Jamunder Nationaltracht

Ganz besonders tritt jedoch der behäbige Wohlstand der Jamunder in ihrer Nationaltracht hervor, die uns jetzt des näheren zu beschäftigen hat. Dank der im Museum für deutsche Volkstrachten und Erzeugnisse des Hausgewerbes vorhandenen Schätze ist es möglich, eine genaue Beschreibung derselben zu liefern, wie sie noch im Anfang dieses Jahrhunderts allgemein üblich war. Aber auch die ausführlichste Beschreibung gewinnt erst die rechte Anschaulichkeit durch beigefügte Abbildungen. Der Güte des Herrn Prof. A. Kretschmer danken wir es, und mit uns gewiss auch unsere Leser, dass wir für die Jamunder zwei farbige Blätter bieten können, die nicht nur auf die größte Treue, selbst in den geringsten Einzelheiten, Anspruch erheben, sondern auch von künstlerischem Standpunkt aus vollendet sind.

*) Kaiser, Volkstümliches aus Hinterpommern. Monatsblätter, herausgegeben von der Gesellschaft für pommersche Geschichte und Altertumskunde. 1890. Nr. 6, S. 92 u. 93.


Der Gedanke, welcher dem diesem Hefte bei gegebenen Trachtenbilde zu Grunde liegt, ist folgender: Das Brautpaar tritt festlich geschmückt kurz vor dem Gange zur Kirche noch einmal vor den alten Großvater, der in seinem Stuhle an dem ehrwürdigen Kachelofen, einem echten Jamunder Originalstück, sitzt und aus dem Schatze reicher Lebenserfahrung heraus treffliche Worte der Lehre und Ermahnung mit auf den Weg gibt. Hinter dem Stuhle lehnt die Hausfrau, die Schwester der Braut. Mit Bewunderung sieht sie, wie stattlich sich das Mädchen in dem Hochzeitsputze ausnimmt. Neben ihr steht ihr Manu, der Bauer; zur Seite rechts hantiert die Magd. Auf der Linken, neben der Braut, hart vor der geschnitzten Truhe, steht der Hochzeitsbitter. Er starrt ernst und gedankenschwer vor sich hin; doch sind es kaum die Sorgen um der Liebe Glück und Qual, die ihn in diese Stimmung versetzen, es wird wohl das lange Ausbitterlied sein, welches so schwer in den dicken Kopf hinein wollte und das nun, so fürchtet er, nach seinen Erfahrungen, die er bei dem Einladen gemacht, wohl nicht mit Unrecht, ebenso schwer zum Munde wieder herausfahren dürfte. —

Gehen wir auf die einzelnen Trachten über, indem wir, dem Kretschmerschen Bilde entsprechend, uns zunächst an die im Anfange dieses Jahrhunderts bräuchliche Bekleidungsform halten *):

*) Bei der Beschreibung der Trachten, zumal der weiblichen, haben sich die Verfasser der Unterstützung der um die Volkskunde Ostpreußens hochverdienten Forscherin Fräulein El. Lemke zu erfreuen gehabt.

Zu dem täglichen Anzug der Jamunderin gehört zunächst ein grobes, geteilt zugeschnittenes, ärmelloses Hemd, welches den Hals und den größten Teil der Brust freilässt. Dasselbe wird Niederteil „Nedderdeil" genannt. Darüber befindet sich das kurze „fîn Hemd", welches aus zartestem eigengemachten Linnen verfertigt und wie eine lose, hoch hinauf gehende Jacke gearbeitet ist. Die wenigen Fältchen oben stecken unter einem schmalen, glatt aufgesetzten Passe, den die Bäuerin auf zierliche Weise ausgenäht hat.

Fig. 3. Gestickter Pass zum „fîn Hemd" der Jamunder Braut.

