Jenny

Von der Verfasserin von Clementine.
Autor: Lewald, Fanny (1811-1889), Erscheinungsjahr: 1872
Themenbereiche
Inhaltsverzeichnis
  1. Erster Abschnitt. - Bei Gerhard, dem ersten Restaurant einer großen deutschen Handelsstadt, hatte sich im Spätherbst des Jahres 1832 nach dem Theater eine Gesellschaft von jungen Leuten ... zusammengefunden, ...
  2. Zweiter Abschnitt. - Ehe wir in der Erzählung fortfahren, müssen wir aber einen Rückblick auf den Lebensweg der Personen werfen, von denen diese Blätter handeln sollen...
  3. Dritter Abschnitt. - Den Eltern und Eduard blieb die vortheilhafte Veränderung in Jenny’s Wesen nicht verborgen, ...
  4. Vierter Abschnitt. - Reinhard war bis zu seiner Universitätszeit in einem Landstädtchen in vollkommener Zurückgezogenheit erwachsen, ...
  5. Fünfter Abschnitt. - Das Haus seiner Eltern lag nahe am Hafen, ein Garten führte terrassenartig zum Flusse hinunter, ...
  6. Sechster Abschnitt. - Reinhard wollte eben eine heftige Entgegnung machen, denn seine Eifersucht raubte ihm die Besinnung; ...
  7. Siebenter Abschnitt. - Aber die Leute haben an ihrem kleinen Besitz, wandte Clara ein, vielleicht oftmals ebensoviel Freude, als ...
  8. Achter Abschnitt. - Eduard schüttelte den Kopf. Wen das Weib liebt, dem glaubt sie! ...
  9. Neunter Abschnitt. - Sie sind ein arger Spötter und haben mir damals eine traurige Stunde bereitet! ...
  10. Zehnter Abschnitt. - Der alte Mann gab ihr die Hand und sah sie lange an, ohne zu sprechen. ...
  11. Elfter Abschnitt. - Wenn nun aber dies Wohlleben mit meinem Stande nicht verträglich ist! ...
  12. Zwölfter Abschnitt. - Der Vater war bewegt. Auch ihn traf der Schlag doppelt, in seinem Sohne und in seinem Volke, ...
  13. Dreizehnter Abschnitt. - Liebstes Herz, unterbrach Reinhard sie fröhlich, also doch! Du kannst auch eifersüchtig sein? ...
  14. Vierzehnter Abschnitt. - Fahrten zu Wasser und zu Lande, Besuche in der Nachbarschaft und stundenlange Spazierritte ...
  15. Fünfzehnter Abschnitt. - So liebst Du einen Andern? fragte William heftig und stand auf...
  16. Sechzehnter Abschnitt. - Ich billige Ihre Ansicht vollkommen und danke Ihnen für Alles, was Sie thun, ...
  17. Siebzehnter Abschnitt. - Würde nur Jemand ihm warnend, beruhigend zur Seite gestanden haben, ...
  18. Achtzehnter Abschnitt. - So sehr Jenny und Clara sich ihres Wiedersehens erfreuten, so lieb sie einander waren, so ...
  19. Neunzehnter Abschnitt. - Doch nur zu oft vernichtet der Morgen die Hoffnungen des vorigen Tages. ...
  20. Zwanzigster Abschnitt. - „Dergleichen Reden hören sich gut an, doch hat es allerlei Bedenkliches damit!“ ...
  21. Einundzwanzigster Abschnitt. - Mein Onkel ist ein edler Mann und hat wie ich nicht mit dem Leben zu ringen gehabt; ...
Auszug: Erster Abschnitt

Bei Gerhard, dem ersten Restaurant einer großen deutschen Handelsstadt, hatte sich im Spätherbst des Jahres achtzehnhundertzweiunddreißig nach dem Theater eine Gesellschaft von jungen Leuten in einem besondern Zimmer zusammengefunden, die anfänglich während des Abendessens heiter die Begegnisse des Tages besprach, allmälig zu dem Theater und den Schauspielern zurückkehrte und nun in schäumendem Champagner das Wohl einer gefeierten Künstlerin, der Giovanolla, trank, welche an jenem Abende die Bühne betreten hatte.

