Ludwig Jacobsohn

Ein vielseitiger Forscher und Gelehrter, dem die medizinische Wissenschaft viele Neuerungen in Theorie und Praxis verdankt, war der schwedisch-jüdische Arzt Ludwig (Lewin) Jacobsohn. Er wurde 1783 zu Kopenhagen geboren, besuchte das deutsche Gymnasium zu Stockholm und kehrte darauf nach seiner Heimat zurück, wo er bis 1804 Medizin studierte. Zwei Jahre später wurde er Unterarzt an der ärztlichen Akademie, 1807 Dozent für Chemie, und 1807 — 1810 war er Tutor an der Königlichen Tierärztlichen Hochschule zu Kopenhagen. Nach der Beschießung Kopenhagens durch die Engländer, während welcher er als Militärarzt tätig gewesen war, nahm er seine Studien in der Medizin mit besonderer Berücksichtigung der vergleichenden Anatomie wieder auf und machte hier eine für die ärztliche Wissenschaft hochbedeutende Entdeckung, die für immer mit seinem Namen verknüpft ist.

Bei den höher entwickelten Säugetieren und beim Menschen ist der Stensonsche Gang, die Verbindung zwischen der Mund- und Nasenschleimhaut, dauernd offen. In diesen offenen Gang hinein erstreckt sich, wie Jacobsohn entdeckte, ein am Boden der Nasenhöhle zu beiden Seiten der Scheidewand gelegenes Organ, das heute unter dem Namen „Jacobsohnsches Organ“ bekannt ist. Es besteht aus einem blind endenden Schlauche und ist von einer besonderen Knorpelplatte umgeben. Die Wand des Schlauches hängt mit der Nasenschleimhaut kontinuierlich zusammen und zeigt genau dieselbe Struktur wie die Regio olfactoria (oberster Abschnitt der Nasenhöhle, Verbreitungsbezirk des nervus olfactorius, Geruchsnerven) der Nase. Auch ein zum Gaumen herabsteigender Ast des eben genannten Geruchsnerven endet in dieser Wand. Die Entdeckung dieses funktionell sehr wichtigen Organs (es hat hauptsächlich resorbierende Tätigkeit) wurde allerdings in der wissenschaftlichen Welt erst viele Jahre später durch den französischen Gelehrten Cuvier bekannt, der Ruhm der Priorität gebührt jedoch Jacobsohn, dem es in diesem Falle ging, wie vielen anderen Forschern vor und nach ihm.


Dem Namen Jacobsohn begegnen wir übrigens noch mehrfach in der Anatomie. So ist der wichtigste und erste Ast des elften Hirnnerven (des glossopharyngeus), der nervus tympanicus s. Jacobsohni (auch als Jacobsohnsche Anastomose bezeichnet) in seinem genauen Verlauf von Jacobsohn gefunden und verfolgt worden. Das wesentliche dieser Entdeckung liegt darin, dass Jacobsohn den Lauf dieses Nerven bis in die Paukenhöhle (Gehörorgan) verfolgt hat und die Versorgung dieser letzteren durch sensible Zweige des nervus tympanicus nachwies.

Beide hier angeführten Entdeckungen sind wie die meisten auf theoretisch-medizinischem Gebiete liegende Entdeckungen in ihrer ganzen Bedeutung eigentlich nur dem Mediziner verständlich, aber auch der Laie wird sie wohl zu würdigen wissen, wenn er sich das schwierige, subtile Gebiet der Anatomie mit seinen peinlich-genauen Untersuchungen und Forschungen vorstellt. Praktischer und daher verständlicher sind die anderen, technischen Erfindungen, die Jacobsohn neben seiner wissenschaftlichen Arbeit machte. Seine besten Leistungen auf diesem Gebiete sind der „Lithoklast'', ein Instrument zur Zerquetschung von Blasensteinen, das jedenfalls dem später sehr verbreiteten „Écraseur'' von Chassaignac zum Vorbild diente und der Apparat zum Aufhellen des arteriellen Blutstromes.

Jacobsohn wurden mannigfache Ehrungen zuteil. So erhielt er u. a. die goldene Medaille für eine Arbeit über das Venensystem der Vögel und die Nieren der Reptilien — er fand also auch noch Zeit zu wissenschaftlich-literarischer Betätigung. Die Kieler Universität ernannte ihn zum Doktor honoris causa. Die Akademie der Wissenschaften verlieh ihm 1833 einen Preis von 4000 Frcs.

Jacobsohn starb 1843 in Kopenhagen als Opfer seines Berufs, infolge Infektion an Typhus abdominalis.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Juden als Erfinder und Entdecker