Vierzehnter Abschnitt. - Fahrten zu Wasser und zu Lande, Besuche in der Nachbarschaft und stundenlange Spazierritte ...

Fahrten zu Wasser und zu Lande, Besuche in der Nachbarschaft und stundenlange Spazierritte wechselten schnell mit einander ab, ohne daß Jenny, die eifrig darnach verlangte, Genuß darin zu finden schien. Reinhard liebte die Natur und jede Art von Bewegung im Freien, deshalb ließ er sich gern bereitwillig finden zu jedem Vorschlag der Art, welchen Jenny machte, bis auch ihm endlich ihre fieberhafte Unruhe auffiel, die nicht eher nachließ, bis sie körperlich ganz erschöpft zusammenbrach und dann stundenlang in vollkommener Abspannung und weichster Stimmung verharrte. Bat er sie, von dieser anstrengenden Lebensweise abzustehen, sich Ruhe und Erholung zu gönnen, so riß sie sich gewaltsam aus der Apathie empor, versicherte, weder krank noch ermüdet zu sein, und bestand darauf, diesen letzten Sommer in Berghoff mit Reinhard, wie sie es nannte, noch recht in Eile zu genießen.

Gegen dies wilde Treiben, das zuletzt Jenny’s Mutter ebenso beunruhigte, als die Pfarrerin, erschien Theresens stille, häusliche Thätigkeit um so wohlthuender. Sie hatte allmälig sich fast des ganzen häuslichen Regimentes bemächtigt und wußte für Jeden mit Sicherheit das Bequeme und Angenehme zu verschaffen, ohne daß man es von ihr verlangt hatte. Dadurch machte sie sich namentlich den älteren Personen unentbehrlich, und auch Reinhard konnte nicht umhin, ihr lobend zu gestehen, daß sie ein seltenes Talent besitze, die Wünsche ihrer Umgebung zu errathen und zu befriedigen. Je mehr durch Gewöhnung auch für ihn die Bequemlichkeit des Lebens an Reiz gewann, um so angenehmer erschien ihm die Weise, mit der Therese vorzusorgen wußte. Jenny’s Aeußerung, daß Therese sich Liebe erkoche und erwirthschafte, begegnete daher allgemeinem Tadel, wie überhaupt ihr Verhältniß zu ihrer Freundin der Pfarrerin immer mehr mißfiel und Allen ein Räthsel dünkte, Reinhard ausgenommen, der diese ungewohnte Härte in Jenny’s Charakter nur zu leicht und gern entschuldigte.


Nach Jenny’s früher geäußertem Wunsche sollte auch Therese unter ihren Taufzeugen sein, doch schien sie diesen oft besprochenen Vorsatz jetzt ganz plötzlich aufgegeben zu haben. Sie erklärte, als die Pfarrerin sie deshalb zur Rede stellte und ihr bemerklich machte, wie diese Zurücksetzung für Therese empfindlich sein müsse: Es thäte ihr leid, aber sie könne sich nicht entschließen, es wäre ihr unmöglich, sie dazu aufzufordern. Diese entschiedene Aeußerung veranlaßte die Pfarrerin, weiter in Jenny zu dringen, sie konnte jedoch keine nähere Erklärung von ihr er langen. Jenny behauptete, ohne Gründe anzugeben, sie habe sich in Therese geirrt, sie fühle eine wachsende Abneigung gegen sie, und könne dieselbe nicht überwinden. Als zufällig eben während dieser Unterredung Therese mit einer Anfrage von Jenny’s Mutter hinzukam und mit einer heftigen, kurzen Antwort von Jenny abgefertigt wurde, die gleich darauf das Zimmer verließ, benutzte die Pfarrerin die Gelegenheit, mit Theresen einmal darüber zu sprechen, ob sie vielleicht den Grund zu Jenny’s gereizter, launenhafter Stimmung kenne?

Therese verneinte es. Ich weiß nur das Eine, sagte sie, daß ich ihr Betragen gegen mich nicht verdient habe, und ich würde es nicht ertragen, wenn mich das Andenken an unser früheres Verhältniß nicht nachsichtig gegen sie machte.

Und wissen Sie denn nicht, liebes Kind, seit wann diese Verstimmung sich Jenny’s bemächtigt hat? Man könnte vielleicht irgend Etwas zu ihrer Beruhigung thun, wenn man die Veranlassung dazu kennte.

So wie Sie Jenny jetzt sehen, liebe Frau Pfarrerin, ist sie seit wir in Berghoff sind, antwortete Therese, und allerdings habe ich eine Vermuthung darüber, die ich Ihnen mittheilen möchte, wenn Sie mir heilig versprechen wollen, gegen Jeden, besonders aber gegen Ihren Sohn darüber zu schweigen.

Die Pfarrerin zauderte einen Augenblick, dann bat sie Therese, diese Mittheilung lieber zu unterlassen, wenn sie nicht wirklich nöthig zu Jenny’s Glück, zu ihrer Herstellung sei.

