Nachschrift

Erlauben Sie mir nun in einer Nachschrift, Ihnen einige Notizen über mein Wirken zuzusenden. Ich habe Ihnen Anfangs des Jahres mitgeteilt, dass die Boards meiner Gemeinden, deren eifriges Zusammenwirken und deren guten Willen ich nicht rühmend genug anerkennen kann, auf meine Veranlassung sieben Komité's zur Organisation der verschiedenen notwendigen Anstalten errichteten. Dieselben haben nun größtenteils ihre Arbeiten mit mir beendigt. — Die Konfirmation ist in meinen Gemeinden eingeführt. Der Unterricht wird immer von Chanuka bis Schewuos von mir erteilt, und am vergangenen Schewuos sind 16 Knaben und Mädchen konfirmiert worden. Die Feier war nach der Aussage sämtlicher Anwesenden — die auf 1.500 Personen sich beliefen — eine der ergreifendsten, die sie je gesehen, und diese Einrichtung hat, so Gott hilft, festen Fuß gefasst. — Das zweite Komité arbeitete an einer bessern Ordnung im Gotteshause. Es sind hierfür einstweilen die ersten Schritte getan, und sämtliche Anordnungen auf die entsprechenden Stellen im Kodex Arach-Chajim begründet. Die Bekanntmachung hierfür lautete: 1) Jeder, der in die Synagoge kommt, hat ruhig und stille sich an seinen Platz zu begeben(Kap. 93, K. 2, Kap. 95, Kap. 151. §. 1). 2) Jeder sitze mit Anstand auf seinem Platze, und erinnere sich, dass er im Gotteshause sich befindet, in dem jedes unanständige Sitzen und Bewegen eine Sünde ist (Kap. 95. §. 3 Türe sahof). 3) Das Sprechen mit Anderen während des Gottesdienstes ist streng untersagt (Kap. 51. K. 4, Kap. 56. K. 1, Kap. 68. §. 1, Kap.124. K. 7, Kap. 146. S. Z, Kap. 151, §. 1). 4) Das laute Beten, besonders das Borschreien und Vorsingen ist strengstens verboten (Kap. 101. KK. 2. 3, Kap.125. K. 1). 5) Das Hinausgehen während des Gottesdienstes werde so viel als möglich vermieden. Wer hinausgeht und wieder hereinkommt, tue es mit Stille und Anstand (Kap. 132. 2. Kap. 146. K. 1). 6) Die Gemeinde hat bei folgenden Gebeten während des Morgengottesdienstes am Sabbat zu stehen: bei den ersten . . . bei . . . bei . . . bis . . . ; bei . . . ; bei den . . . ; beim Aus- und Einheben; bei . . . ; bei dem Gebet für das Land und dessen Behörden; beim . . . Benschen; bei jedem . . .; bei . . . bei . . . ) Kinder unter vier Jahren dürfen der Störungen halber, die sie verursachen, nicht in die Synagoge gebracht werden (Kap. 98. 8. 1, Kap. 124. §. 13). — Diesen Anordnungen konnten die Alten sich leicht fügen, da sie auf das Gesetz gegründet sind, und mussten den Neueren genügen, da sie Ordnung beim Gottesdienste herstellten, zugleich aber ihnen die Möglichkeit benahmen, nicht im Gesetze begründete Neuerungen zu fordern. Es ist meine Ansicht, dass bei den verschiedenen Meinungen, die in jeder Gemeinde herrschen, der Rabbiner nur dann fertig und alle zufrieden stellen kann, wenn er alle seine Anordnungen auf das Gesetz gründet. Mit dem Kodex in der Hand kann er getrost den Alten zurufen: So weit müsst ihr gehen; kann er getrost den Neueren erwidern: So weit dürft ihr gehen. Sobald er sich auf eigene Spekulationen verlässt, ist die Teilung gewiss und des Streites kein Ende. Und meine Gemeinden sind an diese Ordnung jetzt auch größtenteils schon gewöhnt; bei den angeführten Stellen stehen Alle, sonst sitzt die ganze Gemeinde.— Ich predige an jedem Sabbate und jedem Feiertage, und zwar immer nach dem Gottesdienste, damit die Glieder der anderen Synagogen, in denen ich an dem treffenden Sabbate beim Gebete nicht gegenwärtig bin, zur Predigt kommen können. Nach der Predigt wird vom Kantor und der Gemeinde immer der . . . gesungen. Und erst nach tiefem Schlussgesange geht die Gemeinde auseinander. — Über den Gesang in der Gemeinde habe ich Folgendes zu bemerken: Wir haben die Einrichtung getroffen, dass die Stellen, die anderswo vom Chor gesungen werden, in meinen Synagogen von der ganzen Gemeinde im melodischen Rezitativ vorgetragen werden. Denn ich befürchte, dass bei der Länge des jüdischen Gottesdienstes die Gemeinde indifferent werden oder sich langweilen müsse, wenn sie zwei bis drei Stunden lang kein lautes Wort beten, und nur dem Chasan und Chor zuhören darf. Wir haben uns überzeugt, dass ein Jeder mit Freude immer wartet, bis ein . . . , ein . . . kommt. Und dass die Gemeinden es jetzt schon sehr gut und sehr andächtig anstimmen. Diese sind die ersten Schritte zur Ordnung des Gottesdienstes. —

