Johannesfest-Gebräuche und Gewohnheiten an mehreren Orten

Autor: Herausgeber: H. B. Wagnitz und Fr. Hesekiel, Erscheinungsjahr: 1829
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Johannesfestgebräuche, Johannesfest, Sitten und Gebräuche, Gewohnheiten
Aus: Hallisches patriotisches Wochenblatt auf das Jahr 1829. Zur Beförderung nützlicher Kenntnisse und wohltätiger Zwecke herausgegeben von H. B. Wagnitz und Fr. Hesekiel.
29. Jahrgang, Band 1. 1829
Am Johannesfest sind jetzt noch einige Gebräuche üblich, die aus dem grauen Altertum, oder besser aus dem Heidentum, sich herschreiben. Zu diesen gehören namentlich die Johanneskränze und Johanneskronen, der Johannestopf, Johannesengel, und das Johannesfeuer.

Wie hier in Halle am Johannestage von jungen Mädchen Kränze, und Kronen aus Blumen gewunden, mit bunten Tüchern und Bändern ausstaffiert, am Johannismorgen, über die Straßen oder auch nur im Hause aufgehangen werden: so geschieht es auch nicht allein in der nahen Umgegend, sondern auch im fernen Auslande. Nachdem die Jugend den Tag über sich über die Johanneskrone freute, auch wohl neben ihr oder darunter herum sprang und sang, wird sie auf ein Jahr lang im Hause aufgehangen und, wie man sagt, von Manchen noch als ein Schutz gegen Blitz und Feuer angesehen. In manchen Ländern ist es üblich, am Johannestage sich einander schöne Blumensträuße und Blumentöpfe zu überschicken. Wehe einem Cortejo in Spanien, der am Johannestage seiner Gebieterin nicht einen Nelken oder Rosenstrauß, oder ein Körbchen mit Guindas (großen spanischen Kirschen) zur Huldigung überbringt! In katholischen Ländern ist es wohl gebräuchlich, dass junge Mädchen einen kleinen Knaben schön ankleiden, denselben mit bunten Bändern und Blumenkränzen behängen, vor ihm hin einen Tisch und auf denselben einen Topf mit Blumen stellen und darum herumtanzen und singen. Diesen Knaben nennen sie den Johannesengel; was eine offenbare Nachahmung des geschmückten Genius der Alten ist, dem diese, als den Gott der Geburt, ihre wohlriechenden Opfer darbrachten.

Eine andere Gewohnheit ist, dass am Johannestage, oder auch den Abend vorher, auf freiem, Felde, auf Hügeln und Bergen Feuer, angezündet und um dasselbe herumgetanzt und gejubelt wird. Solche Johannesfeuer sind in Schlesien; den Lausitzen, in Böhmen, Thüringen und noch in mehreren andern Ländern, selbst unter den Griechen in Konstantinopel üblich. In Frankreich war bis zur Zeit der Revolution das Johannesfest stets mit großen Freudenfeuern verbunden. Salven aus schwerem Geschütz oder kleinem Gewehr, und eine lärmende Musik, ließ sich in dem Augenblicke vernehmen, wo die erste obrigkeitliche Person den Holzstoß anzündete. Aber in mehreren Gegenden dieses Reichs wurde das Johannesfest durch das Blut einiger geopferten Tiere befleckt. So wurden Katzen z. B. in einen hölzernen Käfig auf den Holzstoß gesetzt und verbrannt. Diese grausame Sitte hörte in Paris früher auf, aber zu Metz dauerte sie bis zum Jahr 1760, wo die Gemahlin des Kommandanten der Stadt, des Marschalls von Arementieres, sich für diese Tiere verwandte und ihre Begnadigung auswirkte.

Aber woher schreiben sich diese hier genannten und noch jetzt herrschenden Volks- und Jugendbelustigungen? und warum, finden dieselben nur immer zu Johannis Statt? —

Um diese Zeit, wo die Christen das Geburtstagsfest Johannes des Täufers feiern, begingen die alten Völker ihr Neujahrsfest mit Freudenfeuern und mit Opfern auf ihren von grünem Rasen errichteten Altären. Dabei wurden auch Kränze und Kronen von Blumen, welche diese Jahreszeit in Menge darbot, aufgehangen, und Gesänge und Tänze angestellt. Die ersten Christen, die aus dem Heidentum zur christlichen Religion übergingen, nahmen gewöhnlich die ihnen liebgewordenen Gebräuche von ihren vorigen Festtagen mit herüber und mischten sie in die Feier der christlichen Feste; und um sie zur Annahme des Christentums geneigter zu machen, wurde ihnen dieses nachgesehen. Dies geschah nun auch bei der Feier des Johannesfestes am 24. Juni worin sie vielleicht durch Stellen der heil. Schrift (Matth. 3, 11. Luc. 8, 16.) noch mehr bestärkt wurden. Und so wurden Johannesfeuer (in Österreich Sonnenwendefeuer genannt) angezündet, Blumenkränze und Kronen aufgehangen, Blumentöpfe und Blumensträuße verschenkt, und Knaben oder schöne Jünglinge mit Blumenkränzen geschmückt und um dieselben herum gesungen und gesprungen bis auf unsere Zeit herab. Aber so verschieden auch diese und andere Johannestagsgebräuche begangen werden, so kann dieses wohl nirgends prachtvoller und üppiger geschehen als in Spanien und sonderlich zu Madrid.
Bullmann