Judentum und die Kritik, oder es bleibt bei den Menschenopfern der Hebräer und bei der Notwendigkeit einer zeitgemäßen Reform des Judentums.

Autor: Ghillany, Friedrich Wilhelm Dr. (1807-1876) evangelischer Theologe, Historiker, Publizist, Erscheinungsjahr: 1844

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Juden, Judentum, Judenhass, Antisemitismus, Judenverfolgung, Mittelalter, Religion, Christen, Christentum, Judengasse, Schicksal, Glauben, Geschichte, Bildung, Gesittung, Bürgertum, Unwissenheit, Kreuzzüge, Klerus, Politik, Macht, Handel, Vertreibung, Flucht, Mord, Todschlag, Nation, Volk, Heimat, Weisheit, Leben, Ideale, Mut, Gottesfurcht, Geist, Freude
Hochzuverehrende Herren!

Es weht ein erwärmender Hauch durch die zivilisierte Welt: der Geist der Humanität. Dieser Geist war es, der Sie auf dem letzten rheinischen Landtage für die Emanzipation eines lange Jahrhunderte zurückgesetzten Volkes kämpfen hieß. Aufmerksam ist Ihnen Deutschland gefolgt; es hat den Drang nach Abhilfe, der Sie leitete, es hat die teilnehmende Gesinnung für minder berechtigte Mitmenschen, die sich so offen und entschieden, sei es auch zum Teil nur vermeintlichen Vorurteilen gegenüberstellte, ehrend, wie es sich gebührte, anerkannt. Wohl ist es Zeit, dass unser Jahrhundert nach dreißig Friedensjahren auch endlich ernstlich an die Verhältnisse eines Volkes denke, das über ein Jahrtausend unter den Europäern lebt und gleichwohl dem Abendlande fremd geblieben ist, das täglich für den Aufbau eines vorigen Reiches im Orient zu seinem Gotte fleht, aber trotz aller Verfolgungen und Bedrückungen bis heute noch keine allgemeine friedliche und ernstliche Anstalt gemacht hat, dieses ersehnte Reich aus eigener Kraft zu gründen, das also, wie es scheint, noch ein Jahrtausend als fremdes, gesondertes Element unter uns wohnen wird, wenn wir nicht selbst darauf denken, entweder ihm zum Lande seiner Väter wieder zu verhelfen, oder es völlig mit uns zu verschmelzen.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass es für Europa bei weitem das Beste wäre, wollten die Juden freundlich ausscheiden und dem Lande ihres Gebetes zuwandern; auch würde es bei dem gegenwärtigen Verfalle des osmanischen Reiches und bei den Reichtümern des jüdischen Volkes der heutigen Diplomatie gewiss keine Unmöglichkeit sein, ihnen das gelobte Land als unabhängiges Gebiet wieder zu verschaffen. Gerne würde sie der Geschichtsfreund als uralte Reliquie auf, dem Boden ihrer Väter fortbestehen sehen, gerne würde er die europäische Bevölkerung von einer Vermischung frei gehalten wissen, die weder für die äußere Bildung, noch für den nationalen Charakter, um mich gelinde auszudrücken, von Vorteil sein kann. Noch ein anderer Ausweg böte sich dar. Amerika hat menschenleere und fruchtbare Länderstrecken von einer Ausdehnung, welche die Grenzen des alten Palästinas vielfach überbietet. Wenn in einer Zeit, wo die menschliche Kraft keinen Wert mehr hat, wo man die Geburt eines neuen Bürgers fast für ein Unglück ansieht, wo es so schwer wird, sein Fortkommen zu finden und einer dem Anderen den kaum errungenen Bissen sofort wieder aus dem Munde jagt: wenn in einer solchen Zeit Hunderttausende von Deutschen das teurere Vaterland verlassen und unbekannte Länder jenseits des Meeres aufsuchen: sollte nicht schon dieser Umstand die Juden, als fremdes Element, auf den Gedanken führen, in Amerika ein eigentümliches Vaterland, ein neues jüdisches Königtum zu gründen? – Doch keine Spur der einen oder der anderen Absicht. So gering ist die moralische Kraft dieses Volkes, dass es von einer unablässig und bis zur Schwärmerei gepflegten Idee sich nimmermehr zu einer Verwirklichung wagt, die einige materielle Opfer erheischte; ja gewiss, wollten die Juden einen solchen Gedanken ernstlich fassen, sie würden erschrecken vor einem Lande, wo es nur Juden gäbe, wo der Jude. Alles verrichten müsste, auch die schwerste und gefährlichste Handarbeit, und Niemand sich darböte zum Geldgewinn, als eben wieder nur Juden. Und in Wahrheit, betrachtet man das jüdische Wesen: wie lange könnte solch ein neuer jüdischer Staat wohl dauern? Auf sich selbst beschränkt würden seine neuen Bürger bei ihrer Gewinnsucht, bei dem vielfach fühlbaren Mangel an Ehrenhaftigkeit, bei ihrer Scheu vor anstrengender Handarbeit alsbald an einander geraten und schon des Handels wegen sich wieder überall hin zerstreuen! – Wir sollen sie also behalten; wir müssen sie behalten, wenn sie nicht freiwillig ein neues Vaterland suchen; denn sie sind unsere Mitmenschen und wohnen schon lange Jahrhunderte unter uns.