Ein ebensolcher Pass ist auf die Achseln gesetzt, hat hier aber noch an beiden Seiten kleine, ausgeschürzte Zacken erhalten. Die langen Ärmel endigen in eine Manschette, die eigentlich nur ein breiter Pass ist, der vorstehendes Muster, durch Reihen in Hexenstich noch verstärkt, doppelt zeigt. Alle Stickerei ist in Weiß ausgeführt. Zusammengehalten wird das Hemd über der Brust durch eine Spange in Herzgestalt, Jôpsel genannt, über deren Form, Material und Herstellungsart weiter unten ausführlicher zu berichten ist.
Das nächste Stück ist das Schnürleib, das hinten ziemlich hoch, vorn aber tief ausgeschnitten sein muss. Es besteht aus buntem (rot, grün, weiß, schwarz), breit gestreiftem Drillich von Hausmacherarbeit, ist mit grober Leinewand gefüttert und am Halsausschnitt und au den Achseln mit dunkelblauem Wollenbande eingefasst. Vorn sind zwei starke Rohr- oder Fischbein-Stangen im Futter angebracht, längs deren Ösen und Haken befestigt sind. Durch dieselben führt ein rotbuntes, auf dem Webebrettchen hergestelltes Schnürsenkel. Unten schließt das Schnürleib mit einem großen Wulst ab, der rundum den Körper umgibt und die schweren Röcke tragen hilft, auch ermöglicht, dass die zahlreichen Plissees derselben, vorzüglich des Oberrocks, immer in gewünschtem Faltenzustand verbleiben.

Unter das Schnürleib wird der Brustlatz „Bostdôk“ geschoben, ein Gegenstand, der unsere Damenwelt in Schreck und Staunen setzen muss; denn er ist am besten mit einem ziemlich breiten, nach unten sich verjüngenden Brett zu vergleichen, das Brust und Magen beständig drückt. Freilich benutzt man nicht Holz, sondern Pappe dazu, doch diese ist von mächtiger Stärke und ermangelt aller Nachgiebigkeit. Der Latz wird auf beiden Seiten mit buntem Zeuge bezogen und vorn außerdem noch mit einer Menge über einander geschobener, breiter, farbiger Seidenbänder, mit Goldflittern und Goldspitzen besetzt, so dass das Ganze einen recht stattlichen Eindruck macht.

Dicke, dunkle, blaue oder schwarze Wollröcke bilden die Unterkleider. Sie sind, wie der Oberrock von Hausmacherarbeit und unterscheiden sich nur dadurch von letzterem, dass dieser am Saume mit grünem oder rotem, auch blauem Bande eingefasst ist. Die Länge der Unterröcke erreicht nicht ganz diejenige des Oberrocks, der bis zur halben Wade herabgeht. Der größte Teil von ihm ist übrigens gar nicht sichtbar, da er von der Schürze verdeckt wird, die ebenfalls dunkel in der Farbe, aber leichter im Gewebe gehalten ist. Befestigt wird die Schürze durch die auf dem Webebrett verfertigten Schürzenbänder, welche von gleicher Farbe, wie die Schürze selbst, sind. Dasselbe Schwarz oder Dunkelblau zeigen auch die langen Wollstrümpfe. Sie stecken in Pantoffeln, deren sehr hoher Absatz sich weit nach der Sohle vorgerückt findet. Bei den sogenannten Brautpantoffeln, d. h. den Pantoffeln, welche der junge Bursch in Jamund als Zeichen der Zuneigung seiner Braut zu verehren hat, ist das Oberleder kunstvoll ausgestochen. Um das Muster hervortreten zu lassen, wird ein Streifen rot gefärbten Leders darunter befestigt und dann eine schwarze Lederkappe vorn an die Spitze gesetzt (siehe Tafel II.).

Auf dem Kopfe trägt die Jamunderin ein weißes, ausgenähtes oder geklöppeltes Haubentuch, von welchem jedoch nur die äußerste Kante zu sehen ist; das übrige wird von einer steifen, stark gefütterten, eckigen, schwarzen Kappe „Mutz" bedeckt, an welcher Bänder von gleicher Farbe befestigt sind, die unter dem Kinn zusammengebunden werden. Unter der „Mütz“ quillt der Zopf hervor, zu dessen Verlängerung ein dreiteiliges, schmales Band von rotbunter Farbe, das auf dem Webebrett hergestellt wird, die sogenannte „Flecht“, mit in die Haare verflochten wird. Bei der verheirateten Jamunderin ist die Kappe überdies vorne mit einem Streifen hellen Pelzwerkes besetzt; sie heißt dann „Fruggesmütz“, im Gegensatz zu der pelzlosen „Maikesmütz“ und der in gleicher Form, aber aus buntem Stoff gefertigten und obendrein mit allerhand blankem Flitterkram besetzten Kappe für kleine Mädchen und Knaben, der „Kleinkinner-Mütz“.

