Wir lernten gutmütige Baschkiren kennen

Wir lernten gutmütige Baschkiren kennen

Wir fuhren in mäßigem Trabe den Tag hindurch, bis wir gegen Abend ein Dorf erreichten, wo wir einquartiert wurden. Hier lernte ich die ganze Gutmütigkeit des Baschkiren kennen, der den Transport kommandierte. Jeden Schlitten fuhr er selbst ans Haus, half jedem Gefangenen aussteigen, führte jeden in die Stube, und schärfte dem Bauer streng ein, ihn gut zu verpflegen. So benahm, er sich täglich gegen uns, so lange wir das Glück genossen, ihn zum Trausportkommandanten, zu haben. So hässlich sein Äußeres war, so schön war seine Seele. Welch ein Unterschied zwischen dem edlen Gemüt dieses plattnasigen, großohrigen, kleinäugigen, kahlköpfigen Baschkiren, und der Grausamkeit und gänzlichen Fühllosigkeit des wohlgebildeten Russen. Doch gab es auch unter den Russen Ausnahmen, und ohne ungerecht und einseitig zu urteilen, kann man sie nicht allgemein als herzlos verdammen. Sie waren durch ihre Obrigkeit so sehr gegen Napoleon und alle seine Truppen erbittert worden, das sie in ihm nur einen Räuberhauptmann, in uns nur Mörder und Spitzbuben sahen, die man vertilgen müsse, wie wilde Tiere. Hierzu kommt die sklavische Behandlung, die sie selbst zu erleiden, haben, wodurch sie ganz verwildert sind. Sie haben die Menschenwürde selbst nie gefühlt, und wissen sie also auch bei andern Völkern nicht zu ehren. Was war von den Gemeinen zu erwarten, da selbst Vornehme, hohe Beamte, Edelleute, und hohe Offiziere nicht selten die empörendste Herzensrohheit bewiesen.


Als wir eines Abends wieder ins Quartier kamen, empfing mich der Bauer mit dem schönen Gruß: Du Schwein, warum hast Du Gesicht und Hände nicht gewaschen? Dieser Gruß, aus dem Munde eines Kerls, der in der Schweinerei geboren und erzogen war, ärgerte mich nicht wenig, zumal da er recht hatte. Denn wirklich sah ich von dem Ruß auf dem Ofen, wo ich so lange gelegen hatte, sehr schmutzig aus. Aber alles Gefühl für äußere Eleganz war uns Armen schon längst vergangen. Wem das Leben selbst schon zur Bürde geworden ist, der kümmert sich nicht mehr wie er aussieht. Auch hatte ich mit schlimmeren Übeln, als den Schmutz, zu kämpfen. Doch wirkte des Bauers Grobheit so viel auf mich, dass ich mir vornahm, mich sogleich zu reinigen, wenn ich an den Ort unserer Bestimmung angelangt wäre. Die Geschwulst meiner Füße hatte nun so sehr überhand genommen, und verursachte mir so empfindliche Schmerzen, dass ich laut jammerte und wehklagte. Der bauer fragte, was mir fehle, und als ich ihm meine Füße gewiesen, ging er hinaus, kam mit einem hölzernen Gefäß voll Schnee wieder, stellte mir die Füße tief hinein, deckte ganz mit Schnee zu, und rieb sie auch heftig damit. Der Schmerz, den ich dadurch erlitt, war unbeschreiblich. Ich wollte die Füße zurückziehen, aber der Bauer, der diese Kur besser verstand, hielt mich mit Gewalt fest und ließ mich nicht eher von der Stelle, bis er es für gut fand. Dann wickelte er meine Füße in gewärmte Lumpen, und legte mich auf eine Bank, wo er ein Strohlager bereitet hatte. Am anderen Morgen waren die Schmerzen, so wie das Geschwulst fast gänzlich verschwunden. Der Bauer gab mir zu verstehen, ich hätte jetzt meine Füße, so viel ich könne, zu schonen, beschenkte mich mit noch mehr Lumpen zum Einwickeln, und wünschte mir glückliche Reise.