Es ist ein schönes und großes Wort, meine Herren, jenes Wort der französischen Charte vom Jahre 1830: „Chacun professe sa religion avec une égale iberté et ohtient pour son culte la méme protection.“ Bei der Unergründlichkeit jenes Wesens, das der menschliche Geist seit Jahrtausenden zu erforschen sucht , bei den mancherlei Wegen, welche die Vielseitigkeit dieses Geistes einschlägt, um das Verhältnis zwischen Gottheit und Welt, den Ursprung und den Zweck der Dinge, das Wesen und die Bestimmung des Menschen zu ergründen und zu erklären: wäre es nicht eine Versündigung gegen den Menschengeist und seinen Urheber, wollte man ihn in der Freiheit seiner Forschungen hemmen? wäre es nicht eine Anmaßung, wollte ein Jahrhundert, ein System, eine Religionspartei seine Meinung, seine Lehre jeder künftigen Zeit, allen übrigen Mitmenschen als alleinige, unumstößliche Wahrheit aufnötigen? Ja gewiss, auch die ernsten und aufrichtigen Bestrebungen des geistigen Fortschrittes auf religiösem Felde, die Bemühungen, einen aus beschränkter Vergangenheit heraufgeerbten Glauben den helleren Begriffen eines Zeitalters gemäß zu, läutern, auch sie sind ein ehrwürdiger Gottesdienst, und ein Staat würde sich an den ewigen Rechten und Pflichten des Menschengeistes versündigen, wollte er in seinen heiligsten Interessen den Menschen fest bannen zwischen morsch gewordene Pfähle, mit welchen sich die eine oder die andere Religionspartei vor langen Jahrhunderten gegen alles gleichzeitige und zukünftige Denken, Wissen und Glauben feindselig abgegrenzt hat. Nicht als ob einer Regierung zugemutet werden dürfte, auf jede Regung des neuen Geistes in dieser Periode des Überganges einzugehen; man verlangt nur, die auch dieser Richtung menschlicher Entwicklung nicht widerstrebe, dass sie, ohne zu verfolgen, beobachtend zuwarte und mäßig fortschreitend nachgebe; man wünscht und erwartet, dass sie nicht ferner mehr die Grundstütze des Staates in einer Anzahl von Dogmen des Mittelalters finden möge, die eine solche in Wahrheit nicht mehr abgeben können, weil die Bildung der Zeit, die sich nicht rückwärts führen lässt, darüber hinweg ist; man glaubt fordern zu dürfen, dass nicht das alte System einseitig begünstigt werde, dass man vielmehr auch die große Anzahl jener Staatsangehörigen, die Masse der Gebildeten berücksichtige, die es nirgends ein Hehl haben, dass ihnen das öffentliche Dogma nicht mehr genüge.