Noch einer vierten weiblichen Kopfbedeckung mag hier Erwähnung getan werden, des sogenannten „Plünners“. Derselbe bildet den Kopfschmuck der Jamunder Konfirmandinnen und besteht aus drei etwa 40 cm langen und 10 cm breiten, weißen Binden, dem „Plünnerdauk“ und den beiden „Plünnerbinnen“, von denen die erste aus einem Stück ausgenähten Linnens besteht, während die beiden letzten aus selbst geklöppelten Spitzen gefertigt sind. Die drei Stücke werden durch Nadeln so auf dem Haare befestigt, dass das Ganze einer Spitzenhaube nicht unähnlich sieht.

Verlässt die Jamunderin das Haus, um einer Nachbarin oder Freundin einen Besuch abzustatten oder erwartet sie selbst Gäste, so zieht sie statt der Pantoffeln kurze Niederschuhe „bricket Schauh“ an, welche von schmalen Lederriemen, die über einem ausgefransten Lederstreifen verschlungen sind, auf dem Spann festgehalten werden. Der Absatz ist, wie bei den Pantoffeln, weit nach der Sohle vorgerückt (siehe Tafel II.).

Ferner zieht sie die Jacke „Jop“ über. Dieselbe ist sehr einfach aus schwarzem, selbst gewebtem Wollenstoff gearbeitet und innen rot abgefüttert. Die Ärmel sind lang und glatt; der Kumpf ist kurztaillig gehalten. Vorn befinden sich abermals, wie bei dem Schnürleib, zwei furchtbare Stangen, längs deren Ösen und Haken eingenäht sind. Der durch dieselben bewirkte Verschluss ist so innig, dass weder von dem farbenprächtigen Brustlatz noch von dem bunten Schnürleib auch nur das mindeste zu sehen ist. Um die Halsöffnung der Jôp wird als Kragen ein kleines, weißes Tuch gelegt, das nach dem Rücken zu mit einem Hühnerfuß |/ ausgenäht ist.

Gilt es einen feierlichen Gang, so wechselt die Jamunderin die Schürze und bindet statt der dunkelblauen Schürze die „witt Schört", vom feinsten Linnen gefertigt, vor. Oben ist eine Schnur eingezogen, so dass die Falten hin und her geschoben werden können. In der rechten Hand hält sie ein linnenes Tuch, das rundum mit einer kleinen Borte und in allen vier Ecken mit einem blattförmigen Muster bestickt ist, und zwar in roter Farbe. Die Stickerei ist höchst merkwürdig: ein gerade oder schief liegender Plattstich, oft nur über zwei Fäden geführt. Gewöhnlich ist die Figur verschoben und zudem (in Bezug auf rechte und linke Hälfte) sehr willkürlich behandelt. Der Gesamteindruck ist trotzdem ein günstiger.

Fig. 4. Jamunder Brauttaschentuch, mit rotem Garn gestickt (Eckstück).

Beim Gange zum Nachtmahl kommt als höchster Schmuck, aber nur der verheirateten Frau zustehend, der kurze, etwa einen halben Meter lange Mantel von feinem, schwarzem Tuch hinzu. Er ist wie die Jôp mit rotem Fries abgefüttert und hinten von Schulter zu Schulter in regelmäßige, schmale Falten gelegt, die durch untergeheftete Schnur in gefälliger Form erhalten bleiben. Bin sehr breiter, aufgesetzter Saum läuft im Nacken über die Schultern weg vorn herunter. Hinten ist Pappe in diesen Saum eingenäht, damit er kragenartig steif aufliegt. Vorn an der Innenseite ist durch große Kragenösen Gelegenheit gegeben, den Mantel mit den Armen, da diese durch die Ösen gesteckt werden, fester zu ziehen.

