Schnitzerei, Gussarbeiten, Malerei

Übrigens ist auch in Jamund eine Zeit gewesen, in der die Schnitzerei sich zur Kunst im eigentlichen Sinne des Wortes erhoben hat. Einige schön gearbeitete Truhen aus dem Anfange des 17. Jahrhunderts, die selbst guten holsteinischen Arbeiten nicht nachstehen, legen beredtes Zeugnis dafür ab. Wohl infolge des dreißigjährigen Krieges ging diese Kunst dann zurück, bis sie schließlich wieder auf das Niveau gelangte, welches die obigen Schnitzereien zeigen.

Gussarbeiten. Die Reste der Jamunder Gussarbeiten sind äußerst spärlich. Was erhalten ist, sind ein paar in Messing, bzw. Zinn oder Blei, gegossene Jôpsel in derselben Form, wie die geschnitzten, sowie ein großer, runder, aus Blei gegossener Rockknopf in der Ornamentik, welche die in Kerbschnitt ausgeführten Räder zeigen. Alles übrige ist wohl, weil es Metall war, von Trödlern aufgekauft und eingeschmolzen worden. Die vorhandenen Rudimente genügen jedoch, um den Nachweis zu führen, dass auch die Ornamentik der Gussarbeiten sich in denselben Grenzen gehalten hat, die wir bei den anderen Hausgewerben kennen gelernt haben.


Malerei. Während alle bis jetzt aufgeführten Gewerbe schon seit einigen Jahrzehnten praktisch kaum mehr ausgeübt werden, ist die Malerei diejenige Hausindustrie, welche bis auf diesen Tag noch immer betrieben wird. Auf Tafel II sind als Proben der Jamunder Bauernmalerei ein Brautstuhl, ein Bräutigamsschemel, sowie 2 Spieße nach Zeichnungen von Prof. A. Kretschmer abgebildet. Auch hier ähnelt die Ornamentik derjenigen der Schnitz-, Strick-, Näh- u. s. w. Arbeiten, wie ein Ei dem andern. Von Interesse ist, dass die Malereien, welche außer an dem auf Tafel H wiedergegebenen Hausrat sich auch an Truhen, Wiegen, Alkoven, Kasten, Schachteln, Webebrettchen, ja selbst an den Grabdenkmälern finden, durchweg, je späteren Ursprungs sie sind, um so farbenreicher und schöner aussehen. Je mehr wir dagegen in die Zeit zu Anfang dieses oder Ende des vorigen Jahrhunderts zurückkommen, um so eintöniger werden die Farben und um so spärlicher tritt überhaupt die Verwendung der Malerei ein. Das lässt darauf schließen, dass wir in der Malerei eine verhältnismäßig junge Industrie der Jamunder zu erkennen haben. In der Tat unterliegt es kaum einem Zweifel, dass, wie anderwärts, so auch hier die Malerei zuerst in Gemeinschaft mit der Schnitzerei und dann allein, als vollständiger Ersatz für dieselbe, auftrat. Vermittelt wurde dieser Wechsel in vielen Gegenden (so z. B. in Mönkgut auf Rügen und im Spreewald) durch die Sitte, buntes Wachs in die durch den Kerbschnitt entstandenen Löcher zu streichen. Die Wirkung war eine ausgezeichnete; doch die Wachsauslage hatte keinen festen Halt. Sobald das Holz stark nachtrocknete oder das in solcher Weise geschmückte Gerät häufiger benutzt wurde, fiel das Wachs heraus, und die Farbenpracht war dahin. Um eine größere Haltbarkeit der Farben zu erzielen, finden wir darum in Mönkgut (und auch sonst) Kerbschnitzereien, bei denen man die Schnittlöcher ausmalte. Von da aus war es nur ein Schritt, auf die mühselige Schnitzarbeit ganz Verzicht zu leisten und die Farbe sofort auf das Holz zu tragen. Wahrscheinlich werden wir auch für Jamund den mit Wachs ausgestrichenen und den gefärbten Kerbschnitt als Mittelglied zwischen der reinen Schnitzarbeit und der Malerei anzunehmen haben.

Werfen wir jetzt einen Rückblick auf die gesamten Jamunder Hausgewerbe, so ergibt sich, dass dieselben in allen ihren Arten einen durchaus einheitlichen Eindruck machen. Die Phantasie des Bauern, wie der Bäuerin, ergeht sich außchliesslich in dem engen Rahmen der von alters her überkommenen Motive, eine Beobachtung, die wir allenthalben in reinen Rassegegenden, aber auch nur da, machen können. Liefert nun die Hausindustrie Jamunds den Beweis für die enge Zusammengehörigkeit seiner Bewohner, so fragt es sich, wo wir die Verwandten derselben zu suchen haben. Dass sie Niederdeutsche sind, ergibt sich aus dem Hausbau; aber die ostfälischen und die westfälischen Kolonisationen in Pommern bieten ebensowenig als das ostfälische und westfälische Mutterland etwas in den Hausgewerben ihrer Einwohner, welches die Annahme einer nahen Verwandtschaft derselben mit den Jamundern rechtfertigen könnte.

