1. Am Fourche la fave, einem kleinen, klaren Fluß, der sich, von Nordwesten herunterkommend, in den Arkansas ergießt...

Am Fourche la fave, einem kleinen, klaren Fluß, der sich, von Nordwesten herunterkommend, in den Arkansas ergießt, lag ein geräumiges, gut behauenes Blockhaus, das von einem Amerikaner mit seiner Frau und zwei Knaben, der eine sieben, der andere neun Jahre alt, bewohnt wurde.

Der Mann hieß John Wells und wurde in einem Lande, wo jeder Ansiedler sich mit der Jagd beschäftigt, ja der dritte Teil der Bewohner in jener Zeit fast nichts tat, als mit der Büchse auf der Schulter im Wald umherzuziehen, nichtsdestoweniger mit besonderer Auszeichnung „der Jäger“ genannt; und wenn irgend jemand in der Welt auf den Namen Anspruch machen konnte, so war er es.


Schon in seinem ganzen Äußern hatte er einige Ähnlichkeit mit dem roten Sohn der Wälder, dem Indianer, mit dem er jedoch jede Verwandtschaft ableugnete. Er ging am liebsten im bloßen Kopfe, das lange, schwarze, straffe Haar von einem dünnen Tuch oder noch häufiger einem Streifen Bast zusammengebunden, den Hals bloß, und Jagdhemd, Leggins und Mokassins, in deren Verfertigung er Meister war, von selbstgegerbtem Leder.

Niemand übertraf ihn im Folgen einer Fährte oder im Auffinden eines Honigbaums, im Anschleichen eines Wildes oder in der nicht leichten Kunst, das Erlangte oder Gefundene „einzupacken“. In unglaublich kurzer Zeit wußte er mit seinem kleinen „Skalpiermesser“ - wie diese Art Waffe oder Jagdmesser auch bei den weißen Ansiedlern heißt - den Hirsch kunstgerecht abzustreifen, zu rasieren, die verschiedenen Öffnungen zu unterbinden und einen vortrefflichen Sack herzustellen, um Bärenfett oder Honig oder was sonst darin zu transportieren. Der Wolf, das scheueste und schlimmste Tier des Waldes, fand in ihm seinen gefährlichsten Gegner, und Fischotter und Biber konnten der Lockung, die er ihnen stellte, nicht widerstehen, wenn sie auch bei allen anderen gleichgültig blieben. Und wo es nun erst galt, den Winterplatz eines Bären aufzufinden und an der rauhen Rinde der Bäume die Spur des Hinaufgestiegenen zu entdecken, da gab es kein besseres Auge als das seine in der Range. Und so mit der langen Büchse, die fünfzig Kugeln aufs Pfund schoß, auf der linken Schulter, die linke Hand nachlässig darüber hingeworfen, glitt er mit seinem halb schwebenden, aber unbehülflich aussehenden Gang, durch Instinkt fast mehr als Aufmerksamkeit auch das geringste, unbedeutendste Geräusch vermeidend, von einem grauen kurzhaarigen Hund ebenso vorsichtig gefolgt, rasch und wie ein Schatten durch den Wald, und die meist auf dem Boden haftenden Augen, denen nicht eines Blattes gestörte Lage entging, schweiften dabei ohne Unterlaß auch nach rechts und links hinüber, um jeden herbstroten Busch, jeden sich im Winde regenden Zweig flüchtig, aber genau zu mustern.

Seine Gestalt war schlank und sogar schmächtig zu nennen, aber sie war auch biegsam und gewandt, und im Laufen, Springen und Klettern suchte er seinen Meister; jedoch prahlte er nie mit diesen Dingen und hielt sie für etwas Natürliches, wie das Gehen. Jeder Hund konnte ja noch rascher laufen als er, jeder Hirsch weitere Sätze machen, jeder Panther besser und schneller auf einen Baum hinaufkommen. Wie durfte er sich da solcher Sachen rühmen?

Sonst war er still und abgeschlossen für sich selbst, wortkarg, und selbst wenn er sprach, redete er fast niemals laut, als ob er immer fürchte, irgendein Stück Wild dadurch zu verscheuchen. Wirklich lachen aber tat er nie, und nur wenn er sich über irgend etwas recht freute, hoben sich seine Augenbrauen in die Höhe, und seine Augen glühten wie ein paar Kohlen darunter hervor.