Ich bin in einer sonderbaren Lage, antwortete Therese, und weiß selbst nicht, ob es nicht meine Pflicht ist, ein Geheimniß zu verrathen, zu dessen Kenntniß ich nur zufällig gelangte; denn noch dürfte es Zeit sein, ein Unheil zu vermeiden, das meinen theuersten Freunden droht.

Die Pfarrerin wurde unruhig, und Therese fuhr fort: Den Abend, ehe wir nach Berghoff zogen, zeichnete Jenny mit Erlau auf dem Balkon vor dem Treibhause eine Ansicht der Gegend, welche sie für ihren Bräutigam bestimmte. Sie war Anfangs ganz heiter; Steinheim war auch mit ihnen, und Jenny rief mich ebenfalls herbei, um mir ihre Arbeit zu zeigen und mich an der Unterhaltung Theil nehmen zu lassen. Diese nahm, wie gewöhnlich, wenn jene Drei ohne Reinhard beisammen waren, eine ziemlich fade Wendung. Das Gespräch langweilte mich, so daß ich Jenny aufmerksam machte, wie wenig dieses Geplauder und Geschwätz ihrem Bräutigam behagen würde. Darüber wurde sie verdrießlich und heftig, und so ist es seit jenem Tage geblieben.

Aber mein Kind, sagte die Pfarrerin im Tone des Vorwurfs, Sie können doch kaum annehmen, daß ein so geringer Tadel Jenny’s ganzes Wesen, ihr ganzes Verhältniß zu Ihnen so vollkommen verändern könne, besonders da sie sonst Tadel von Jedermann mit großer Freundlichkeit zu ertragen pflegte, was mir an ihr stets angenehm aufgefallen ist.

O, Gott bewahre! das glaube ich auch nicht, erwiderte Therese, ich halte es nur für begreiflich, daß ihre üble Laune sich gerade gegen mich richtet, weil wir zufällig jenen kleinen Streit in einer Stunde hatten, die außerdem von entschieden traurigen Folgen für Jenny war.

Therese, unterbrach die Pfarrerin sie sehr ernsthaft, Ihre halben Reden scheinen mir ein Geheimniß mittheilen zu wollen, das Sie vielleicht verschweigen sollten. Sie sind aber bereits zu weit gegangen, und ich muß Sie bitten, mir nun die volle Wahrheit zu enthüllen, damit ich selbst entscheide, was wir für Jenny, die ich als meine Tochter liebe, thun können und müssen.

Therese schien zu schwanken, dann aber sagte sie rasch und mit großer Bestimmtheit: Nun denn, Frau Pfarrerin! Ich glaube, Erlau’s Abreise ist die Veranlassung zu der vollkommenen Veränderung, welche mit Jenny vorgegangen ist.

Das wäre ein großes Unglück, rief die alte Dame erschreckt. Aber was bringt Sie auf diese Vermuthung?

Eine bloße Vermuthung hätte ich Ihnen nicht mit getheilt, antwortete Therese, ich habe die feste Ueberzeugung, daß es so ist. Nachdem Steinheim den Balkon verlassen hatte, hörte ich, denn ich war im Treibhause beschäftigt, Erlau lebhaft mit Jenny sprechen, und obgleich ich weder Alles verstehen konnte noch wollte, vernahm ich, daß Erlau ihr seine Liebe gestand und ihr zugleich Lebewohl sagte, weil er ohne Hoffnung in ihrer Nähe nicht leben könne. Den nächsten Tag war er abgereist, und als sein Abschiedsbrief uns gebracht wurde, behauptete Jenny, die man darum fragte, von seiner Reise ebenso wenig gewußt zu haben, als wir. Trotzdem hat sie ihm wahrscheinlich das für Reinhard bestimmte Bildchen zum Andenken geschenkt, denn ich habe es seit dem Abend nicht mehr gesehen, und es ist auch nie wieder die Rede davon gewesen. Am nächsten Tage zogen wir hieher und seitdem ist Jenny’s traurige Stimmung, wie Sie selbst wissen, im Zunehmen begriffen.

Die Pfarrerin schwieg lange Zeit und schien mit sich selbst zu Rathe zu gehen, dann sprach sie: Gott verhüte, daß Ihre Behauptung wahr sei! Ich kann nicht glauben, daß Jenny sich so vollkommen über ihre Gefühle getäuscht haben könne, und bin ebenso fest von ihrer Liebe zu Reinhard überzeugt, als von der seinen für sie. Indeß ist leider unser Herz tausend befremdlichen Eindrücken zugänglich, und es ist nicht unmöglich, daß sich irgend ein Widerstreit von Gefühlen in der Seele der armen Jenny erhoben hat, den sie mit ihrer leidenschaftlichen Weise gewaltsam bekämpfen will und hoffentlich bekämpfen wird. Es ist denkbar, daß ihre Unruhe dadurch entstanden ist, und ich danke Ihnen für das Geständniß, das Sie mir gemacht haben, wie für die Geduld, mit der Sie die Unfreundlichkeit des armen Mädchens ertragen. Nur Eins muß ich Ihnen wie die heiligste Pflicht an’s Herz legen: Lassen Sie weder Jenny, noch meinen Sohn es ahnen, daß Sie irgend eine Vermuthung der Art hegen.

