhard verrichtete, hielt der Proselyt eine rührende Rede, worin er Gott für die empfangenen Wohltaten dankte. Er bekam die Namen Friedrich Albert Augusti.

Ein Jahr lang verweilte Augusti noch in Sondershausen, genoss fortdauernd den Unterricht seiner Lehrer und begab sich dann auf das Gymnasium nach Gotha, um sich hier zum Besuch der Akademie vorzubereiten, denn er war entschlossen die Theologie zu studieren. Vier Jahre lang saß er, der selbst schon Lehrer gewesen war, unter den Schülern des gothaischen Gymnasiums und ging dann nach Jena, bald darauf aber nach Leipzig, wo er mit Eifer die wissenschaftliche Laufbahn verfolgte, ob er gleich nicht selten mit bitterer Armut zu kämpfen hatte, da die Unterstützung, die ihm Fürst Günther zusicherte, zu seinem Fortkommen nicht hinreichte. Um sich den Weg zu einer akademischen Beförderung zu bahnen, reiste er zum Examen nach Dresden. Augusti wurde nun unter die churfürstlichen Stipendiaten aufgenommen, disputierte in Leipzig öffentlich und fing dann an über Danzens Grammatik und einige Bücher des alten Testaments öffentliche Vorlesungen zu halten. Er tat dies und erntete vollen Beifall. Als Missionar nach Malabar zu gehen, welches Franke in Halle vorschlug, konnte er sich nicht entschließen. Dagegen war er sehr geneigt, einem Ruf, als Professor der orientalischen Sprachen an dem Gymnasium zu Bremen zu folgen, allein die Wünsche seiner Freunde fesselten ihn in Gotha, wo er mehrere Jahre öffentlich und Privatunterricht erteilte, bis er endlich 1734 Pfarrer zu Eschenberga im Fürstentum Gotha wurde. Schon 5 Jahre zuvor war er dem dasigen Pfarrer Braun, einem 80jährigen Greis adjungert worden, und hatte alle Predigergeschäfte verrichtet.

Augusti war ein sehr tätiger Mann, der jede Stunde, die ihm seine Amtsgeschäfte übrig ließen, dem Studium, literarischen Arbeiten, dem Briefwechsel mit gelehrten Männern und der Erziehung seiner Kinder widmete. Von seinen Kenntnissen zeugen mehrere eregetische, antiquarische und historische Schriften, die zu ihrer Zeit nicht ohne Beifall blieben. Die Universität Göttingen erteilte ihm die Würde eines Doktors der Weltweisheit und die Akademie nützlicher Wissenschaften zu Erfurt nahm ihn unter ihre Mitglieder auf. Seit dem Jahre 1764 hatte er an seinem zweiten Sohn einen Gehilfen bei seinen Amtsverrichtungen; er predigte aber auch in den folgenden Jahren noch zum öfteren, und 1779 erlebte er das seltene Glück, dass er sein Amtsjubiläum feiern konnte. Der Jubilant ging, von seinen Kindern, Enkeln und vielen Amtsbrüdern begleitet, in die Kirche zu der Gemeinde, die
größtenteils bei ihm aufgewachsen war, und predigte mit vieler Rührung über die Worte: Herr ich bin zu gering aller Barmherzigkeit usw. Er verlebte noch einige glückliche Jahre und verließ endlich die Welt, ohne irgend eine schmerzliche Empfindung. Sein Tod schien ein bloßes Einschlummern zu sein, als er den 13. Mai 1782 sanft verschied, nachdem er beinahe 91 Jahre vollendet hatte.
102. Eingang zum Bosporus. Die 27 km lange Meeresstraße die Europa von Asien trennt und das Schwarze und Marmarameer verbindet

102. Eingang zum Bosporus. Die 27 km lange Meeresstraße die Europa von Asien trennt und das Schwarze und Marmarameer verbindet

083. Blick in den großen Bazar

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078. Altes (Topkapu) Serai, Bagdadkiösk

078. Altes (Topkapu) Serai, Bagdadkiösk

082. Skutari, Straße in altem Türkenviertel

082. Skutari, Straße in altem Türkenviertel

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