Die Nachbarn hatten ihn übrigens gern, obgleich sie ihn auch wieder fürchteten, denn sie wußten, wie weit er ihnen in allem überlegen war, was ihr wildes Leben betraf. Ja ein Gerücht brachte ihn einmal selbst mit jener Rotte von Pferdedieben in Verbindung, die in früherer Zeit Arkansas heimgesucht hatte und erst von den rasch gebildeten Regulatoren zerstreut oder aufgerieben wurde. Man gab ihm damals in der Tat zu verstehen, er würde besser tun, den Staat zu verlassen, um unangenehmen Erörterungen auszuweichen. Wells aber ging nicht. Konnte ihm wirklich etwas vorgeworfen werden? Niemand erfuhr es, Beweise tauchten nicht gegen ihn auf, keiner der eingefangenen und bestraften Verbrecher sagte gegen ihn aus, und der Jäger baute nach wie vor sein kleines Maisfeld und jagte in den Bergen nach allen Richtungen hin, bald zu Fuß, bald zu Pferd, oft wochenlang umher, ohne sich an irgend jemand von seinen Nachbarn weiter zu kehren.

Seine Frau blieb in solcher Zeit mit den Knaben allein im Wald; aber die Frauen der Backswoods sind daran gewöhnt. Wenn auch einmal der Panther nachts in der Nähe der Hütte schreit oder die Wölfe den Platz umheulen, in Schußnähe getrauen sich die klugen Bestien doch nicht. Und selbst in solchem Falle würde das im Wald aufgezogene Weib den über dem Kamin auf zwei Klammern liegenden Reifel sicher genug zu führen wissen, um die allzu kecken Schweineräuber zu treffen, und dabei an Gefahr nicht denken.

Es war eine nicht mehr ganz blühende, aber noch recht hübsche Frau von einigen dreißig Jahren, mit dunklem vollen Haar, recht klaren braunen Augen und so lebendigem Temperament, daß sie einmal sogar daran dachte, ihren Mann zu bewegen, aus dem Wald hinaus in die Stadt zu ziehen, wo sie mehr Umgang mit ihresgleichen haben konnte. Das aber fiel Wells natürlich nicht ein. Für ihn gab es nichts Fataleres auf der Welt, als auf eine Fenz zu treffen und Leuten zu begegnen, und wenn er nur eine menschliche Fußspur draußen im Wald traf, teilte nicht selten ein halblaut gemurmelter Fluch seine Lippen. Wie sie nun länger verheiratet waren und die Knaben heranwuchsen, gab Betsey, wie die Frau hieß, den früher gefaßten Gedanken auch leicht wieder auf. Der Wald war ja doch einmal ihre Heimat, und in der mußte sie nun schon bleiben. -

Wells war den Tag über auf der Jagd gewesen, und vor der Tür hing ein stattlicher Bock, den er auf seinem kleinen Pony mit nach Haus gebracht. Er selber saß in der Hütte und schnitzte seinem ältesten Jungen aus einem Ende des Geweihs ein neues Lademaß für seine kleine Büchse, die der Knabe schon recht wacker führen konnte. Die Frau stand an dem großen Baumwollspinnrad und spann.

„Hallo the house!“ rief da eine Stimme von draußen den bekannten Anruf von der nächsten Fenz, an der ein schmaler Pfad vorbeiführte, herüber.

„Hallo, Fremder!“ rief Wells zurück, mit seiner Arbeit aufstehend und in die Tür tretend, wo er draußen einen Reiter erkennen konnte, „steigt ab und kommt herein.“

„Dank Euch!“ sagte der Mann, „kann ich hier die Nacht bleiben?“

„Ich denke so; kommt ins Haus.“

Weiter war nichts nötig; der Fremde stieg vom Pferd, nahm seinen Sattel ab, den er auf die Fenz legte, warf den Zügel seines Tieres über die äußersten Enden der oberen Fenzriegel, stellte seine Büchse dann über die Fenz hinüber und kletterte nach, wo er, seinen Reifel auf der Schulter, den nächsten Weg zur Haustür einschlug.

„Wie geht’s, Fremder?“ fragte Wells, ihm zum Gruß die Hand reichend, „nehmt einen Stuhl und setzt Euch zum Feuer, gebt mir Eure Büchse, ich will sie dort mit übern Kamin legen - hm, ist ein gutes Gewehr - liegt vortrefflich!“ - Wells hatte sein Messer und das Stück Hirschhorn aus der Hand gelegt und zielte mit der Büchse aus der Tür hinaus nach einem Blatt.