Wie können Sie das nur glauben? fragte Therese. Rechnen Sie fest auf meine Verschwiegenheit, um so mehr, als auch Ihres Sohnes Glück davon abhängt, dem ich lebenslang für so Großes verpflichtet bin und für den kein Opfer mir zu schwer fallen sollte.

Die Pfarrerin umarmte sie gerührt. Sie versicherte sie, wie sie ihre Achtung in hohem Grade gewonnen habe, und wie sehr sie ihr die Schonung Dank wisse, mit der sie Jenny behandle. Lassen Sie uns vereint, sprach sie, dahin wirken, Jenny mit sich selbst wieder auszusöhnen und ihr das Glück zu erhalten, das sie und mein Sohn von der Zukunft erwarten. Unsere innigste Anerkennung wird es Ihnen danken, und wenn Sie sich wirklich meinem Sohne verpflichtet fühlen, tragen Sie ihm Ihren Dank jetzt in einer Weise ab, welche ihn für immer zu Ihrem Schuldner macht.

Therese versprach Alles und sie schieden mit den herzlichsten gegenseitigen Versicherungen.

Wie weit Therese bei dieser Unterredung sich selbst über die Beweggründe ihrer Handlungen getäuscht hatte, wie weit sie absichtlich dabei zu Werke gegangen, möchte schwer zu entscheiden sein. Ob sie wirklich an Jenny’s Liebe für Reinhard zweifelte, an eine Neigung für Erlau glaubte, ob nur der Wunsch, Reinhard und Jenny vor Reue zu bewahren, allein sie antrieb, der Pfarrerin jenen Bericht zu erstatten, das lassen wir dahingestellt sein. Jedenfalls aber war sie sich der eigensüchtigen Motive, die zweifelsohne in ihrer Seele sich regten, nicht deutlich bewußt, so daß sie die Lobsprüche der Pfarrerin mit ruhigem Gewissen annahm und sich Jenny gegenüber in einer stillen Größe erschien, welche es ihr leichter machte, sich fügsam und nachgebend gegen sie zu betragen.

Ihrem Vorsatz getreu, schwieg die Pfarrerin gänzlich über die Entdeckung, welche Therese ihr gemacht hatte. Jenny that ihr leid, und doch zürnte sie ihr, weil sie nicht daran zweifelte, daß Erlau wirklich einen Eindruck auf Jenny’s bewegliche Phantasie gemacht und sie verleitet haben könnte, Reinhard untreu zu werden, wäre Erlau selbst ihr nicht zur rechten Zeit zu Hülfe gekommen. So lieb sie ihre künftige Schwiegertochter hatte, konnte sie sich doch nicht verbergen, was sie stets gedacht und früher auch gegen ihren Sohn geäußert hatte, daß eine Frau mit so unruhigem Geiste, mit solch beweglichen Leidenschaften viel weniger zu Hoffnungen auf ein ruhiges eheliches Glück berechtigte, als z.B. ein Mädchen von Theresens soliden, wenn auch weniger glänzenden Eigenschaften. Sie zitterte bei dem Gedanken, ihr Sohn könne durch irgend einen Zufall von der Neigung seiner Braut für Erlau unterrichtet werden, und fühlte sich sehr beruhigt, als endlich der für die Taufe bestimmte Tag gekommen war und sie die Aussicht hatte, nun mit ihrem Sohne Berghoff auf einige Monate zu verlassen. In dieser Zeit, so hoffte sie, würde Jenny zur Ruhe kommen, ohne daß Reinhard etwas von dem Kampfe in ihrem Herzen zu erfahren brauchte.

Die Eltern beide, Eduard, Joseph, die Pfarrerin, Therese und Clara waren in ernster Haltung in einem Zimmer beisammen, in das freundlich die Strahlen der untergehenden Sonne hineinfielen. Ein runder, mit schwerem Teppich behangener Tisch, auf dem ein silbernes Becken in silberner Schale stand, nahm die Mitte desselben ein. Neben diesem einfach hergerichteten Hausaltar stand Jenny’s Lehrer, der würdige Pastor, und erwartete, gleich den Uebrigen, den Eintritt seiner Schülerin. Sie hatte gewünscht, die letzten Stunden vor ihrer Taufe ganz allein zu bleiben, und ihren Bräutigam ersucht, sie erst rufen zu kommen, wenn Alles zu der feierlichen Handlung bereit sein würde.

Nun trat sie an Reinhard’s Arm in das Zimmer und Allen fiel die Blässe ihrer schönen Züge auf, als sie sich in die Nähe des Pastors stellte und Reinhard zurücktrat. Nach einer kurzen Anrede des Geistlichen sprach Jenny ihr Glaubensbekenntniß und empfing die Taufe. Sie schien sehr ergriffen zu sein, als das Taufwasser ihre bleiche Stirn berührte. Aber keine Thräne war in ihr Auge gekommen, keine Muskel ihres Gesichtes hatte gezuckt, und nur der bebende Ton der Stimme hatte, während sie das Glaubensbekenntniß ablegte, der Herrschaft ihres festen Willens Trotz geboten.

