Geheimrat Dr. Paul Ehrlich

Excellenz Geheimrat Dr. Paul Ehrlich

Kein Mediziner hat in den letzten Jahren die Popularität und wohlverdiente Anerkennung seitens aller Stände und Bildungsstufen erlangt wie Paul Ehrlich, der Entdecker des „Salvarsans“, des Heilmittels gegen Syphilis. Ehrlich wurde 1854 zu Strehlen in Schlesien geboren, studierte in Breslau und Straßburg Medizin, wurde 1878 zum Dr. med. promoviert und war bis 1885 Assistent bei v. Frerichs. Später wurde er Assistent an der 2. medizinischen Klinik unter Gerhardt und 188Q Privatdozent an der Berliner Universität, nachdem er bereits 1885 zum Titularprofessor ernannt worden war. 1890 trat er in das von Koch geleitete Institut für Infektionskrankheiten ein, wurde 1891 Extraordinarius und übernahm 1896 die Leitung des damals begründeten Instituts für Serumforschung und Serumprüfung, das 1899 nach Frankfurt a. M. verlegt wurde. Diese Stellung hat der Forscher heute noch inne.


Ehrlichs erste Arbeiten erstrecken sich auf das Gebiet der klinischen Histologie und zeigen das Bestreben, eine rationelle mikrochemische Farbenanalyse mit Hilfe der systematischen Anwendung von Anilinfarben zu erzielen. Außer seiner Lehre von den verschiedenen Färbungen der Leukozyten (weiße Blutkörperchen), die er in basophile, acidophile und neutrophile einteilte, fand er die Granulationen der Phagozyten (Mastzellen), ferner die für die Typhus-Diagnose sehr wichtige Diazoreaktion, wies die Säurefestigkeit des Tuberkelbazillus nach und führte das Methylenblau in die Therapie (bei Malaria) ein. Als Mitbegründer und Mitarbeiter der Behringschen Serumtherapie leistete er viel, sein größtes Werk aber, das ihm die größte Anerkennung und allgemeine Popularität brachte, ist die Entdeckung des Salvarsans, oder wie es früher hieß, „Ehrlich Hata 606“. Wie schwer die Syphilis, jene dunkle unheimliche Krankheit, am Volke nagt, weiß jeder, der sich jemals auch nur entfernt mit diesem schrecklichen Gespenst beschäftigt hat. Seit alten Zeiten schon versuchten die Menschen sich gegen sie zu schützen, aber kein Mittel half wirklich, oder so, dass nicht ebenso gefährliche Nebenerscheinungen an Stelle der kaum vertriebenen Krankheit auftraten. In den letzten Jahren hatte man sich an die Quecksilberbehandlung geklammert, doch die unangenehmen Folgen, die in Darmkoliken und Schwellung des Zahnfleisches bestanden, sowie die Tatsache, daß doch ein wirklicher Erfolg für immer nicht zu erzielen war, machten eine andere Behandlung erwünscht. Schon früher hatte man Arsenpräparate genommen, aber bei der oft beobachteten nachteiligen Wirkung auf den Sehnerv bald wieder aufgegeben. Da entdeckte Ehrlich 1910/11 ein Arsenpräparat, das nach den bisherigen Erfahrungen als das einzig wirksame und zugleich unschädliche Mittel erkannt worden ist. Allerdings traten und treten noch heut nach Salvarsan-Einspritzungen verschiedene Nebenerscheinungen auf, welche die Ursache mancher Angriffe auf das neue Mittel waren, aber diese Nebenwirkungen, die meist nur in Temperatursteigerungen, vorübergehenden Blutdruckschwankungen, selten jedoch in Störungen der Organe bestehen, können im Verhältnis zu der fast wunderbaren Wirkung nicht in Rechnung gestellt werden. Diese Wirkung äußert sich in dreifacher Weise: Erstens darin, daß die Spirochäten (die Krankheitserreger) in primären oder sekundären Produkten verschwinden, zweitens die mit Syphilis verbundenen manifesten Erscheinungen vorübergehen und drittens die Wassermannsche Reaktion negativ wird. Und zwar verschwinden die Spirochäten fast immer schon vierundzwanzig Stunden nach der ersten Injektion, während die oft am Körper auftretenden Erscheinungen mehr oder weniger rasch, in der Regel schon nach kurzer Zeit, geheilt werden, wobei der Heilungsprozess besonders auffallend rasch bei Erkrankungen der Schleimhaut zu beobachten ist. Was das Verschwinden der Wassermannschen Serumreaktion betrifft, so ist darüber die Stimmung heute allerdings noch verschieden.

Bei den mannigfachen Arten der Technik und Dosierung, die heute überall zur Anwendung kommen, lässt sich über den Einfluss einer Salvarsan-Injektion auf die endgültige Heilung noch nichts Bestimmtes sagen. Dass eine einzige Injektion noch keine endgültige Beseitigung der Reaktion, also viel weniger der Syphilis, herbeiführt, ist wohl ziemlich sicher, aber ebenso steht die Tatsache fest, daß eine einzige Injektion wohl genau denselben Einfluss auf die Heilung hat, wie eine ganze Quecksilberkur. Der Fortschritt ist also für jeden klar ersichtlich. Denn da das Mittel gefunden ist, das eine solche Wirkung auf die Spirochäten, die luetischen Produkte und die Serumreaktion ausübt, ist jetzt die Wahrscheinlichkeit eine viel größere, daß man bei einer Etappenbehandlung (in größeren Zwischenräumen durchgeführte, aus 1—2 Injektionen bestehende Kuren) eine Dauerheilung erzielen kann. Dass dabei die veralteten Fälle von Syphilis viel weniger Chancen bieten als die frischen, ist eigentlich ganz selbstverständlich; in frühen Primärstadien ist es sogar schon zuweilen gelungen, die Krankheit durch eine einzige Injektion zu beseitigen.

Hoffentlich gelingt es dem genialen Forscher in Frankfurt a. M., sein bedeutendstes Werk noch zu verbessern und die Wohltat, die er mit dem Salvarsan der Menschheit erwies, zu erhöhen. Das Judentum aber kann auf diesen Sohn um so stolzer sein, als er trotz äußerer Anfechtungen Jude blieb und als solcher sich durchsetzte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Juden als Erfinder und Entdecker