„Schießt auch auf den Fleck“, sagte der Fremde, „guten Abend, M’am.“

„Kommt Ihr weit her?“ fragte Wells.

„Texas.“

„Texas? - hell!“ sprach Wells, den Fremden erstaunt betrachtend, „muß famose Jagd da sein.“

„Ausgezeichnet“, entgegnete der Fremde, indem er ohne weitere Umstände am Feuer Platz nahm, seine wollenen Reitgamaschen (zwei braune Streifen Wolldecke) von dem untern Teil der Beine band und zum Trocknen an den Kamin hing.

Es war ein schlanker, stattlicher Mann von vielleicht achtunddreißig bis vierzig Jahren, aber mit wettergebräunten, etwas dunkeln Zügen und einer breiten Narbe über der linken Backe, die sein Gesicht indessen mehr zierte als entstellte. Außerdem ging er in der gewöhnlichen Tracht der Backwoods, einem wollenen dunkelblauen Jagdhemd, welches nach seinem besonderen Geschmack mit Orangefransen verziert war, trug aber keine Mokassins, sondern derbe, rindslederne Schuhe und am linken Fuß einen großen mexikanischen Sporn mit etwa zweizölligem Rad und einem Stückchen Metall daran, damit es beim Gehen und Reiten einen klingenden Laut gäbe.

„Viel Bären da?“ fragte Wells nach einer Pause, in der er den Fremden aufmerksam betrachtet hatte, ohne daß dieser weiter große Notiz von ihm selber nahm.

„Ziemlich viel an manchen Stellen“, sagte der Fremde, seinen Sporn abschnallend und auf den Kaminsims legend, „werden aber auch schon dünn.“

„Ja, wohl wie überall!“ seufzte Wells, „’s gibt zu viel Vieh im Wald, das Wild hat nirgends mehr Ruh vor dem ewigen Gebimmel.“

„Und alle Meile eine Fenz!“ brummte der Fremde.

„Das weiß Gott!“ stimmte der Jäger ein, „wär’ ich ein Bär, ich wanderte auch aus. - Wie ist’s mit den Indianern in Texas?“

„Bah, so viel für die Rotfelle!“ versetzte der Fremde, den Kopf verächtlich auf die Schulter werfend, „wer fragt nach denen?“

„Hm - ja - braucht nicht viel nach ihnen zu fragen. Aber wo’s ihrer viele gibt, treiben sie das Wild vor sich her und aus der Range.“

„Bleibt noch genug übrig - können’s nicht totmachen“, lautete die ermutigende Antwort.

„Wollte schon lange einmal nach Texas hinüber“, sagte Wells endlich wieder, nachdem beide Männer, eine lange Zeit mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, in die Flammen gesehen hatten; „bin nur immer noch nicht dazugekommen. Wie ist’s mit dem Land?“

„Für unsereinen gut“, meinte der Fremde. „Eine Menge Militärgrants, und niemand weiß, wem’s gehört. Wer sich draufsetzt, hat’s.“

„Und gutes Land?“

„Vortrefflich.“

„Gute Pferdezucht? “ fragte Wells wieder nach einer langen Pause. Der Fremde warf einen flüchtigen, aber scharfen Blick nach ihm hinüber, schwieg einen Augenblick und sagte dann ruhig:

„Man könnte sich’s nicht besser wünschen.“

„Ihr werdet hungrig sein“, mischte sich die Frau jetzt in das etwas einsilbig geführte Gespräch, indem sie ihr Rad in die Ecke schob, die große blecherne Kaffeekanne vom Brett nahm und sie aus dem dicht vor der Tür stehenden Eimer füllte, in dem ein Flaschenkürbis als Schöpfer lag. „Du könntest noch ein paar Stecken Holz hereinholen, John, daß wir Kohlen kriegen zum Brotbacken.“

Wells stand auf, ging vor die Tür und kam mit drei mächtigen Stücken Hickoryholz zurück, die er langsam auf den Boden gleiten ließ und dann kunstgerecht in den Kamin legte, damit sie nicht allein Glut geben, sondern auch so liegen möchten, daß die Frau ihre Kanne und Töpfe sicher oben daraufstellen konnte. Das Abendbrot wurde indessen bereitet, ohne daß ein weiteres Gespräch zwischen den dreien fortgeführt wäre, einzelne Fragen abgerechnet, die der Fremde nach der hiesigen Range, nach Wild und Viehstand, nach Maispreisen und Schweinen und deren Mast tat und die sämtlich befriedigend beantwortet wurden.

