Professor Albert Neisser

Professor Albert Neisser

Albert Neisser wurde 1855 zu Schweidnitz (Schlesien) geboren, studierte in Breslau und Erlangen Medizin und wurde 1877 in Breslau zum Dr. med. promoviert. Zwei Jahre später ließ er sich in Leipzig nieder und habilitierte sich zugleich an der dortigen Universität als Privatdozent für Hautkrankheiten, aber schon 1882 verließ er seine Wirkungsstätte, um einem Rufe als außerordentlicher Professor und Direktor der Hautklinik nach Breslau Folge zu leisten. Nach einigen Jahren — er hatte sich inzwischen vom Judentum losgesagt — wurde er ordentlicher Professor und lebt als solcher heute in Breslau. Unter den vielen bedeutenden Arbeiten und Forschungen Neissers sind die beiden wichtigsten die Entdeckung des Lepra-Bazillus und des Gonokokkus, des Erregers der Gonorrhoe.


Ebenso wie die Syphilis, die in Ehrlich ihren Bezwinger gefunden hat, fraß die Gonorrhoe, über die man bis 1879 so gut wie nichts wusste, an dem Mark des Volkes, ohne in ihrer Verbreitung gehindert werden zu können. Solange man keine Ursachen kannte, vermochte man auch nichts gegen die unheimliche Vermehrung der an Gonorrhoe Erkrankten zu tun, bis die hervorragende Entdeckung Neissers einsetzte. Er wies den (von ihm benannten) Gonokokkus als den Erreger dieser Geschlechtskrankheit nach, zeigte die eigenartige Form und Lagerung dieser Mikroorganismen und gab den Weg an, auf welchem man eine Vernichtung dieser schädlichen Bakterien erreichen könnte. Jetzt war es möglich, eine vernünftige, energische Therapie in die Wege zu leiten, vor allem jedoch eine sichere Diagnose zu stellen. Es handelte sich sehr oft bei Gonorrhoe Verdacht nur um akute Entzündungsprozesse und andererseits wurde früher manche Gonorrhoe nur als einfache Entzündung angesehen, so dass eine genaue Differentialdiagnose einfach unmöglich war. Ebenso hatte man, wenn man von der Richtigkeit der Gonorrhoe-Diagnose überzeugt war, keine rechte Handhabe zur Bekämpfung, da man ja den Erreger, seine Eigenschaften und Lebensverhältnisse nicht kannte. Man tappte also im Dunkeln und versuchte Verschiedenes. Das alles hörte mit Neissers genialer Entdeckung auf. Da er die mikroskopische Untersuchung einführte und die Anordnung der Gonokokken genau beschrieb, war die Diagnose gesichert. Erkennt man nach entsprechender Färbung deutlich die „semmelförmig“ angeordneten Diplokokken, die das Protoplasma, die Hauptmasse der Eiterzellen ausfüllen und nur den Kern freilassen, dann muss man Gonorrhoe diagnostizieren und mit der entsprechenden Behandlung beginnen. Auch in der Behandlung war Neisser Pfadfinder. Er entdeckte die vernichtende Wirkung der Silberpräparate auf die Bakterien und führte die antibakterielle Behandlung mit diesen Präparaten ein. Auf diese Weise gelang es ihm, die akute Gonorrhoe als solche zu heilen und nicht zu einer chronischen werden zu lassen, was früher meistens eintrat und für die Nachkommen der Kranken unangenehme Folgen hatte, die dann auch meist zu spät als solche erkannt wurden.

Die Gonorrhoe ist allerdings auch heute noch eine im Volke weit verbreitete Krankheit, und es ist noch nicht gewiss, ob überhaupt eine sichere Heilung möglich ist; die Wege jedoch, welche allein dahin führen können, verdanken wir dem bedeutenden Breslauer Gelehrten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Juden als Erfinder und Entdecker