In Betreff der Trauungen hat das Komité festgesetzt, dass, weil hier die Leute von den verschiedensten Gegenden zusammenkommen, sie Niemand kennt und leicht unerlaubte Heiraten stattfinden könnten, dass jedes Brautpaar vorerst beim Rabbiner und dem Präsidenten der Synagoge, in der es getraut sein will, um die Erlaubnis zur Trauung anhalten muss; dass dieselbe dann am . . . vorher in allen Synagogen des Rabbinats verkündet wird (das ist kein . . . nach Jore dea Kap. 198); und dass die Trauungen, mit nur wenigen Ausnahmen in den Synagogen stattfinden müssen. Die Trauungen selbst finden auf der . . . statt, an der die . . . festgemacht ist, damit die Störungen, die die zulaufende Menge früher immer verursachte, vermieden werden. Die . . . sind auch eingeführt, und werden entweder von den hier anwesenden Brüdern gleich unterschrieben, oder nach Deutschland etc. zur Unterschrift geschickt, damit, weil die Brüder gewöhnlich nachkommen, in vorkommenden Fällen keine Schwierigkeiten entstehen. —


Eine Organisation für die . . . und den Verkauf des Koscherfleisches wurde von den Gemeinden ebenfalls angenommen. Sie besteht aus 3 Kapiteln: 1) Schochtim, 2) die jüdischen Metzger, 3) die christlichen Metzger; und obwohl leider noch immer Fälle vorkommen, die beweisen, wie tief das Übel eingenistet war, so lässt sich doch hoffen, dass bei der Strenge, mit der die Boards diesen Gegenstand überwachen, in kurzer Zeit auch dieser hochwichtige Punkt in die erwünschte Ordnung gebracht sein wird. —

In Betreff der Sterbefälle ist festgesetzt, dass kein Toter vor 24 Stunden begraben werden darf und ein Jeder, der für den Verblichenen eine Grabrede verlangt, kann dieselbe erhalten. — Am letzten . . . installierte ich ein . . . aus Männern, die unentgeldlich und freiwillig ihre Dienste mir dazu anboten; es sind: der Rabbine von Albany und Syracuse, Herr Wise und DD. Felsenheld und Kohlmeyer. Ferne von der Anmaßung irgend einer geistlichen Gewalt, haben wir bloß allen jüdischen Gemeinden der Union, die keine Rabbinen haben, unsere Dienste angeboten; sind bereit, alle eingeschickten Fragen zu beantworten; bei der Errichtung von Gemeinden ihnen mit Rat und Tat an die Hand zu gehen; und durch Abfassung der nötigen jüdischen Schulbücher der Jugend so viel als möglich zu nützen. Es gilt übrigens als Grundsatz, dass wir uns Niemandem aufdrängen, nirgends unaufgefordert eingreifen, sondern überall die Anfragen etc. abwarten. Das ist nicht von den Gemeinden, sondern von dem Bedürfnisse, das wir anerkannten, ausgegangen, dass den Gemeinden eine Behörde gegeben werden müsse, an die sie sich, wenn sie will, um die gesetzlichen Entscheidungen wenden könne. —