Aber gleichwohl, meine Herren, kann jener Ausspruch der französischen Charte so wie das bekannte freisinnige Wort des großen Königs, es müsse in einem Staate Jedem erlaubt fein, noch seiner Façon selig zu werden, in der allgemeinsten Fassung und unbedingt wohl niemals in Anwendung kommen. Ein Staat kann unmöglich. Alles dulden, was sich auf irgend eine beliebige Art als religiöse Überzeugung, als gottesdienstlichen Gebrauch ankündigt. Zwei Bedingungen sind es, die er einem Bekenntnis stellen muss. Zunächst wird er von einer Religion, die auf vollständiges Bürgerrecht Anspruch macht, zu verlangen haben, dass sie bezüglich ihrer Lehre und ihrer Gebräuche einen Grad von Vernunftgemäßheit einnehme, auf welchem sie der Bildung der Zeit, somit den Bürgern des Staates überhaupt, zum mindesten nicht lächerlich oder anstößig werde; er könnte z. B. keinen Fetischdienst, keine Muckergesellschaften*] anerkennen. Sodann aber wird er sich ganz besonders die Bedingung stellen müssen, dass die Religion keine Grundsätze in sich schließe, durch welche ihre Bekenner zu anderen Religionsgenossen in ein feindseliges Verhältnis gebracht werden; denn Solches würde dem Frieden im Innern und der Kraft des Staates gegen Außen völlig zuwider sein; er wird verlangen müssen, dass sie ihre Verkenner nicht hindere, sich aufrichtig und innig an den Staat, an die Mitbürger anzuschließen, die eigene Ehre, das eigene Wohlsein in der Ehre und dem Gedeihen des Vaterlandes zu finden.

*] „Mucker“ ist ein heimtückischer, scheinheiliger Mensch, Fanatiker, Heuchler, Frömmler, Schwindler,

Es ist schon schlimm, meine Herren, wenn eine Religionspartei, wie es die christlichen Konfessionen tun, anderen Bekennern die Anwartschaft auf eine jenseitige Seligkeit abspricht. Denn so Wenig dieses Dogma auf den ersten Anschein mit dem diesseitigen Staatsleben zu tun hat; so wirkt es doch auf das Empfindlichste herüber, so wie es ernstlich für wahr gehalten werden soll. Wie sollten nicht auch die freundlichen Beziehungen des Erdenlebens zu einem Menschen notleiden, den man als einen für alle Ewigkeit. Verdammten, wenn auch nicht verachten will, doch im besten Falle bemitleiden muss? Sie haben es an Ihrem schönen Rheine gesehen, wohin es führt, wenn diese Lehre einer finstern Zeit, die sich nicht bloß im Katholizismus, sondern auch im alten Protestantismus findet, ernstlich durchgeführt werden will; und ich könnte Ihnen ein Land nennen, wo man täglich mit Augen sehen kann, wie selbst Dienstboten verschiedener Konfession nicht mehr neben einander aushalten, wie Ehegatten, die Mitglieder derselben Familie sich gegenseitig mit Bedauern und stillem Kummer betrachten, wie die Bürger gemischter Städte sich feindselig von einander absondern, wie ganze Provinzen eine feindliche Stellung gegen einander einnehmen, seitdem die Regierung das Heil in der Rückkehr zur alten Orthodoxie sucht und die Geistlichen begünstigt, welche auf beiden Seiten dafür eifern. Es bedarf keines Beweises, dass ein Zusammenleben von Katholiken und Protestanten in demselben Staate peinlich, ja fast unmöglich würde und die traurigsten Folgen nach sich ziehen müsste, wollte sich auch nur die Mehrzahl der Einwohner wieder mit der alten Strenge zu den ausschließenden, feindseligen Dogmen des sechzehnten Jahrhunderts bekennen. Um so mehr ist es zu wundern, dass auch Männer, welche an der Spitze gemischter Staaten stehen, die gesunde Vernunft des Jahrhunderts, die sich über dergleichen Vorurteile hinwegsetzt, als Indifferentismus beklagen und das Heil des Staates in einer Rückkehr zum alten Glauben finden; zu wundern, dass sie mit Macht und Ernst nach einem Ziele hinwirken, auf welchem angekommen sie in Wahrheit nichts Anderes erreichen, als eine Absonderung und Störung in den freundlichen Beziehungen der einzelnen Einwohner und Ortschaften, eine Lockerung der Bande, welche die einst geschiedenen Provinzen an den gemeinsamen Thron ketten, eine Minderung der Anhänglichkeit an den Regenten, der nun einmal nur einer Konfession angehören kann, auf Seite derjenigen Religionspartei, die es bei solchen Verhältnissen schmerzlich empfinden muss, ihn nicht zu den Ihrigen zählen zu können, ihn an der Spitze erklärter Gegner zu sehen! –