„Dreht eure Stühle herum und setzt euch zum Tisch“, sagte die Frau endlich, als das frischgebackene Maisbrot und der Kaffee auf dem Tisch dampften und große Scheiben Speck und Wildbret in der Pfanne noch spritzten und zischten, während eingekochter Kürbis, Honig, Butter und Milch das Mahl vervollständigten. Der Fremde stand auf, und einen Blick im Haus umherwerfend, an dessen Wänden Harpunen, Stelleisen, Fellsäcke und gegerbte Häute die Tätigkeit des Besitzers bekundeten, sagte er, indem er dabei der Einladung Folge leistete und seinen Stuhl zum Tisch rückte:

„Ihr seid ein Jäger, wie ich sehe; Euch würd’ es in Texas schon gefallen, und Arbeit bekämt Ihr da auch.“

„Vielleicht!“ meinte Wells, „welchen Weg seid Ihr gekommen?“

„Gerade durch.“

„Vom roten Lande her?“

„Noch was weiter drunten.“

„Hm - wo habt Ihr die letzte Nacht kampiert?“

„Am Washita.“

„Und seid früher in der Gegend hier noch nicht gewesen?“

Der Fremde schüttelte mit dem Kopf, hatte anscheinend jedoch über Tisch keine große Lust, Fragen zu beantworten, sondern bei weitem größeren Hunger, und die Mahlzeit ging still vorüber. Die Knaben hatten indessen das Pferd des Fremden draußen besorgt und kamen dann ins Haus, um, nachdem die beiden Männer abgegessen hatten, mit der Mutter ihr Nachtmahl zu halten. Der Fremde schien übrigens müde, und wie es dunkel geworden war, holte er sich seinen Sattel und seine Decke herein, machte sich neben dem Feuer sein Lager zurecht, wickelte sich ein, sagte „gute Nacht“ und war einige Minuten später, wie sein lautes und regelmäßiges Atmen bewies, sanft und süß eingeschlafen.

Als er am andern Morgen wieder aufwachte, war Wells’ Frau am Feuer beschäftigt, das Frühstück zu bereiten. Er stand auf, wusch sich, sah nach seinem Pferd und kam dann zurück zum Haus, wo das Frühmahl wieder auf dem Tisch dampfte; Wells selber aber war nicht da, sondern schon seit Tagesanbruch mit seiner Büchse und seinem Hund in den Wald gegangen, wie er das manchmal tat. Der Fremde mußte allein frühstücken, und die Frau setzte sich zu ihm und schenkte ihm den Kaffee ein. Er sah sie dabei ein paarmal von der Seite an, begann auch nach einer Weile ein gleichgültiges Gespräch, es blieb aber doch sehr einsilbig, und nach dem Essen sattelte er sein Pferd wieder auf und ging ins Haus, um seinen Sporn anzuschnallen, seine Gamaschen umzubinden und die Büchse zu holen.

„Lebt wohl“, sagte er dann, der Frau die Hand reichend und herzhaft drückend, „ich dank Euch für alles Gegebene; vielleicht komm ich einmal wieder. Die Gegend hier gefällt mir, muß nur erst nach dem Ozarkgebirge hinauf, um einige Geschäfte zu besorgen. Kann man hier durch den Fluß reiten oder muß man schwimmen?“

„Nun, hier gegenüber würdet ihr wohl schwimmen müssen“, erwiderte die Frau, „wenn Ihr aber ein Stück weiter hinaufreitet, findet Ihr eine Furt.“

„Danke“, sprach der Fremde.

„Ist nicht nötig.“

Und über die Fenz kletternd und in den Sattel springend, trabte er, indem er unbekümmert um alle Hindernisse geraden Kurs beibehielt, mitten in den Wald hinein.

