Professor Salomon Stricker

Professor Salomon Stricker

Salomon Stricker, 1834 zu Waag-Neustadti in Ungarn geboren, promovierte 1858 als Doktor der Medizin in Wien, nachdem er schon als Student zwei medizinische Arbeiten veröffentlicht hatte. Er wandte sich zuerst der Embryologie zu, ging dann aber zur Pathologie über, indem er als Assistent in das von Brücke geleitete physiologische Institut eintrat. Im Jahre 1865 machte er hier seine Entdeckung der Diapedesis, d. h. des Blutdurchtritts durch unverletzte Gefäße. Schon Galen hatte die Blutungsform per diapedesin angenommen. Da man jedoch am normalen Blutgefäß keine Poren feststellen konnte und nicht glaubte, dass die Blutkörperchen sich durch Poren, deren Durchmesser kleiner sei als ihr eigener, hindurchzwängen könnte, war diese Absicht ganz aufgegeben. Stricker gelang es nun, diese Tatsache zu beobachten, und seine darauf bezügliche Veröffentlichung erregte das größte Aufsehen. Nachdem er zwei Jahre Adjunkt für experimentelle Forschung an der Klinik von Oppolzer gewesen war, wurde er 1868 zum außerordentlichen Professor und zum Leiter des eigens für ihn gegründeten pathologischen Instituts ernannt. Jetzt folgten in kurzen Zwischenräumen seine „Studien", in welchen auch sein Angriff gegen Cohnheims Lehre von der „Entzündung und Eiterung“ erschien. 1872 wurde er ordentlicher Professor für allgemeine und experimentelle Pathologie. Da seine Vorlesungen stets sehr stark besucht waren, so dass es ihm nicht immer möglich war, die mikroskopische Demonstration allen Hörern zugänglich zu machen, führte er die Demonstration mittels Projektionsapparates in der Pathologie ein, wie wir sie heute noch in unseren Hörsälen haben. Strickers Ausdauer und Technik waren hervorragend. Als er seine Entdeckung der Zellteilung am lebenden Gewebe machte, brachte er zehn Stunden ununterbrochen am Mikroskop zu, um jede einzelne Phase des Vorgangs beobachten zu können. Um die Gewebe für feine Schnitte aus freier Hand geeignet zu machen, wandte er zuerst die Methode an, die Gewebe in Gummi oder Wachs zu härten und einzubetten. Noch viele andere Entdeckungen, die er oft gemeinsam mit seinen Schülern machte, haben seinen Namen berühmt gemacht. Die Histologie der Hornhaut ist ihm zu verdanken, da er feststellte, dass die Cornea aus einem verzweigten Zellsystem aufgebaut ist, in dessen Maschen sich die Grundsubstanz befindet. Die Kenntnis von der genauen Struktur der Zelle und der Zwischensubstanzen sowie die Feststellung, dass Zellen auch aus der Grundsubstanz entstehen können, ist sein Verdienst. Seine unter mühevollen Arbeiten aufgestellten Gesetze, wie „die Zellen vermehren sich auf Kosten der Grundsubstanz“ oder „die Gewebe kehren auf ihren Jugendzustand zurück'' sind für den modernen Mediziner, wie Kapsamer in seiner Biographie Strickers sagt, „geflügelte Worte" und seine Entdeckung des Vasomotorenzentrums für die Baucheingeweide, der gefäßerweiternden Nerven in den sensiblen Ischiadikuswurzeln und der Ursprünge der nervi accelerantes (beschleunigende Herznerven), sind ebenso hochbedeutend für den Fortschritt der Medizin wie die Entdeckung der anästhesierenden Wirkung des Kokains.


Gegen 500 Schriften sind von diesem genialen Forscher erschienen, der bis zu seinem 1898 erfolgten Tode in rastloser Arbeit seinen Studien oblag.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Juden als Erfinder und Entdecker