Das Hauptaugenmerk wendeten wir aber vom Anfange an der Schule zu, und, dem Herrn sei Dank, auch hierin war unser Bemühen nicht fruchtlos. Man erkannte es allgemein an, dass die Gemeinden noch zu jung und in ihren Mitteln noch zu schwach sind, um die Kosten tüchtiger Schulen bestreiten zu können. Jede Gemeindeschule hatte einen Lehrer, der oft Kinder von vier bis fünf verschiedenen Stufen zu unterrichten hatte. Es galt daher hierfür bessere Einrichtungen und besondere Mittel herbeizuschaffen. Nach mehreren Meetings wurde nun ein Schulverein gegründet, der von neun Direktoren und einem Inspektor (Dr. Lil.) geleitet wird. Die Mitglieder zahlen einen jährlichen Beitrag von 2 Doll., jedes Schulkind, die Armen ausgenommen, jährlich 7 Doll. Die Vereinsschule zählt jetzt drei Abteilungen mit 120 Kindern, zwei Lehrern und einem Präparanden, und wird, so Gott hilft, etwas Tüchtiges werden. Der Zweck derselben ist: Handels- und technische Schule, mit einem gründlichen Unterrichte in allen jüdischen Fächern. Die Handels- und technische Schule besteht aus drei Klassen mit 1 ½ jährigem Kursus eine jede; und zwei Elementarklassen; vorerst, da die Kinder noch zu jung sind, sind erst diese Letzteren geöffnet. Die Ansche-Chesed-Gemeinde hat schon seit zwei Jahren eine Schule mit zwei Lehrern und circa 80—90 Kindern. Sie hätten, da auch ihre Mitglieder zum Schulverein gehören, ihre Schule gern an den Schulverein übergeben, allein da dieser in seinen Mitteln noch zu schwach ist, um die Kosten derselben zu bestreiten, so behielt die Gemeinde vorerst, bis der Verein genug erstarkt ist, ihre Schulen auf eigne Kosten bei. So sehr die Vereinigung auch allseitig gewünscht wird, so ist es vorerst doch sehr gut, dass die A.-Gemeinde ihre Schule beibehielt, da die Lokale in verschiedenen Teilen der Stadt liegen und die Kinder dadurch Gelegenheit haben, die ihnen naher liegende Schule zu besuchen. — Seit dem letzten . . . übernahm ich auch den . . . der am Sonnabend Nachmittags in einer . . . der Gemeinde . . . gelernt wird, habe denselben aber so eingeteilt, dass in der ersten halben Stunde der . . . — das bekannte Werk über Moral, und in der zweiten die Geschichte des jüdischen Volkes von dem babylonischen Exil bis auf unsere Tage vorgetragen wird. Seitdem die letztere Einrichtung getroffen, wird der . . . von Männern der verschiedensten Farben besucht; sie nähern sich dadurch, und ich glaube damit den rechten Weg der Vermittlung und Versöhnung eingeschlagen zu haben. Der Herr gebe nur fernerhin Gelingen und dann werden die vereinigten deutschen Gemeinden bei dem guten Willen, der sie beseelt, bei der Leichtigkeit, mit der hier gespendet wird, vorwärtskommen, und die Gemeinden, Synagogen und Schulen in jeder Weise blühen. Concordia res parvae crescunt, sagt ein altes, wahres Wort, um wie viel mehr so große Gemeinden, die täglich wachsen. Ich hatte in diesem Jahre in denselben 100 Hochzeiten, 1 . . . , 2 . . . ohne Ende. Gott segne meine Gemeinden mit allen anderen Gemeinden Israels, auf dass Sein einig-einziger Name verherrlicht werde über alle Welt!
Ergebenst. Lilienthal, Chiefrabbi.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Juden und Jüdisches Leben in Amerika 1846