Abraham Schreiner

Abraham Schreiner

Bei der Vergesslichkeit, die heute in der großen Menge vorherrscht, soweit es die Taten und Leistungen jüdischer Männer betrifft, ist es auch angebracht, den Namen des Mannes zu nennen, dem Osteuropa die Entdeckung des Petroleums zu verdanken hat. Zwar ist der Streit noch nicht endgültig entschieden, ob man die Priorität der Entdeckung den Amerikanern, die 1854 das erste Petroleum erzeugten, oder dem Juden Abraham Schreiner, der schon 1853 dasselbe getan hat, zugestehen soll; soviel ist aber jedenfalls sicher, dass er in Europa der erste war, der unter Mühen und Entbehrungen das erste Petroleum herstellte und in den Handel brachte. Erst 50 Jahre ist es her, seit der heute fast unbekannte jüdische Kaufmann die für die ganze Welt damals so wichtige Entdeckung machte, und doch ist es, wenn man seine Lebensgeschichte hört, wie eine Erzählung aus alten, uns schon völlig fremden Zeiten.


Schreiner erblickte in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Galizien das Licht der Welt, wurde Kaufmann und besaß später eigenes Land in der Gegend von Boryslaw, wo sich auch sein Geschäft befand. Auf diesem Grundstück fanden sich in Vertiefungen des Bodens viele teerartige fette Massen, die von den umwohnenden Bauern zu Umschlägen bei Geschwülsten, Wunden, überhaupt zu Heilzwecken für Menschen und Tiere angewendet wurden. Auch Schreiner, der das anfangs nur für Einbildung und Unsinn gehalten hatte, überzeugte sich schließlich von der Heilkraft des fetten, öligen Bodens, und, aufmerksam gemacht, stellte er verschiedene Versuche mit der merkwürdigen Erdmasse an, um die in ihr vorhandene Flüssigkeit auch anders zu benutzen. Er kam auf die Idee, die Flüssigkeit durch einen porösen Körper aus der Erde aufsaugen zu lassen und dann zu experimentieren; er formte also eine Kugel aus der schlammartigen, fetten Erde, zog einen der für Öllämpchen gebräuchlichen Docht hindurch und zündete diesen an. Das Resultat war eine große rote Flamme. Nachdem er so die erste, allerdings noch sehr primitive „Petroleumlampe“ konstruiert hatte — es handelt sich ja hier um das Prinzip und nicht um die Technik — stand er vor der viel größeren Schwierigkeit, ein Mittel zu finden, um die in der Erde vorhandene Flüssigkeit zu gewinnen. Das erste Resultat war die Folge eines instinktiven, halb zufälligen Handelns gewesen, jetzt musste Schreiner nachdenken, wie er zum Ziele gelangen könne. Als einfacher galizischer Jude hatte er nur die landesübliche Bildung genossen, wissenschaftliche Grundlagen fehlten ihm natürlich, und so war er eben nur auf selbständiges, eigenes Arbeiten angewiesen. Da ihm der Begriff des „Destillierens“ nur von der in Galizien sehr verbreiteten Kartoffelspiritusbrennerei her bekannt war, glaubte er, nichts ahnend, auch bei dieser Erdmasse analog verfahren zu können, stellte sich aus einem eisernen Topf einen Destillierapparat her, füllte ihn mit dem Schlamm und stellte ihn zum Destillieren über das Feuer. Natürlich explodierte der Topf und ging in tausend Scherben. Die brennende Masse ergriff den Entdecker und verbrannte ihn am ganzen Körper. Lange musste der arme Schreiner an den Folgen dieser Explosion leiden. Kaum geheilt, ging er jedoch von neuem an die Arbeit, und ruhte nicht eher, als bis er sich einen wirklichen Destillierapparat besorgt hatte. Von einem Apotheker ließ er sich den Gebrauch des Apparates genau erklären und versuchte die Destillation nun aufs neue. Diesmal mit Erfolg. Er erhielt eine schmutzig-farbene, stark riechende Flüssigkeit, die er in Flaschen füllte und als neues Beleuchtungsmaterial an Apotheken verkaufte. Bei dem mit ihm befreundeten Apotheker Nikolaus in Lemberg wurde das Destillat nun nochmals destilliert und gereinigt, bis man das farblose, klare Petroleum hatte, wie es heut im Gebrauch ist.

In kurzer Zeit verbreitete sich das neue Beleuchtungsmittel wegen seiner verschiedenen, heut ja allgemein bekannten Vorzüge überallhin. Die Kaiser-Ferdinand-Nordbahn-Gesellschaft in Wien führte es sogleich zur Beleuchtung der Signale ein, andere folgten rasch, und Schreiner ging daran, seine Petroleumgewinnung in großem Maßstab zu betreiben. Er bohrte Löcher in den Boden, in welchen sich das Wasser und das Petroleum sammelte, 1866 legte er den ersten Schacht an, kurz darauf mehrere andere. Eine Destillation und Raffinerie wurden gebaut. Da kam 1866 ein unerwartetes Unglück. Eine Feuersbrunst zerstörte die ganze mühsam errichtete Anlage, und Schreiner, der sein ganzes Vermögen in das Unternehmen hineingesteckt hatte, war plötzlich ein armer Mann geworden. Alt war er ebenfalls schon, Konkurrenz war überall, besonders von Amerika her, inzwischen entstanden, und es gelang ihm nicht, sich wieder emporzuarbeiten. Er starb am Ende des 19. Jahrhunderts in hohem Greisenalter als Inhaber eines kleinen Schnapsladens, von allen vergessen und verlassen. Entdeckerschicksal! Aber die Anerkennung, die er verdient und bei Lebzeiten nicht fand, soll ihm durch die Erinnerung an dieser Stelle gezollt werden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Juden als Erfinder und Entdecker