- Ein Geist, wie der des sechzehnten Jahrhunderts, hielt solche ausschließende Dogmen für notwendig, er klammerte sich fest daran, er kämpfte auf Tod und Leben dafür; und als beide Parteien endlich matt waren, gestand man sich notgedrungen im Westfälischen Frieden gleiche politische Rechte zu, jedoch ohne die Dogmen selbst zu streichen, ohne zu bedenken, dass ihr konsequentes Festhalten ein friedliches Zusammenleben verschiedener Konfessionen in demselben Staate nicht gestatte. Dieses unnatürliche Verhältnis dauert bis heute. Wer müsste nicht wünschen, dass man damals sich auch über mildere Dogmen verglichen hätte? Denn der Feind ist nur leicht überdeckt, wird nur zurückgehalten durch den Geist der Zeit; im Grunde liegt er fest auf einem religiösen Rechte, und bei guter Gelegenheit kann ihn jeder Fanatiker wieder herauf beschwören.

So vor zwei Jahrhunderten. Wenn nun aber heut zu Tage ein religiöses Bekenntnis, das bisher noch keine vollständigen bürgerlichen Rechte genoss, in das deutsche Bürgertum eintreten will: wird es einer Staatsregierung zuzumuten sein, bereitwillig ein drittes ausschließendes, allen übrigen feindliches Element zu gleichen bürgerlichen Rechten zu erheben? wird eine hellere Zeit nicht die Bedingung stellen müssen, dass zuvor alle die Humanität verletzenden, der Eintracht und der Kraft des Staates feindseligen Dogmen aufgegeben werden?

Bei den Juden, meine Herren, ist das Verhältnis zu andern Bekennern noch bei weitem anstößiger und gefährlicher, als jenes zwischen den christlichen Konfessionen; denn nicht nur, dass hier die ausschließenden Grundsätze weit schroffer, gehässiger und erniedrigender sind: die jüdische Religion ist noch außerdem von besonderen politischen Erwartungen völlig durchdrungen; die Spitze ihrer Hoffnungen und Tröstungen ist ein jüdisches Weltreich mit der Hauptstadt Jerusalem; ja man kann mit Recht sagen, diese politische Erwartung ist es allein, was die Juden unter allen Verfolgungen bei ihrem Glauben bis heute ausharren ließ. Das Christentum weist eine Bekenner auf eine jenseitige Welt hin, dort erreicht der Christ seine Bestimmung, dort erwartet ihn Lohn und Strafe, ja es fordert seine Gläubigen sogar zur Geringschätzung irdischer Zustände auf; Der ist der Frömmste, welcher diese Erde für einen durch den Sündenfall völlig verdorbenen, hinfälligen, der Werthaltung unwürdigen Wohnort ansieht und seine Gedanken allein auf das Himmlische richtet. Anders das Judentum. Dieses beschäftigt sich nur sehr wenig mit einem Jenseits; das alte Testament kennt bis auf die babylonische Gefangenschaft keine vergeltende Unsterblichkeit; erst jetzt dringt aus der Zendreligion dieser Glaube und die Vorstellung von einer Auferstehung der Toten in die jüdische Religion. Aber auch diese Lehre von der Besiegung des Bösen und der Wiedererneuerung aller Dinge im Systeme des Zoroaster haben die Juden in einer egoistisch-nationalen Weise für sich ausgebeutet, und auch jetzt noch bleibt diese Erde der Ort, wo die neue Herrlichkeit sich auftun soll. Ein Messias aus dem Stamme Davids soll erscheinen, die gestorbenen Juden sämtlich auferwecken, die noch lebenden um sich sammeln, mit ihnen Rache nehmen an den Völkern und sie unterjochen, in Jerusalem feinen Königssitz aufschlagen und diese Stadt zur ewigen Hauptstadt der Welt machen. Die Seligkeit in diesem Reiche besteht darin, dass die Juden fortan Nichts weiter tun, als im mosaischen Gesetz studieren und den Tempel besuchen, dessen ganzer Dienst in alter Herrlichkeit wieder hergestellt wird. Die Arbeit des täglichen Lebens müssen die beknechteten Völker für die Juden verrichten.