Sie soll leben und blühen in ewiger Schönheit! sagte entzückt der Maler Erlau, und möge es mir vergönnt sein, die Feueraugen und den Götternacken dieses Mädchens immer vor meinen Augen zu haben, wie sie sich mir bei der gestrigen Sitzung zeigten. Ihr seht sie Alle in der falschen, täuschenden Beleuchtung der Bühne, und könnt nicht ahnen, wie schön ihre Farben, wie regelmäßig und vollendet ihre Züge und wie üppig ihre Formen sind. Ich sage Euch, sie ist der Typus einer italienischen Schönheit.

Wenn sie nur nicht so verdammt jüdisch aussähe, sagte wegwerfend der junge Horn, der Sohn und Erbe eines reichen Kaufmanns. Ich sagte es gleich zu meinem Vetter Hughes, den ich Ihnen, lieber Erlau! als einen Mitenthusiasten empfehlen kann, und der für nichts Augen hatte, als für diese Person, die mir wirklich mit all ihrer gepriesenen italienischen, oder sagten Sie orientalischen Schönheit? im höchsten Grade mißfallen hat. Wir lieben in unserer Familie diese Art von Schönheit nicht, es ist eine uns angeborne Antipathie, und mir wurde erst wieder in England bei den schlanken, blonden Insulanerinnen recht wohl, nachdem ich mich in Havre ein Jahr lang unter jenen kleinen, brunetten Französinnen in der Frankfurter Judengasse geglaubt hatte.

A propos, von Judengasse, lieber Ferdinand! fiel der Vetter, ein geborner Engländer, und erst seit wenig Tagen in dieser Stadt, dem Sprechenden ins Wort, wer war wohl das ganz junge Mädchen in der zweiten Loge rechts von der Bühne? Sie ist offenbar eine Jüdin, aber es ist ein sehr interessantes Gesicht.

Ich kenne die Leute nicht, antwortete der Gefragte.

Schämen Sie sich, rief im komischen Zorn der Maler, und verleugnen Sie nicht, wie unser heiliger Apostel Petrus, seligen Andenkens, Ihren Meister und Herrn. Sie sollten den reichen Banquier Meier nicht kennen, bei dessen Vater Ihr Herr Vater die Handlung erlernte, und von dem er die Mittel zu seinem Etablissement erhielt, als er sich in Ihre Mutter verliebte? Freilich kam Ihr Herr Papa durch diese Heirath in die schönste Mitte der Kaufmannsaristokratie, und mag in der Gesellschaft wohl seine alttestamentarischen Verbindungen vergessen haben.

Horn war halb beleidigt, halb verlegen. Ach so! sagte er, die Meiers hatten die Loge? Es waren die Meiers? Die Tochter soll ein hübsches Mädchen werden, eine sehr reiche Erbin, sie steht noch zu Diensten, lieber Vetter! – Das ist aber auch Alles, was ich von ihnen weiß.

So erlauben Sie mir, nahm der Candidat Reinhard, ein schöner, junger Mann, der bis dahin schweigend der Unterhaltung zugehört hatte, die ihm nicht zu gefallen schien, das Wort, so erlauben Sie mir, Ihnen, falls es Sie interessirt, nähere Auskunft über die Familie zu geben. Das Meiersche Haus ist eines der gastlichsten in unserer Stadt, die Mutter eine freundliche, wohlwollende Frau, der Vater ein sehr gescheidter und braver Mann, der ein offenes Herz für die Menschen und die Menschheit hat, und sich lebhaft für Alles interessirt, was es Großes und Schönes gibt. Die Leute haben nur zwei Kinder: einen Sohn, der mein genauer Freund ist, den Doctor Meier, und eben diese Tochter, Jenny Meier, die ich bis vor Kurzem unterrichtet habe.

Und ist Niemand da, der die Handlung fortsetzt, wenn der alte Meier, dessen Firma ja sehr bekannt ist, einmal stirbt? fragte der Vetter.

Ja wohl, ein Neffe, seines Bruders Sohn, der auch Meier heißt, und schon lange in der Handlung ist. Man sagt, er werde die Tochter heirathen und das Geschäft einst übernehmen, antwortete Reinhard zögernd.

Der Glückliche, ich könnte ihn beneiden, denn das Mädchen ist wahrhaft reizend, rief der Engländer aus...