Erst ziemlich spät gegen Abend kehrte Wells aus dem Walde zurück und hatte sein Pferd schwer mit einem tüchtigen Schwein beladen, das er im Walde geschossen und in vier Teile zerschnitten. Wilde Schweine gibt es übrigens in Nordamerika gar nicht, und es war das auch nur eins seiner eigenen zahmen, aber draußen im Wald wild gewordenen Tiere, dessen er eben nicht anders hatte habhaft werden können, als indem er ihm eine Kugel vor den Kopf schoß. Wie gewöhnlich ging er im bloßen Kopf, die Büchse auf der linken Schulter, nebenher, und Schneider, sein Hund - er hatte das Tier nach einer eigentümlichen Gewohnheit desselben, die Hinterbeine beim Sitzen übereinanderzulegen, so genannt - folgte dicht hinter dem Pferde.

„Hallo, Vater, hast du das Schwein endlich erwischt?“ rief ihm John, sein ältester Junge, entgegen, als er zum Haus kam. Jim, der Jüngste, saß auf der Fenz und sah zu, wie der Vater das Fleisch ablud.

„Ja, John“, sagte Wells, „aber es hat Mühe gekostet; die Racker sind so wild geworden wie die Hirsche und denken gar nicht dran, sich treiben zu lassen. Wenn’s kalt wird, magst du hinausgehen und noch ein paar davon schießen. Jimmy kann dir helfen. Gerad unter Pine-Knot-Hollow haben sie jetzt ihren besten Brechplatz, und dort bleiben sie auch, denn die Weißeichen und Overcup hängen unmenschlich voll; es gibt ein gutes Mastjahr heuer.“

„Jimmy soll mir helfen einpacken?“ fragte John erstaunt, „tust denn du das nicht?“

„Wirst’s jetzt auch einmal machen müssen“, sagte Wells, „bist doch alt genug dazu! - Hier, Schneider, paß auf, daß mir die anderen Hunde nicht ans Fleisch geben.“

Und damit hob er sich ein Viertel des Schweins auf die Schulter und trug es ins Rauchhaus - eine kleine Blockhütte, die etwa fünfzig Schritt von seiner Wohnung entfernt lag, ging dann zurück, um das andere zu holen, und arbeitete so lange, bis er alles untergebracht hatte. Die Jungen besorgten indessen sein Pferd, das er ihnen empfahl, heute ganz besonders gut zu füttern, und als er alles beendet hatte, ging er ins Haus hinein und aß sein Abendbrot.

„Wohinaus ist der Fremde?“ sagte er, als er sein Mahl, zu dem ihm die Frau etwas von dem frischen Schweinefleisch braten mußte, beendet hatte und nun vom Tisch aufstand.

„Wenn er den Kurs beibehalten hat, den er hier vom Haus aus ritt, nach Nordwesten“, erwiderte die Frau. „Er sprach auch vom Ozarkgebirge, daß er dort zu tun hätte. Aber was suchst du da in der Ecke?“

„Den Kaffee; hast du ihn fortgestellt?“

„Ich habe heute nachmittag eine Partie gebrannt.“

„Das ist gut“, sagte der Mann, „gib ihn einmal her, daß ich mir etwas mahlen kann.“

„Willst du denn wieder fort?“ fragte die Frau, „lieber Gott, du bist ja die ganze Woche erst zwei Tage zu Haus gewesen.“

„Ich will nach Texas“, sagte Wells ruhig.

„Nach Texas?“ rief die Frau und hätte vor Schrecken fast die Kaffeekanne fallen lassen, die sie eben aufgenommen hatte, um sie vom Tisch in die Ecke zu stellen, „und allein? - nach Texas?“

„Willst du mit?“ fragte John.

Die Frau schüttelte mit dem Kopf. Daß er sie doch nicht mitnehme, wenn sie auch ja gesagt hätte, wußte sie recht gut. „Aber wann kommst du denn wieder zurück?“

„Bis zum Frühjahr bin ich wieder da“, sagte Wells. „Dies Texas hat mir schon lange im Kopf gelegen und der Fremde gestern die Geschichte endlich umgestoßen. Ich muß einmal selber sehen, wie’s drüben ist; auf Beschreibungen kann man nichts geben, und die Jungen sind groß genug, den Winter durch alles zu besorgen, was du hier beim Hause brauchst. John mag jagen und Jim Feuerholz einbringen. Der Mais ist eingefahren und im Feld bis zum Frühjahr auch nicht viel mehr zu tun. Die paar Bäume, die den Winter durch im Felde vielleicht umfallen - und einer liegt schon -, hau ich zusammen, wenn ich wiederkommen oder wenn das später sein sollte, als ich jetzt glaube, besorgen dir das die Nachbarn.“

Die Frau wollte ihm den Gedanken ausreden, sie und die Kinder fünf oder sechs Monate allein im Wald sitzenzulassen, Wells sah aber nichts Besonderes darin. So gut wie sie eine Woche allein geblieben war - und das kam alle Augenblicke vor -, so gut konnte sie auch einmal einen Winter durch allein haushalten. Zu leben hatten sie, Feuerholz gab’s ebenfalls genug, was wollte sie mehr?