Anders wird die Sachlage, wenn wir zu den Friesen übergehen. Die Point lace- und Filetguipure-Arbeiten, die Stickereien, die genähten Spitzen und sonstigen Näharbeiten sind denen der Nordfriesen und der Friesen der Elbmarschen zum Verwechseln ähnlich. Die Jamunder Strickornamente kehren wieder in den auf Sylt und in der Umgegend von Niebüll üblichen Handschuhmustern. Ein gleiches ist der Fall mit der Hausindustrie der männlichen Jamunder. Wer Jamunder Kerbschnittarbeiten mit nordfriesischen zusammenwerfen würde, sollte es selbst Kennern schwer machen, zu entscheiden, was friesischen und was Jamunder Ursprungs ist. Um zu zeigen, wie selbst solche Jamunder Arbeiten, die kaum mehr als ein Menschenalter zurückliegen, mit den alten nordfriesischen Mustern übereinstimmen, geben wir unter Fig. 23 das Ornament der Rückenlehne eines Stuhles (Ende des 18. Jahrhunderts) aus dem nordfriesischen Dorfe Ostenfeld bei Husum und bitten, dasselbe mit dem Jamunder Muster Fig. 16 zu vergleichen. — Das sich zu der Jamunder Malerei bei den Friesen kein Analogen findet, kann, da dieselbe, wie wir oben gesehen haben, jüngeren Ursprungs ist, kein Wunder nehmen; nicht unwichtig ist dagegen, dass hier, wie dort, für längere Zeit die einfache Schnitzerei und Weberei sich zu wirklicher, von Bauern geübter Kunst erhoben haben.

Fig. 23. Kerbschnittmuster eines Stuhls aus dem nordfriesischen Dorfe Ostenfeld bei Husum, 1/6 natürl. Größe.

Wenn die Erzeugnisse des Hausgewerbes der Jamunder für die Verwandtschaft derselben mit den Friesen sprechen, so ist die Tracht dem nicht entgegen. Wir müssen nämlich bei jeder Volkstracht zweierlei unterscheiden: ein Bleibendes und ein der Mode Unterworfenes. Zu jenem rechnen wir den Schnitt der Kleidung, die Wahl des Stoffes, der Farben etc.; zu diesem in erster Linie den Schmuck, zumal den hochzeitlichen. Was nun den alltäglichen Schmuck der Jamunderinnen anbelangt, so besteht derselbe, wie wir schon oben gezeigt, lediglich aus den kleinen, herzförmigen, Jôpsel genannten Spangen (Fig. 19 — 22). Ein ähnlicher Schmuck findet sich, unseres Wissens, nirgends in Pommern; auch sonst ist er selten, abgesehen von den friesischen Gauen, wo er allenthalben heimisch erscheint. Wir geben unter Fig. 24 — 28 derartige Hemdspangen von den Inseln Sylt und Romoe, aus der Gegend von Niebüll in Nordfriesland, aus dem Ostenfelder Kirchspiel bei Husum und dem Alten Lande bei Hamburg, und ein Blick wird genügen, die Verwandtschaft derselben mit den Jamunder Jôpseln klar zu legen.

Fig. 24 bis 28. Silberne Hemdspangen (Hâtjen, d. i. Herzchen) der Nord- und Elbfriesen.

Nicht minder, wie den alltäglichen, dürfen wir den Hochzeitsschmuck für das Friesentum der Jamunder heranziehen. Die Brautkrone sowohl, wie der mit Metallplatten besetzte Gürtel sind für das übrige Pommern und seine Stammlande unerhört; in Friesland kehren sie allenthalben wieder oder sind doch daselbst vor alters üblich gewesen. Selbst der Name Pâil ist dem Friesen nicht unbekannt. In dem handschriftlich erhaltenen Manningabuch (15. Jahrhundert), welches in seinen Abbildungen von Ostfriesen und Ostfriesinnen wohl die ältesten (farbigen) Darstellungen wirklicher Volkstrachten bietet, wird der diademartige Kopfschmuck der Frauen ebenfalls Pael genannt.

Sind unsere Ausführungen richtig, so hätten wir also in Jamund die am weitesten nach Osten vorgerückte friesische Niederlassung zu erkennen. Wann dieselbe stattgefunden hat, lässt sich auf dem von uns eingeschlagenen Wege nicht feststellen. Hier muss die geschichtliche Forschung zu Hilfe kommen. Vielleicht finden sich noch Urkunden über die Kolonisation der Umgegend von Köslin, speziell Jamunds, vor; wir sind sicher, dass sie den von uns gewonnenen Resultaten nicht widersprechen, sondern dieselben in jeder Hinsicht bestätigen werden.
023 Kerbschnittmuster eines Stuhls aus dem nordfriesischen Dorf Ostenfeld bei Husum, einsechstel natürl. Größe

023 Kerbschnittmuster eines Stuhls aus dem nordfriesischen Dorf Ostenfeld bei Husum, einsechstel natürl. Größe

024 bis 028 Silberne Hemdspangen (Hâtjen, d. i. Herzchen) der Nord- und Elbfriesen

024 bis 028 Silberne Hemdspangen (Hâtjen, d. i. Herzchen) der Nord- und Elbfriesen

04 Jamund bei Cöslin (Hausgeräte)

04 Jamund bei Cöslin (Hausgeräte)

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