Jetzt war die kurze Ceremonie vorüber; Jenny war Christin geworden. Mit wahrer Innigkeit zog Reinhard die Geliebte an sein Herz und Thränen der reinsten Freude glänzten in seinen Augen. Doch nur einen kurzen Moment ruhte sie, wie um sich zu erholen und Kraft zu gewinnen, an seiner Brust; dann flog sie, von einem innern Impuls getrieben, zu ihrer Mutter und sank, bitterlich weinend, ihr in die Arme.

Es wäre vielleicht für einen ruhigen Beobachter anziehend gewesen, hätte er während der Taufe in den Seelen der anwesenden Personen die verschiedenen Gefühle zu lesen vermocht, von denen sie bewegt wurden. Jenny’s Mutter weinte, weil es ihr vorkam, als trete durch die Taufe ein fremdes Element zwischen sie und ihre Tochter. Eduard und Clara, welche einander gegenüber standen, waren in schmerzliche Gedanken vertieft, und wenn ihre Blicke sich zufällig trafen, wandten sie dieselben schnell von einander ab, als fürchteten sie, die ernste Feier durch die beredte Sprache ihrer Augen zu entweihen. Die Pfarrerin dankte Gott, daß es endlich so weit gediehen sei, und betete inbrünstig, der Herr möge nun auch ferner dies Paar beschützen und alles Störende, das ihnen noch in der nächsten Zukunft drohen könne, gnädig an ihnen vorüberführen. Dieses innere Gebet verhinderte sie, Theresens Unruhe zu bemerken, die keinen Blick von Reinhard und seiner Braut abwendete und, fast ebenso bleich als diese, mit Gewalt in Jenny’s Seele lesen zu wollen schien. Joseph aber entging dies ängstliche Spähen Theresens nicht, das ihn ebenso wenig, als Jenny’s qualvolle Aufregung befremdete. Er sah finster auf die Scene vor seinen Augen, als auf etwas, das er lange erwartet hatte; nur als Reinhard nach der Taufe die Braut in seine Arme schloß, fuhr er mit der Hand nach dem Herzen, als ob er dort einen flüchtigen Schmerz empfinde.

Der Vater allein war vollkommen ruhig und heiter geblieben. Er hatte Wohlgefallen an Reinhard und dessen stolzer, voller Freude; er ließ alle den erregten Empfindungen Raum, sich zu beruhigen, dann war er es, der die Thüren des Zimmers öffnete, in den Garten hinaustrat und die Uebrigen aufforderte, ihn zu begleiten.

Es war drückend warm im Zimmer geworden, denn die Sonne brannte auf die Scheiben der geschlossenen Fenster. Um so erquickender erschien Jedem die frische Abendluft, welche, von dem Duft der prächtigen Orangenblüthen balsamisch durchzogen, ihnen entgegenströmte. Reinhard war einer der Ersten, die der Aufforderung des Vaters folgten. Er verlangte sehnlichst, mit seiner Braut allein zu sein, und wandte sich mit ihr, sobald es thunlich war, einem entlegenern Theile des Parkes zu. Dort angekommen, setzten sie sich nieder unter den Schatten einer mächtigen, von Epheu grün umrankten Kastanie und schweigend sah Reinhard lange mit der innigsten Liebe auf Jenny, die, noch sehr bleich und ermattet, sich mit geschlossenen Augen an ihn lehnte und dringend Ruhe zu bedürfen schien. Die Spannung der letzten Zeit hatte, nun die That vollbracht war, nachgelassen und einer weichen Müdigkeit Platz gemacht. Als Reinhard das zarte Mädchen so in seinen Armen hielt, das mit den geschlossenen Augen, den ruhigen, regungslosen Zügenund der weißen Kleidung wirklich einer schönen Leiche glich, fuhr ihm schmerzlich der Gedanke durch die Seele, sie könne sterben, während er sich von ihr trenne, und er werde sie niemals wiedersehen. Er schrak zusammen. Wäre es eine Ahnung? fragte er sich, und eine fast kindische Furcht ließ ihn die Möglichkeit wähnen, die Geliebte könne gerade jetzt in seinen Armen gestorben sein. Behutsam küßte er plötzlich Jenny’s lange Wimpern, indem er sie mit den zärtlichsten Worten bat, nur einen Laut zu sprechen, ihm nur zu sagen, daß sie lebe, daß sie sein Glück mit ihm fühle.

Ja, ich lebe, Geliebter! antwortete sie auf seine Frage und schlug lächelnd die Augen zu ihm empor. Ich lebe! Und ob ich Dich liebe? O! Gott weiß es, wie ich davon in dieser Stunde Zeugniß gegeben habe. Ich liebe Dich wie mein Leben, wie meine Seele – nein, mehr als meine Seele. Ist es so recht? fragte sie und lehnte sich wieder an ihn, nachdem sie sich während des Sprechens aufgerichtet und die Hände fest ineinander gefaltet hatte. Aber warum fragst Du mich erst, ob ich Dich liebe? fuhr sie nach einer kleinen Pause fort.

