Professor Hermann Vámbéry

Professor Hermann Vámbéry

Sehr bekannt und geschätzt als Weltreisender und Orientalist ist der noch heute in Budapest lebende Professor für orientalische Sprachen Hermann Vámbéry. Er wurde 1832 zu Duna Szerdahelyi auf der Insel Schutt als Sohn armer jüdischer Leute namens Bamberger geboren.


Da der Vater kurz nach der Geburt des Kindes starb und somit der Ernährer fehlte, konnte die Mutter nicht allzu viel für den Knaben tun, ließ ihm die durchaus notwendigsten Schulkenntnisse der damaligen Zeit zuteil werden und gab ihn schon mit jungen Jahren zu einem Frauenschneider in die Lehre. Lange hielt der Knabe, dessen Bildungsdrang sich stark regte, hier nicht aus. Auch die zweite Stellung, in welcher er außer Stiefelputzen und Bedienen von Gästen auch den „Unterricht" des Gastwirtssohnes „leitete'', gab er rasch auf und ging mit seinem Ersparten — acht Gulden — nach St. Georgen (bei Preßburg). Hier gelang es ihm, nachdem aus dem Juden ein Protestant geworden war, durch Vermittlung wohltätiger Leute, in das Gymnasium zu kommen, wo er bald einer der tüchtigsten Schüler war. Aber auch hier blieb er nur zwei Jahre; sein Wandertrieb, der schon in dem jungen Knaben wach wurde, trieb in nach Preßburg, wo er durch alle möglichen Dienstleistungen sein Brot verdiente, nach Wien, Prag und vielen anderen Städten Österreich-Ungarns, wo er stets gute Menschen traf, die die Anlagen des Knaben erkannten und ihm weiterhalfen. Inzwischen hatte er seinen Selbstunterricht besonders in den verschiedenen Sprachen so fleißig fortgesetzt, dass er schon mit 15 Jahren außer dem in der Schule erlernten Latein auch fließend französisch, deutsch, magyarisch und slovakisch sprechen konnte. Seine Lernbegierde wurde stärker, als er die Klassiker der verschiedenen Sprachen im Original lesen konnte, und zugleich wuchs auch beim Lesen von Schilderungen aus dem Orient die Sehnsucht nach diesen Ländern. Den ersten Schritt zur Erfüllung dieses Wunsches sah er im Erlernen der orientalischen Sprachen, und so fing er denn an, Türkisch und Arabisch zu lernen. Durch einen günstigen Zufall wurden seine Reisepläne verwirklicht. Er lernte den Freiherrn Joseph V. Eötvös kennen, der ihm durch seine Fürsprache die Mittel zur Reise bis zum Schwarzen Meer verschaffte, und so trat Vámbéry 1854 die Reise an.

Mit einigen Kreuzern in der Tasche kam Vambery am Bosporus an und fand für einige Tage bei einem Landsmann Unterkunft. Seine Sprachkenntnisse verschafften ihm bald Schüler, und schließlich wurde er Erzieher im Hause des Divisionsgenerals Hussein Daim Pascha, wo er sich mit den Gebräuchen und Sitten der Türken genau bekannt machte. Bei Ahmed Effendi, dem Mollah von Bagdad, lernte er viel vom Persischen und Arabischen, und nachdem er sich in seinem Wesen fast ganz in einen Mohammedaner verwandelt hatte, trat er als Sekretär in die Dienste Fuad Paschas. In der Zeit seines Konstantinopeler Aufenthaltes hatte er ungefähr 20 orientalische Sprachen und Dialekte erlernt und mehrere sprachwissenschaftliche Werke veröffentlicht. Damals hatte die ungarische Akademie, deren Mitglied Vambery inzwischen geworden war, schon verschiedene Versuche gemacht, die Ursprünge des magyarischen Volkes und die Verwandtschaft seiner Sprache mit anderen finnischen Idiomen festzustellen; nie war es gelungen. Da erbot sich Vámbéry 1860 zu diesem Zweck eine Reise in das von Europäern noch nie betretene zentrale Asien zu machen. Da er richtig voraussetzte, dass es für ihn als Europäer eine Lebensgefahr sei, in diesen Gegenden zu reisen, verkleidete er sich als mohammedanischer Derwisch, was allerdings wegen seiner europäischen Gesichtsbildung auch nicht immer ungefährlich war. Zunächst begab er sich nach Teheran, um von dort über Mesched und Herat nach Mittelasien zu gelangen. Da jedoch gerade der Krieg zwischen Sultan Achmed Khan und Dost Mohammed Khan wütete, blieb er vorläufig in Teheran. Lange behagte ihm das Warten jedoch nicht, und so schloss er sich 1863 einer Karawane von Mekkapilgern an, die zum Kaspischen Meere und von da nach Aschura und Gömüschtepe, einem Turkmenenlager an der Mündung des Görgen, zog. Hier, in Gömüschtepe, konnte er nun interessante Studien über die Verhältnisse und Sprachen der Turkmenen machen, und da die Karawane auch die Reise durch die große Wüste nach Khiwa machte, hatte er Gelegenheit, die Großartigkeit der Wüste kennen zu lernen. Auf dieser Reise geriet er in die Gefahr, entdeckt zu werden, nur seine Geistesgegenwart rettete ihn wie so oft auch dieses Mal, und es gelang ihm sogar, in Bokhara, wohin sie sich dann wandten, die islamitischen Geistlichen zu täuschen und sich das Ansehen eines türkischen Hadschi zu verschaffen. Nach 22tägigem Aufenthalt in Bokhara, währenddessen er dieses „Rom des Islams" genau studierte, ging die Reise nach Samarkand, wo er den aus einem Kriege heimkehrenden Emir von Bokhara traf und täuschte. Seine Absicht, noch weiter nach Osten vorzudringen, musste er, weil die Umstände es nicht gestatteten, aufgeben, und so kehrte er über Karschi, Marzmene und Herat, wo er wieder fast entdeckt worden wäre, nach Teheran zurück.

In Europa, wo seine gefahrvolle Reise bereits bekannt worden war, wurde Vámbéry natürlich Gegenstand allseitiger Bewunderung und Achtung. Er schlug jedoch einen Lehrstuhl der Universität Oxford aus und wurde Professor an der Universität zu Budapest, wo er 1863 als Lehrer für Orientalische Sprachen angestellt wurde. Er veröffentlichte noch viele sprach- und volkswissenschaftliche Werke, Sein Hauptverdienst jedoch ist sicherlich der Bericht über seine Reise in Mittelasien, aus dem man zum ersten mal etwas über die Bevölkerung, Lebensweise, Handel, Industrie usw. jener Gegenden erfährt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Juden als Erfinder und Entdecker