Schwerste Verluste beim Kampf

Schwerste Verluste beim Kampf

Wir standen also wieder diesseits der Düna auf einer kleinen Anhöhe, die mit einem jungen Birkenwäldchen bekränzt war. In diesen ganz kleinen Büschen konnte sich unser ganzes Regiment bergen, denn es bestand kaum aus 100 Mann. Die 6.te Füsilierkompagnie, bei der ich stand, zählte in allem 4 Offiziere, 8 Unteroffiziere und 7, sage sieben Gemeine. Ungefähr eben so stand es um die andern Kompagnien, und nur die Schützen hatten weniger gelitten und waren noch etwas zahlreicher. In dieser Stellung feierten wir unsere letzten guten Tage. Wir machten uns förmlich ansässig, bauten Hütten von Stroh, was uns leicht wurde, da die Scheunen von der Ernte noch voll waren. Eine Bäckerei wurde angelegt, und durch den Sergeanten Zimmermann besorgt. Wie bekamen regelmäßig unser Brot, sogar etwas Schnapps und Hülsenfrüchte aus dem Magazin, das der Regiments-Quartiermeister Neumann angelegt hatte. Auch traf die Nachricht vom Einrücken der großen Armee in Moskau ein. Es hieß auch, wir würden Winterquartiere beziehen. Ein Armeebefehl des Kaisers sicherte jedem Soldaten, der durch Wunden dienstunfähig würde, eine Pension von 500 Franken zu, eben so viel sollten die Wittwen der Gebliebenen von Frankreich beziehen. Dies belebte uns alle mit frischem Mute. Welche Freude, welche herrlichen Aussichten! Es schien, als ob uns nichts zu wünschen bliebe. Mit dem Brot kehrte der Mut und die Fröhlichkeit zurück. Wir sangen lustige Lieder aus Opern, die wie in Nürnberg gehört hatten, und waren guter Dinge. Aber die Freude war von kurzer Dauer. Schon nach einigen Tagen bemerkten wir, daß unsere Offiziere niedergeschlagen herumgingen, zusammen flüsterten und bedenkliche Gesichter machten. Auch fielen hin und wieder einzelne Worte von Schiefgehen, von einem Brande in Moskau usw. Eines Tages, (ich weiß aber weder Datum noch Monat, denn es gab keine Zeitrechnung mehr bei uns) erblickten wir in der Ferne Kosaken, woraus wir auf Annäherung einer russischen Streitmacht schlössen Die Vermutung erwies sich bald als wahr, denn die russische Artillerie fuhr auf, und fing an uns zu beschießen, aber in wahrhaft unsinniger Entfernung, so daß wir ihre Kanonen kaum mit freiem Auge sehen konnten. Sie schossen über zwei Flüsse, die Düna und die Drisa, und brachten keine einzige Kugel bis zu uns. Alle schlugen einige 20 Schritte weit von uns in die Erde. Wir stellten uns in einem Glied auf, um unsere Linie zu verlängern und den Feind über unsere Anzahl zu täuschen. Plötzlich erschien in unserm Rücken hinter dem Birkenwäldchen etwa auf eine Kanonenschussweite ein ganzes Regiment Kavallerie, das sich uns näherte. Nun mußten wir uns auch diesem entgegenstellen, und es wurden Plänkler gegen dasselbe aufgestellt. So standen wir von allen Seiten mit Ausnahme des Weges nach Polozk, umzingelt, und zwar von einer bedeutenden Übermacht. Hätten die Russen, ihr Handwerk besser verstanden, so hatten sie vor allen Dingen diese Lücke, die unser Rückweg war, gesperrt, und wir wären Alle verloren gewesen. Sie durften nur kommen und uns in Empfang nehmen. Lächerlich ist demnach die Angabe des Professors Saalfeld in seiner Beschreibung dieses Feldzugs, daß überall die Übermacht auf unserer Seite gewesen sei. Weit entfernt übermächtig zu sein, konnte man uns vielmehr eine arme, abgemattete, der gänzlichen Auflösung nahe Truppe nennen. Von dem Feind unaufhörlich bedroht, mußten wir jedesmal um Mitternacht schon uns aufstellen, und mit dem Tornister auf dem Rücken in zwei Gliedern bis zum Tag unter dem Gewehr stehen, so daß immer das eine Glied auf der Erde saß und rastete, während das andere stand und wachen mußte. Dies mattete die Soldaten dergestalt ab, daß manche, wenn sie einmal saßen, selbst mit dem besten Willen nicht mehr aufstehen konnten.