Weil ich den Ton Deiner Stimme hören wollte, mein süßes Leben. Du sahst so bleich und so verklärt aus, daß ich fürchtete, Du könntest die Erde verlassen und aus meinen Armen in den Himmel zurückkehren, von dem Dein Antlitz ein so treues Bild war.

Ach! hätte ich so hinüberschlummern können, seufzte Jenny, so im vollen Besitz Deiner Liebe.

Als ob diese Liebe Dir jemals fehlen könnte, rief Reinhard fast entrüstet aus. Siehe, Jenny, einst gab es eine Zeit, in der ich an Dir, an Deiner Liebe zweifelte, Dich fliehen und vergessen wollte. Das ist Alles nicht mehr möglich, und seit Du durch Deine Liebe mich zum Herrn über Dein Geschick gemacht, bin ich Dir zu eigen geworden, mehr als irgend einem Menschen. Du weißt es, sagte er, immer wärmer werdend, ich würde vor keinem Könige knien, kein Weib hat mich jemals zu seinen Füßen gesehen, ich glaubte, nur vor Gott mich beugen zu können – und nun knie ich vor Dir, und bekenne Dir, daß ich Dich fußfällig bitten könnte, mich zu lieben, mir treu zu bleiben, wenn ich daran zweifeln könnte, weil in Dir allein das ganze Glück meines Lebens beruht.

Er war wirklich vor ihr niedergesunken und hielt sie mit seinen Armen umfaßt, während seine Augen an den ihren hingen. Schöner, hingebender hatte sie ihn nie gesehen, glücklicher hatte sie sich nie gefühlt, und doch stieg eben in diesem Augenblicke der Zweifel in ihr auf, ob Reinhard sie mit dieser Innigkeit lieben, ob seine Neigung nicht wanken würde, wenn er einst erfahren sollte, wie sie ihn getäuscht, um sich seine Liebe zu bewahren, um die Seine zu werden.

Sie drückte ihn voll Leidenschaft an ihre Brust, und ihm zärtlich und fest ins Auge blickend, sagte sie: Versprich mir, dieser Stunde immer zu gedenken, wie ich ihrer nie vergessen werde, und wenn einst ein Tag käme, an dem Du irre an mir würdest, an dem ich Dir Deiner Liebe weniger würdig schiene – dann, aus Barmherzigkeit, dann denke an diese Stunde, dann laß mich Dich daran erinnern und eine Stütze in dieser Erinnerung bei Dir finden!

Was bedeutet das? fragte Reinhard verwundert, wie kannst Du glauben, jemals eines andern Fürsprechers bei mir zu bedürfen, als meiner Liebe zu Dir?

Das gebe Gott! rief Jenny. Aber wenn Du mich einst schwach und tadelnswerth finden, wenn Du mich deshalb weniger lieben, mich von Dir weisen solltest, dann möge Deine Neigung mein treuer Schutz sein; sie möge Dir deutlich machen, daß ich aus Liebe kein Opfer scheute, daß ich Alles erdulden wollte, Alles! Nur Dir entsagen – das konnte ich nicht, das werde ich niemals können, dazu fehlt mir die Kraft.

Ich verstehe Dich nicht, sagte Reinhard, vergebens einen Sinn in diesen Reden suchend, der in irgend einem Zusammenhang mit ihren Verhältnissen stehen konnte, aber das schwöre ich Dir, ich werde nie an der Lauterkeit Deiner Seele, an der Reinheit Deines Herzens zweifeln; Du sollst in mir alle Liebe finden, die Dir gebührt, und auch Nachsicht, wenn es möglich wäre, daß Du sie jemals brauchtest; denn wie sollte ich Dir nicht Alles verzeihen, so lange Deine Liebe mir bleibt!

Schwöre mir das, Geliebter, flehte sie mit einer Angst, als ob sie fürchtete, er könne seine Meinung ändern.

Ich schwöre es Dir! antwortete Reinhard und reichte ihr seine Hand, welche sie lange festhielt, dann leidenschaftlich an ihre Lippen drückte und mit den Worten: Nun bin ich ruhig, nun ist es gut! endlich wieder losließ.

Wenige Tage nach Clara’s erstem Besuch in Berghoff war William zurückgekehrt. Da er den Tag seiner Ankunft nicht bestimmt angegeben, fand er zufällig weder seine Tante noch Clara zu Hause, und wurde von dem Diener zu Herrn Horn in das Comptoir gewiesen, mit dem Bemerken, Frau Commerzienräthin würde sehr überrascht sein, ihn schon zu finden, da man seine Ankunft heute noch nicht erwartet hätte.