Vielleicht ist Ihnen, hochzuverehrende Herren, meine Broschüre: „Die Judenfrage“ nicht unbekannt geblieben. Ich habe dort aus dem alten Testamente und aus rabbinischen Schriften die feindselige Stellung der Hebräer zu den übrigen Menschen nachgewiesen. Die Folge davon war großes Geschrei auf Seite der Juden. Das Ableugnen geht bei diesen Leuten bis zu einer unbegreiflichen Frechheit; selbst Dinge, welche die ganze Welt weiß, verneinen sie und schieben sie Demjenigen, der sie von ihnen behauptet, als gehässige Verleumdungen zu. Durch eine solche geheuchelte Entrüstung erreichen sie bei dem Leser wenigstens so Viel, dass er darin einen Beweis findet, der Jude wolle. Nichts mehr von den alten gehässigen Vorurteilen seiner Nation wissen, er „sei in der Neuzeit davon zurückgekommen; ja, man verargt es wohl auch dem Verfasser im Stillen, dass er diese alten Geschichten, für welche der heutige Jude Nichts könne, immer wieder zum Vorschein bringe. Und damit, meine Herren, ist man eben in einem großen Irrtum, der hauptsächlich darin seinen Grund findet, dass man den Juden nur nach der Konversation in christlicher Gesellschaft beurteilt und die Stimmen. Einzelner für die Gesinnung der Gesamtheit, wenigstens der Mehrheit nimmt. Bis heute ist diese menschenfeindliche jüdisch-nationale Messiashoffnung der Grundton aller öffentlichen und Privatgebiete der Hebräer; bis heute ist dieses jüdische Weltreich die Grundstütze des ganzen Judentums, das heißeste Gebet Aller, die in ihrem Herzen noch Juden sind; ja selbst die aufgeklärten Leute unter diesem Volke, die auf eine Masse von Vorurteilen gegen die Emanzipation zu verzichten bereit sind, wünschen in der Regel nur die Rechte des deutschen Bürgers, wollen aber eine gesonderte, durch die ganze Welt zusammenhängende jüdische Nation dabei bleiben. Ich habe mir es mit zur Aufgabe der vorliegenden Bögen gemacht, Dieses ausführlich nachzuweisen, und dieser Teil der Broschüre ist es, von Seite 53 bis 76, der mich aufforderte, Ihnen, Hochzuverehrende Herren, sie zuzueignen; denn das Urbrige, was sie enthält, kann mit Ihrer Verwendung für die jüdische Emanzipation auf dem letzten Landtage nur in eine entferntere Beziehung gesetzt werden.

