Zweite Fortsetzung

Es war Viertel nach neun, als ich auf der einen Seite der Trommel fertig war und herum ging, um auf der anderen anzufangen. Das Gerüst war, wie alles um den Hochofen, mit einer zolldicken Eisschicht bedeckt. Der Dampf von dem großen Kühlbassin für Warmwasser schlug auf alles, womit er in Berührung kam, nieder und bildete dicke Eisschichten, die die Gerüste glatt und unsicher machten. Sie schwankten und schaukelten, wenn man ging. Ich versuchte immer, mich irgendwo festzuhalten, wenn es nur halbwegs möglich war.

Gerade wollte ich mit dem Schweißen beginnen, als ich einen Schrei hörte. Etwas sauste an mir vorbei. Es war ein Monteur, der oben auf der höchsten Spitze gearbeitet hatte. Er prallte im Fallen gegen die Ausblastrommel und änderte die Fallrichtung, was ihm vermutlich das Leben rettete. Anstatt bis auf den Boden zu fallen, landete er auf der Hauptplattform, etwa fünf Meter unter mir. Ich lief hinunter. Blut entströmte stoßweise seinem Munde. Er versuchte zu schreien, aber es gelang ihm nicht. Es waren gerade keine Vormänner in der Nähe, und das halbe Dutzend Monteure, das zusammenlief, wusste nicht, was zu tun war. Als Ausländer genoss ich eine gewisse Autorität. Ich sagte, er werde verbluten, wenn wir auf eine Bahre warten wollten. Drei von uns griffen zu und trugen den Mann zur Verbandstation. Auf halbem Wege dorthin hörte die Blutung auf und er stieß bei jedem Schritt, den wir machten, einen Schrei aus.


Ich war, als wir ankamen, von dem schrecklichen Unglücksfall sehr erschüttert, und die beiden jungen Monteure zitterten wie Espenlaub. Wir trugen den Mann in das kleine Holzhaus, und eine Krankenschwester mit einem dicken Schal über dem weißen Kleid zeigte uns, wo wir ihn hinlegen sollten. „Ich erwarte den Doktor jeden Augenblick“, sagte sie, „und das ist gut, denn ich weiß zum Kuckuck nicht, was ich mit ihm machen soll.“

Der Monteur röchelte und stöhnte. Die Augen standen weit auf und er schien bei Besinnung, obgleich er nichts sagte. „Wir müssten ihn ausziehen“, sagte die Pflegerin, „aber es ist hier drin so kalt, dass ich es nicht wage.“ In diesem Augenblick kam der Arzt. Ich kannte ihn. Er hatte einmal meinen Fuß verbunden, als ein großes Stück Roheisen draufgefallen war. Er legte seinen riesigen Schafpelz ab und wusch sich die Hände. „Gefallen?“ fragte er und nickte zum Monteur hin. Ich bejahte.

„Vor wie lange?“

„Vor zehn Minuten.“

„Und was ist das dort?“ fragte der Arzt die Schwester, während er mit einem Fuß in eine Zimmerecke wies. Jetzt bemerkte ich dort ein Paar zerlumpter Walinki, die unter einer sehr schmutzigen Decke hervorschauten.

„Ein Tragbalken ist ihm auf den Kopf gefallen“, sagte die Schwester.

„Soso“, sagte der Doktor und streifte sich die Ärmel hoch. „Wollen mal sehen, was wir für den hier tun können.“ Er wandte sich dem Monteur zu, der sich jetzt still verhielt und mit wässerigen blauen Augen auf den alten, bärtigen Arzt starrte. Ich wollte gehen, aber der Doktor hielt mich zurück.

„Bitte telefonieren Sie von unterwegs zur Gesundheitsinspektion und sagen Sie ihnen, dass ich hier absolut mehr Wärme haben muss.“

Ich führte den Auftrag aus, so gut es mir mein mangelhaftes Russisch erlaubte. Aber alles, was ich erreichen konnte, war: „Genosse, wir bedauern, aber wir haben keine Kohle.“

Ein wenig erschöpft begab ich mich zur Ausblastrommel zurück, als Kolja mich anrief: «Du brauchst für J ne Weile nicht hinaufzuklettern. Der Schwabber an deiner Maschine ist durchgebrannt. Wird nicht vor einer halben Stunde repariert sein. » Ich begleitete Kolja zum Kontor und erzählte ihm von dem Unglücksfall. Erregt hielt ich ihm die Notwendigkeit einer gründlichen Kontrolle der Gerüste vor Augen. Aber Kolja zeigte sich nicht sehr erschüttert. Er wies darauf hin, dass nicht genug Bretter für gute Gerüste vorhanden waren, dass die Monteure meist Bauernburschen und daher nicht vorsichtig genug wären und dass man bei fünfunddreißig Grad Kälte ohne Frühstück im Magen nicht die nötige Aufmerksamkeit habe.

„Gewiss, Menschen werden fallen, aber wir werden trotzdem Hochöfen bauen, nicht wahr?“ Er zeigte mit der Hand auf Hochofen Nr. 2, von dem die rote Flut fließenden Roheisens ausstrahlte. Er merkte wohl, dass ich nicht seiner Meinung war. „Dieser weichherzige Fremdling muss wohl ein wenig beruhigt werden“, sagte er, wie zu sich selber. Er klopfte mir auf die Schulter. „Komm mit ins Kontor zu einer technischen Konferenz. Es wird dich interessieren.“