Nicht erwartet zu werden von Personen, nach denen man sich gesehnt hat, gehört zu den peinlichsten Gefühlen, die uns nach längerer Trennung von denselben berühren können. Tausendmal hatte er es sich vorgestellt, während er in seinem Wagen einsam und rasch dahinflog, wie die Tante und Clara ihm entgegeneilen und er mit dem Willkomm zugleich den Brautkuß von den Lippen seiner Cousine küssen werde. Statt dessen empfing ihn sein Onkel zwar freundlich, aber durch Geschäfte zerstreut, in denen er ihn unterbrochen hatte, und mit so eiligen Fragen nach dem Befinden seines Vaters, nach seiner Reise und den Aussichten für das nächste Handelsjahr in London, daß der junge Mann wohl merken konnte, wie gern sein Onkel ihn abzufertigen wünsche. Er zog sich also bald zurück und begab sich in die Zimmer der Damen, um dort die Heimkehr derselben zu erwarten.

Eine eigenthümliche Empfindung beschlich ihn, als er sich wieder in den Räumen befand, aus denen er, von Furcht und Hoffnung bewegt, geschieden war. Gleich nach seiner Ankunft in London hatte er der Commerzienräthin geschrieben und einen kurzen, herzlichen Brief für Clara beigelegt, den sie ihm beantwortet, ohne eigentlich seiner Werbung zu gedenken, indem sie ihm hauptsächlich ihre Theilnahme an der Krankheit seines Vaters, ihr Bedauern über seine plötzliche Abreise unter so traurigen Umständen ausdrückte, und die Hoffnung äußerte, daß dennoch Alles sich zum Besten und nach ihren Wünschen fügen werde. William selbst gehörte nicht zu den Menschen, welche es lieben, sich mündlich oder gar schriftlich über ihre Gefühle auszusprechen; die Zurückhaltung seiner Cousine überraschte ihn deshalb nicht. Sie wußte, daß er sie liebe; die Tante hatte ihm die Hand ihrer Tochter zugesagt, hatte ihm die Versicherung gegeben, daß Clara seine Neigung erwidere, und da diese sich nicht dagegen erklärt hatte, las er mit fröhlichem Vertrauen aus den wenigen und flüchtigen Briefen, welche er von ihr erhielt, Alles das heraus, was sein Herz begehrte. Jetzt, wo er jeden Augenblick den leichten Tritt der Geliebten zu hören hoffte, wo er ihrer mit lebhafter Ungeduld harrte, fiel es ihm auf, wie wenig Clara bis jetzt dazu gethan hatte, ihn ihrer Liebe oder nur der Zustimmung zu seinen Ansprüchen zu versichern. Er setzte sich sinnend auf den Platz nieder, den er so häufig Clara gegenüber an ihrem Arbeitstische eingenommen hatte. Ein Nähkästchen, welches Eduard in einer Verloosung gewonnen und in William’s Beisein Clara geschenkt hatte, erkannte er wieder. Es war schon ein wenig abgenutzt und mußte eben gebraucht sein, denn es enthielt außer verschiedenen Geräthschaften für weibliche Arbeit eine Visitenkarte des Doctor Meier, auf welche mit Bleistift das Datum eines der letzten Tage und die Worte geschrieben standen: Bedauert, die Einladung der Frau Commerzienräthin Horn für heute nicht annehmen zu können. Eine politische Broschüre lag aufgeschlagen neben dem Kästchen; sie gehörte ebenfalls dem Doctor Meier, wie die von seiner Hand geschriebenen Anmerkungen in derselben verriethen. Von all jenen eleganten Kleinigkeiten, die William seiner Cousine geschenkt, schien sie keinen Gebrauch zu machen, denn sie standen in kalter Ordnung neben einander auf einer der Etagèren aufgerichtet, wo sie nur die Hand des Hausmädchens gesäubert und Clara’s Auge vielleicht niemals getroffen haben mochte. Das that William wehe und machte ihn unmuthig und nachdenkend, so daß er fast erschrack, als er endlich die Stimme seiner Tante hörte.

Eilig stand er auf und ging den Damen entgegen. Mit einem: Willkommen, mein Sohn! umarmte ihn die Commerzienräthin und, gegen Clara gewendet, fügte sie hinzu: Nun, da ist er! Ich will wie eine ächte Romanmutter, die ich Euch immer war, den zärtlichen Erguß Eurer Herzen nicht stören und erwarte Euch erst in einer halben Stunde in meinem Zimmer.

Es ging aber der sonst so klugen Frau, wie allen sehr förmlichen, gemessenen Leuten, die, wenn sie einmal unbefangen und herzlich scheinen wollen, meist völlig aus der Rolle fallen und die ungeschicktesten Verstöße begehen. Clara und William standen sich verlegen gegenüber, beide gepeinigt durch die unvortheilhafte Lage, in der sie sich befanden. William hatte statt einer zärtlichen Braut, die ihn liebend begrüßte, sehnsüchtig nach ihm verlangte, ein Mädchen vor sich, das ihn mit scheuer Zurückhaltung behandelte und offenbar eher erschreckt, als erfreut durch seine Anwesenheit war. Er fand Clara verändert, und um nur aus dem peinlichen Schweigen herauszukommen, fragte er: Warst Du krank, mein Clärchen? Du bist so bleich, so still. Und freut es Dich denn gar nicht, daß wir beisammen sind?