Und nun, meine Herren, kann ein Volk mit solchen gesonderten Nationalinteressen vollständiges Bürgerrecht in einem europäischen Staate verlangen? Soll auch Deutschland durch jene Zwitterbildung verunstaltet werden, wie wir sie in Frankreich finden? Gibt es doch keine widerlichere Erscheinung in der neuesten Geschichte als jene französischen Juden, die jetzt Franzosen, jetzt wieder Hebräer sind, die öffentlich groß tun mit der großen Nation, zu Hause aber und in der Synagoge für die Aufrichtung eines jüdischen Königreichs beten! – Es kann. dem deutschen Volke nicht zugemutet werden, Denjenigen gleiche Rechte zu geben, deren oberste Hoffnung die Beknechtung ihrer Mitmenschen ist! Es kann den Deutschen nicht zugemutet werden, Denen als Volksgenossen die Hand zu reichen, von welchen sie für unrein erklärt werden! Es kann ihnen nicht aufgebürdet werden, Leute bei der Führung ihrer öffentlichen Angelegenheiten zuzulassen, die einer religiös-politischen Partei mit ganz verschiedenen Interessen angehören, einer Partei, welche ihre gesonderte Sprache spricht, die durch die ganze Welt zusammenhängt, die gegen ihre Genossen höhere Verpflichtungen hat, als gegen Nichtangehörige, die kein deutsches Vaterland aufrichtig haben, noch weniger lieben kann, weil sie auch ein englisches, französisches, holländisches, russisches, türkisches hat, die nirgends sich aufrichtig einbürgern wird, weil sie ihr eigentliches Vaterland in Palästina erkennt und sucht! Nein, meine Herren, wir können nicht Leute zu unseren Mitbürgern haben, die ihren Aufenthalt außerhalb Judäa und also auch ihr Verweilen in Deutschland als eine Sündenstrafe, als eine Verbannung ansehen und täglich um Erlösung, um Aufrichtung ihres alten Reiches flehen; denn damit ist unsere Bürgerpflicht nicht erfüllt, dass man von den Rechten Besitz nimmt und sie für seinen Privatvorteil möglichst ausbeutet: wir verlangen, dass Derjenige, welcher ein deutscher Bürger sein will, sich auch aufrichtig und innig an das Vaterland anschließe, dass er nicht bloß zu Anlehen, sondern auch zu Opfern für dieses sein großes Vaterland bereit sei!

Und abgesehen hiervon: wie kann eine Religion, welche seit zwei Jahrtausenden keine Fortbildung und Verbesserung zugelassen hat, welche noch Gebräuche in sich trägt, die sich aus der tiefsten Barbarei des orientalischen Altertums heraufgeerbt haben: wie kann sie hintreten vor den humanen und gebildeten Geist dieses Jahrhunderts und die Erklärung der Ebenbürtigkeit verlangen? Würden Sie es glauben, meine Herren, dass der Jude noch heut zu Tage, mitten in den zivilisiertesten Ländern Europas, für die Wiedereinführung der blutigen Opfer betet?*) Würden Sie es glauben, dass er, nach seiner altorientalischen Geringschätzung des Weibes, noch heut zu Tage in einem Gebete Gott dankt, dass er ihn zum Manne und nicht zum Weibe erschaffen habe?**) Kann es einen unnützeren und barbarischeren Gebrauch geben, als die Beschneidung? Sieht man sich nicht in die Zeiten der alten Menschenopfer zurückversetzt, wenn bei dieser Zeremonie der Rabbiner den Mund voll Wein nimmt und das warme Menschenblut aus der Wunde saugt?

*) „Zeige Wohlgefallen, o Gott, unser Herr, an deinem Volke Israel und dessen Gebet, führe den Opferdienst wieder ein in den Chor deines Tempels“ Israelitisches Gebetbuch, geordnet von Heidenheim, Fürth 1840. Seite 71. – „Einen neuen Altar wirst Du einst in Zion aufrichten, worauf wir die Ganzopfer für jeden ersten Tag des Monats werden aufsteigen lassen, die Ziegenböcke wohlgefällig zubereiten“
u. f. f. S. 281. In allen Gebeten werden heut zu Tage noch die Opfertiere aufgezählt, welche das mosaische Gesetz für diesen Tag des Gebetes vorschreibt.
**) „Gebenedeit seist Du, Gott, unser Herr, Weltregent, der mich nicht zum Weibe geschaffen.“ (Morgengebet S. 9)


Nein, dreimal nein! Ohne eine aufrichtige und umfassende Reform des Judentums, ohne ein völliges Aufgeben der jüdisch-nationalen Vorurteile und Hoffnungen wäre die Einsetzung der Juden in den vollen Genuss der bürgerlichen Rechte ein unverzeihlicher Missgriff, eine Versündigung an der deutschen Nation! Laffen wir uns nicht irre machen durch das Geschrei von Intoleranz und Vorurteil, durch das Hinweisen auf die Staaten Frankreich und Holland: wir kämpfen nicht gegen Menschenrechte, sondern gegen Menschenhass; es ist nicht unsere Schuld, dass sich die Emanzipation der Juden in Deutschland verzögert, sondern die ihrige, und zur Ehre rechnen wir es uns an, dass wir in dieser Sache gründlicher zu Werke gehen, als unsere Nachbarn!