An dem Abend machte er denn auch noch seine Vorbereitungen zu dem Marsch durch eine viele hundert Meilen lange Wildnis, denn auf der Richtung, die er zu nehmen hatte, traf er, gleich vom Fourche la fave ab, der hier ziemlich die Grenze der Ansiedlungen bildet, nur noch einzelne Blockhäuser und mußte wochenlang, nur auf sich und seine Büchse angewiesen, durch den Wald ziehen. Aber in dem war er zu Hause. Was er zu der Reise brauchte, war ein Säckchen mit gemahlenem Kaffee, das einzige und Hauptlabsal des Jägers im Wald, ein Säckchen mit Salz, ein paar Pfund gesalzenen Speck und etwas getrocknetes Wildbret für den nächsten Tag, außerdem seine wollene Decke, die Kugelform, ein paar Pfund Kugeln und sein Horn voll Pulver. Damit konnte er ein Jahr draußen aushalten.

Die beiden Knaben hatten gehört, daß der Vater nach Texas wolle, und Texas war bei ihnen etwa derselbe Begriff, den wir hier in Europa mit Amerika verbinden. Texas lag für sie nicht mehr in Amerika - es gehörte damals noch den Mexikanern -, und die meisten indianischen Greueltaten, von denen Nachricht zu ihnen gedrungen, waren in Texas verübt. Sie saßen still und schüchtern am Kamin und warfen nur dann und wann einmal einen scheuen Seitenblick zu dem Vater hinüber, der in der andern Ecke an der dort an einem Balken befestigten Kaffeemühle stand und seinen Kaffee mahlte.

„Wells, es ist nicht recht, daß du auf so lange fortgehst“, sagte die Frau endlich, als die Knaben im Bett waren und Wells noch vor dem Kamin kauerte, um Kugeln zu gießen. „Wenn dir nun was zustößt?“

„Unsinn!“ brummte Wells, „was soll mir denn zustoßen?“

„Die Indianer - die Creeks und Pawnees sind böse Nationen.“

„Bah - hast du nicht gehört, was der Fremde sagte? - so viel für die Rothäute!“ lachte Wells. „Was die können, kann ich auch, und Schneider und ich werden uns schon unsere Bahn frei halten.“

„Mir ist recht weh ums Herz“, fuhr die Frau nach einer Weile fort, „ich fürchte, du kommst nicht wieder, und ich kann mich dann hier grämen und härmen und erfahre nicht einmal, was aus dir geworden. Laß Texas Texas sein und bleibe hier, John. Hier weißt du, was du hast, und wir leben glücklich und zufrieden.“

„Zufrieden nicht, solange mir das Texas in den Ohren liegt“, sagte aber John, „erst muß ich einmal wissen, wie’s dort aussieht, denn die Burschen, die von dort herüberkommen - und wo die gewesen sind, dahin kann ich auch -, nehmen das Maul immer so furchtbar voll von ihrem Texas, daß man am Ende meinen sollte, es wär’ etwas Besonderes.“

„Und wenn dich nun die Indianer überfallen und skalpieren?“

„Schwatz keinen Unsinn“, brummte Wells, „wenn ich mich von denen überfallen lasse, verdiene ich’s nicht besser, und du hast nichts an mir verloren.“

Er ließ sich den einmal gefaßten Plan nicht wieder ausreden, und als ihm die Frau am andern Morgen mit Tränen im Auge sein letztes Frühstück bereitete, sattelte er sich sein Pferd, packte seine kleinen Vorräte darauf, nahm von Frau und Kindern Abschied, was er sonst nie tat, wenn er nur auf acht Tage in den Wald ging, rief seinen Hund (denn der amerikanische Jäger pfeift seinem Hund nur, wenn er ihn hetzt) und trabte gleich hinter seinem Hund fort - durch das niedere Talland den Hügeln zu, die den Fourche la fave von den Wassern der großen Mamelle trennen. Dort ritt er schräg hinüber nach Süden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches John Wells