O gewiß, lieber Cousin! antwortete sie, es freut mich von Herzen, daß Dein Vater hergestellt ist und daß Du zu uns zurückkehren konntest.

Lieber Cousin? und weiter Nichts? rief William scherzend, Mein Clärchen, das klingt doch wirklich zu cousinenmäßig, und selbst eine Cousine hätte mir längst ihren Mund statt der Hand zum Willkomm reichen müssen. Er schloß sie in seine Arme und küßte sie, trotz ihres Widerstrebens, herzlich. Ah, rief er, das ist ein ander Ding, nun lebe ich erst wieder! nun weiß ich, daß ich hier bin und wozu ich wieder hier bin. Wenn Du wüßtest, Clärchen, wie meine Eltern sich freuen, Dich bald als Tochter zu begrüßen! Mein Vater will, wenn seine Kräfte es erlauben, selbst bei unserer Hochzeit gegenwärtig sein, und ich habe ihm versprochen, daß wir auf ihn warten, wenn er sich ein wenig mit seiner Erholung beeilt.

Und wie weit ist diese vorgeschritten? fragte Clara, froh, das Gespräch von der bisherigen Richtung ablenken zu können. William aber deutete diese Frage nach seinem Sinne und antwortete tändelnd: So weit, mein Fräulein, daß Sie ihr Hochzeitskleid bestellen und Ihr Reisekostüm anordnen müssen; denn so lieb mir Deutschland und seine Sitten geworden sind, nach der Trauung geht es fort, und unsern Honigmonat verleben wir in England, bei uns auf dem Lande.

In der Freude seines Herzens bemerkte William nicht, wie er ganz ausschließlich die Kosten dieser Unterhaltung trug, während Clara mit schlecht verhehltem Bangen seinen Worten zuhörte und nur dann und wann eine gleichgültige Frage dazwischen warf, bis das Eintreten ihrer Mutter sie befreite.

Natürlich war eine der ersten Fragen, welche die Commerzienräthin an ihren Neffen richtete, nach dem Ergehen ihres Sohnes, weil dieser die Zeit seiner Heimkehr von Monat zu Monat gegen seines Vaters Wünsche hinausgeschoben hatte.

Ferdinand ist gesund, berichtete William; fügte aber mit einer gewissen Zurückhaltung hinzu: ich zweifle jedoch, ob er freiwillig sobald zurückkehrt, als Sie es wünschen, liebe Tante.

Und was ist es, was ihn davon abhält? Was fesselt ihn so sehr?

Eine Schwäche, falls man eine Leidenschaft so nennen darf, mit der man Nachsicht haben müßte, wenn sie einem würdigeren Gegenstande zugewendet wäre.

Die Commerzienräthin gab ihrer Tochter ein Zeichen sich zu entfernen, dann nöthigte sie William, sich zu ihr zu setzen, und verlangte, daß er ihr rasch und unumwunden sage, was sie wissen müsse. Die Angst der Mutter machte William vorsichtig. So schonend als möglich theilte er ihr mit, wie Ferdinand gleich bei seiner Ankunft in England die Bekanntschaft einer schönen aber übel berufenen Frau gemacht habe, welche seine Geliebte geworden sei und ihn in seinem Hange zur Verschwendung bestärke, nachdem sie ihren frühern Geliebten, einen jungen Mann vom Stande, ruinirt und verlassen habe.

Sie hat Ferdinand vorgespiegelt, erzählte William, um seinetwillen und nur aus Liebe für ihn mit ihrem ersten Verehrer gebrochen zu haben, der, wie sie behauptet, ihr die Ehe versprochen hatte, und Ferdinand ist in einer unglücklichen Stunde so thöricht gewesen, ihr schriftlich eine eben solche Zusicherung zu geben, die er später in Gegenwart ihrer und seiner Bekannten wiederholt hat, und auf deren Erfüllung sie jetzt dringt, ohne von irgend einem Vergleich oder einer Abfindung hören zu wollen.

William hielt inne, weil er sah, wie schwer die Nachricht seine Tante traf.

Nur weiter, weiter! bat sie, als sie das Zaudern ihres Neffen bemerkte. Hältst Du es für möglich, daß mein Sohn ehrlos genug sein könnte, wirklich an eine Heirath mit einer solchen Frau zu denken? daß er mir, seiner Mutter, eine solche Frau zur Tochter aufzudringen denkt?

Ich hoffe, antwortete William, daß es Ihren Ermahnungen gelingt, ihn davon zurückzubringen, was bis jetzt freilich weder meinem Vater, noch mir gelungen ist.

Er muß zurück, noch heute schreibe ich ihm, rief die Commerzienräthin wie außer sich, er soll und muß gehorchen.