Wann aber wird die Zeit kommen, in welcher sich die Juden zu einer derartigen Reform entschließen? Sie haben es gelesen, meine Herren, dass eines der ersten jüdischen Bankierhäuser den Geschäftsverkehr mit einem Glaubensgenossen abgebrochen hat, der für eine solche Reform in einer Familie einen wichtigen Schritt unternahm. Wer hätte geglaubt, dass man in unserer Zeit noch so Etwas wagen, aus solchen Gründen gegen alle Rechte des Handelsverkehres einen Mann den Betrieb seines bürgerlichen Geschäftes zu erschweren beabsichtigen könnte! Und wenn nun dieses Haus mit einem Glaubensgenossen, der sich dem Geiste des Jahrhunderts fügt, seine Handelsverbindungen abbricht: sollten auf eine solche Demonstration hin nicht alle Denkenden Europas auch ihrerseits mit diesem Hause kein Geschäft mehr haben wollen? Sieht man doch überhaupt nicht ein, warum die Völker bei allen Staatsanleihen gleich von vorne herein einige Prozente an die jüdische Geldaristokratie abgeben müssen, warum die Regierungen in dieser langen Friedenszeit, wo überall Geld auf Gelegenheit zur Anlage wartet, ihre Papiere nicht direkt ausgeben!

Reichtum ist seit alten Zeiten in den Augen der Mehrheit der Juden die vortrefflichste Eigenschaft eines Menschen; Wer reich ist, ist „groß,“ ein Beispiel ist von mächtigem Einfluss. Wenn sich von Seiten der reichsten jüdischen Familien die Verfolgungssucht gegen religiöse Neuerungen heut zu Tage noch bis auf den bürgerlichen Verkehr erstreckt; so werden wohl noch Jahrhunderte vorübergehen, bis man auf einen gemeinsamen Schritt der Hebräer zu einer Reform des Judentums rechnen dürfte. Nur Eines bleibt den Denkenden dieses Volkes in unseren Tagen übrig: ein förmliches Ausscheiden von den starrgläubigen Alten, die Gründung einer reformierten Konfession, die aber auch den Namen des Judentums*), da er eine politische Scheidung kund gibt, nicht mehr tragen dürfte. Wahrlich, diese wenn auch wenigen wahren Freunde eines zeitgemäßen Fortschrittes, von den Alten gehasst und verfolgt, in ihren Bestrebungen auf jene mögliche Weise gehemmt und selbst bei den Behörden verleumdet, sie verdienen die aufrichtigste Teilnahme und Unterstützung aller Menschen, die es mit dem Fortschritte unseres Geschlechtes wohl meinen! Sie, die ich oft im Stillen um Entschuldigung bitte, dass ich gegen eine Genossenschaft zu Felde ziehen muss, an welcher sie unschuldig sind, der sie aber gleichwohl noch angehören, sie, die ich achten muss als unbefangene Männer, die berufen scheinen, dem Fortschritte dieser Zeit in religiöser Erkenntnis eine konfessionelle Bahn zu brechen, sie werden meine Absicht gewiss nicht verkennen, die, fern von Persönlichkeiten und vorgefasster Meinung, nur das Wahre und Gute im Auge hat!

*) Es würde etwa die Bezeichnung „reformierter Jehovismus“ anzunehmen sein. Der Name „Mosaismus“ wäre nicht gut gewählt, da die mosaischen Bücher nicht von Mose herrühren und eben ihr eigentliches Wesen, der jüdische Partikularismus und der Formen - und Opferdienst, abgeschafft werden soll.

Diese Überzeugung einer guten Absicht, die mich diesen Kampf beginnen hieß, ich darf sie auch bei Ihnen voraussetzen, Hochzuverehrende Herren! sie allein nur ließ mich es wagen, diese Zuschrift an Sie zu richten.

                  Nürnberg, im März 1844
                                    Dr. Ghillany

Das Judentum und die Kritik Cover

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Das Judentum und die Kritik 2

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Das Judentum und die Kritik 3

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