David Schwarz

David Schwarz

Der Eindruck, den das neu erfundene Automobil auf die Menschen macht, ist von der Wirkung, die das Luftschiff auf sie ausübte, um ein Vielfaches übertroffen. Und wahrscheinlich wird auch die verkehrsumwälzende Bedeutung der Luftschifffahrt eine weit mächtigere und durchgreifendere werden. Aber auch hier, gerade so wie dort, wird nicht der Name desjenigen genannt, dem der Ruhm gebührt, und zwar deshalb nicht, weil der Träger dieses Namens durch äußere Umstände verhindert war, seine Erfindung in der richtigen Weise zu verwerten. Die ungeheure Energie und Kühnheit des Grafen Zeppelin soll ja nicht bestritten, die Selbständigkeit seiner ersten Pläne nicht angezweifelt werden. Aber ebenso steht nachweislich fest, dass schon lange vorher der jüdische Ingenieur David Schwarz ein Luftschiff des starren Systems gebaut und vorgeführt hat. Die ersten von Zeppelin der Prüfungskommission vorgelegten Pläne und das ihm für die Erfindung ausgestellte Patent datieren aus den Jahren 1894 bzw. 1895, und sprechen weder von einem Aluminiumgestell — dem Prinzip des starren Systems — noch von einer Verbindung der beiden Gondeln durch einen Gang. David Schwarz jedoch hatte schon in den achtziger Jahren den Gedanken gefasst, ein lenkbares Luftschiff aus starrem Stoffe zu bauen und hatte zu diesem Zweck, oft als Arbeiter verkleidet, in verschiedenen Aluminiumfabriken Studien getrieben. Im Jahre 1890 legte er seine Pläne dem österreichischen Kriegsministerium vor, wurde jedoch hier abgewiesen — angeblich, weil der österreichischen Regierung die nötigen Geldmittel fehlten. Nun versuchte Schwarz in Russland sein Glück, wurde russischer Regierungsingenieur und baute 1892 sein erstes Luftschiff in Petersburg. Aber auch hier kam es zu keinem Aufstieg, da schlechtes Material geliefert worden war und der Ballon deshalb nicht mit Gas gefüllt werden konnte. Inzwischen war man aber in Berlin aufmerksam geworden, und als Schwarz seine Projekte eines Aluminiumballons von 80 m Länge und 12 m Breite der deutschen Militärbehörde einreichte, wurden seine Pläne gebilligt. Er erhielt die Versicherung, dass ihm bei erfüllten Erwartungen der Ballon für 300.000 M. abgekauft werden würde. Noch hatte er jedoch keine Erlaubnis, einen Aufstieg zu unternehmen. Endlich, am 13. Januar 1897, wurde er telegraphisch zu einem Probeflug nach Berlin berufen. Das Telegramm erreichte ihn auf der Straße. Doch da ereilte ihn auch ein tragische Geschick. Die Freude, jetzt endlich der Welt zeigen zu können, was er in jahrelanger Arbeit geschaffen hätte, war zu groß. Sie tötete ihn. Vom Herzschlag getroffen, sank er auf der Straße um und starb.


Dass Graf Zeppelin, der sich in einem 1911 an Maximilian Harden, den Herausgeber der „Zukunft“, gerichteten Briefe, gegen die Behauptung verwahrt, irgendwelche Anregungen für den Bau seiner Luftschiffe von Schwarz erhalten zu haben, doch auf dessen Erfahrungen und Erfindungen weitergearbeitet hat, geht aus den Ereignissen hervor, die dem Tode des unglücklichen jüdischen Ingenieurs folgten. Seiner Witwe, Frau Melanie Schwarz, wurden auf Befehl des Deutschen Kaisers die Vorarbeit und Demonstration des Schwarzsehen Ballons anvertraut, und das Luftschiff stieg am 3. November 1895 in Anwesenheit des Grafen Zeppelin auf dem Tempelhofer Felde auf, wurde jedoch bei zu rascher Landung zerstört, da die Führung einem unerfahrenen jüngeren Maschinisten übertragen worden war, während man sie den Offizieren verboten hatte. Jetzt, erst nach diesen Ereignissen, schritt Zeppelin zum Bau des ersten Luftschiffes, wobei er das Aluminium und die Propeller aus der gleichen Fabrik wie Schwarz bezog. Interessant sind auch die beiden Verträge, welche am 10. Februar 1898 zwischen Frau Schwarz einerseits und Graf Zeppelin und Kommerzienrat Berg-Stuttgart andererseits geschlossen wurden. Hiernach bekam Herr Berg das Recht, über die „ihm mit den Schwarzschen Erben gemeinschaftlich gehörigen patentierten und nichtpatentierten Erfindungen" in Deutschland frei zu verfügen, während Zeppelin seiner „Gesellschaft zur Förderung der Luftschifffahrt'' um den Preis der Verpflichtung, die Erben des Erfinders entschädigen zu lassen, Schwarzens „Erfindungen und Erfahrungen" durch Vertrag gesichert hat. Daraus geht klar hervor, dass der Erfinderruhm des lenkbaren Luftschiffes eigentlich Schwarz gebührt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Juden als Erfinder und Entdecker