Das wird er nicht, liebste Tante, bemerkte William, und Sie würden sich, falls er Ihnen sogar gehorchte, nur der Unannehmlichkeit aussetzen, diese lästigen Verhältnisse in Ihre Nähe zu ziehen; denn ich zweifle keinen Augenblick, daß jene Frau ihm auch gegen seine Erlaubniß hieher folgen und hier auf die Erfüllung seines Wortes dringen würde. Darum haben Sie Geduld, schreiben Sie ihm, daß Sie um das Verhältniß wissen, daß Sie es mißbilligen; aber vermeiden Sie eine Strenge, welche ihn leicht zu offenem Widerstand, zu unüberlegten Schritten treiben könnte, da er sie von Ihnen nicht gewohnt ist. Vielleicht wäre es sogar besser, Sie überließen es dem Onkel einzuschreiten, obgleich mein Vater mir rieth, Ihnen zuerst die Mittheilung zu machen.

Das war gut, war klug, sagte die Commerzienräthin, denn Dir darf ich es bekennen und Du weißt es vielleicht selbst, daß niemals ein gutes Vernehmen zwischen Ferdinand und seinem Vater herrschte. Männer vergessen es leicht, daß sie einst selbst jung und der Nachsicht bedürftig gewesen sind, und – fuhr sie fort, plötzlich umgestimmt durch den Gedanken, ihr Liebling Ferdinand könne irgendwie den Tadel seines Vaters auf sich ziehen – vielleicht ist es mit Ferdinand so schlimm nicht, als wir glauben. Deshalb versprich mir, seinem Vater nichts zu sagen, bis ich selbst eine Antwort von meinem Sohne erhalten haben werde.

William versprach das, aber die Kränkung, die ihr Stolz erlitten hatte, der Schreck und die Unruhe, die sie empfunden, waren so lebhaft gewesen, daß ihre gewohnte Selbstbeherrschung sie verließ und sie von nervösen Zufällen ergriffen wurde, welche sie nöthigten, ein paar Tage ihr Zimmer zu hüten und ihr Clara’s Pflege und Wartung unentbehrlich machten.

Dadurch bekam William seine Braut, denn als solche betrachtete er die Cousine, wenig nur zu sehen. Trotzdem mußte ihm ihr Betragen auffallen, das offenbar zurückhaltender und befangener war, als sie sich ihm jemals gezeigt hatte. Er konnte nicht begreifen, weshalb sein Onkel mit keinem Worte seiner Verlobung gedachte, er sah, daß man sie wie ein Geheimniß behandelt haben müsse, und obgleich dieses gewissermaßen durch die Umstände entschuldigt werden oder selbst geboten sein konnte, fand er die strenge Beobachtung der Etiquette unter so nahen Verwandten, die alle einig und glücklich ?ber diese Verbindung waren, übertrieben. Er nahm sich vor, sobald die Commerzienräthin wieder wohl und sichtbar sein würde, auf die Bekanntmachung seiner Verlobung mit Clara zu dringen, weil ihm seine jetzige Stellung lästig war, und er hoffte, die ungewöhnliche Schüchternheit seiner Braut werde sich von selbst geben, wenn ihr beiderseitiges Verhältniß zu einander kein Geheimniß mehr sei.

Am zweiten Abende hatte sich denn auch der Zustand der Mutter so weit gebessert, daß Clara sie auf ihren ausdrücklichen Befehl verlassen mußte, um sich ihrem Bräutigam nicht unnöthig zu entziehen, der, innig erfreut, sie wieder zu haben, ihr den Vorschlag machte, mit ihm nach Berghoff zu fahren. Er wünschte, Clara möge sich nach den in der Krankenstube ihrer Mutter verlebten Tagen in freier Luft erholen und zugleich mit ihm die befreundete Familie besuchen, von der er noch Niemand gesehen hatte. Clara lehnte aber Beides ab und bat William, ihr in ihr Zimmer zu folgen, da sie ihn allein und gleich zu sprechen habe.

Als sie sich in demselben allein mit ihm befand, sagte sie: Ich weiß wirklich nicht, lieber William, wie ich es machen soll, Dir zu sagen, was Du doch erfahren mußt. Du bist mir mit so herzlichem Vertrauen entgegen gekommen, so gut, so freundlich gegen mich gewesen, daß ich Dir nie genug danken kann. Sie stockte; William sah sie verwundert an und sagte: Ist denn das Versprechen, die Meine zu werden, nicht der schönste Dank, den meine Liebe von Dir begehrt?

Das ist es eben, fiel Clara ein, was mich beunruhigt. Glaube mir, ich erkenne Deine treue Anhänglichkeit mit tiefer Beschämung, ich achte Dich von Herzen –

Aber Du liebst mich nicht, rief William, sage es kurz, Clara! Du schlägst meine Hand aus, weil ich Dir gleichgültig, oder wohl gar zuwider bin.

Nein, das nicht; gewiß, das nicht. Ich habe Dich lieb, William, von Herzen lieb, ich bin überzeugt, daß einer Frau ein schönes Loos an Deiner Seite werden muß – aber ich kann Deine Frau nicht werden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Jenny