Außer dem oben beschriebenen gestickten Tuch hält die Kommunikantin noch das Gesangbuch in der Rechten, dessen Einband nach alter Sitte aus bunt ausgearbeitetem und gefärbtem Leder gefertigt ist. An der Schnittfläche befinden sich Beschläge. — Die Hände stecken bei solchen Gelegenheiten in nichts weniger als zierlich gearbeiteten, weiten Fausthandschuhen, die oben schwarzes Tuch, innen grobes, graues oder rotes Wollenzeug zeigen. Wertvoll werden diese Handschuhe jedoch durch die mühselige Stickerei, die mit bunter Seide in Steppstich und Plattstich ausgeführt ist und vorwiegend Blumen und Herzen darstellt. Die Naht, durch welche der Daumen in den Handschuh gefügt ist, wird durch Hexenstich verziert. (Näheres über die Ornamentik der Handschuhe, sowie eine besondere Abbildung im folgenden Hefte.)

Kaum weniger originell, als der Anzug der Frauen, ist derjenige der Männer. Auch hier haben wir eine Alltags- und eine Festtagstracht zu unterscheiden. Erstere besteht aus dem Hemd von grobem Linnen mit ziemlich hohem Kragen und langen Ärmeln. Die Manschetten derselben sind, ebenso wie der Kragen, nur bei den Brauthemden, und auch da nur ganz unbedeutend, ausgenäht. Über das Hemde wird das „Bostdôk“ (Brusttuch) gezogen, welches aus demselben Stoff gefertigt ist, wie das Schnürleib der Frauen (s. oben). Den Verschluss bildet eine einfache Reihe blanker Metallknöpfe. Es schließt am Hals eng an und reicht herab bis über den ganzen Unterleib. An beiden Seiten befinden sich Taschen, die mit einer großen Klappe verdeckt sind.

Das Bostdôk entspricht unserer Weste, nur mit dem Unterschied, dass bei dem modernen Kleidungsstück der Schoßteil über dem Beinkleid zu tragen ist, während derselbe bei dem Bostdôk untergeknöpft wird. Im übrigen trägt der Jamunder weiße, leinene oder gelbe, schaflederne an den Seiten ausgenähte Kniehosen. Jene werden mit rotbunten, nach Art der Schnürsenkel auf dem Webebrett gefertigten „Büchsen"-Bändern, diese mit ledernen Riemen unterhalb des Knies zusammengebunden. Von dem Gelb oder Weiß der Hosen hebt sich das Braun oder Schwarz der langen Wadenstrümpfe, in die an den Außenseiten ein einfacher Zwickel (in Form des Längsdurchschnitts eines langen, schmalen Kegels mit darauf gesetztem, auf der Spitze stehendem Rombus) gestrickt ist, wirkungsvoll ab. Zu den Strümpfen gehören kurze Schnallenschuhe (siehe die Abbildung der üblichen Schnallenform auf Tafel II), wenn man es nicht vorzieht, den ganzen Unterschenkel bis über das Knie hinauf durch plump gearbeitete Krempstiefel zu verdecken.

Das nächste Kleidungsstück des Jamunders ist das sogenannte „Fauderhemd“, ein langer, blauer, rot abgefütterter Rock von „fîfschäftigem“ Zeug, der vorne und an den Ärmeln mit blanken Messingknöpfen besetzt ist. Bald finden sich an den Seiten Taschen, bald fehlen sie. Der Schnitt des Fauderhemds ergibt sich aus der Abbildung. — Auf dem Kopfe tragen jung und alt. Verheiratete und Junggesellen die Zipoll-, d. i. Zwiebel-Mütze aus selbst gewirktem, rot-bunt gestreiftem Wollenzeug. Sie hat eine viereckige Gestalt, das heißt, es sind vier blattartige Stücke so zusammengefügt, dass die Mütze, nachdem unten noch ein steifer Rand dazu gekommen ist, einer Schachtel oder, wie die Leute wollen, einer Zwiebel ähnlich sieht. Auf der Mitte des Deckels befinden sich Schleifen von Wollenband, meist eine grüne und eine rote, in Kreuzform übereinander liegend.

Neben der Zîpollmütze ist auch die pelzverbrämte Bauernmütze mit rotem Deckel und silberner oder goldener Troddel, deren Verbreitung über ganz Deutschland geht, üblich; doch hat sich in Jamund die Sitte herausgebildet, dass dieselbe nur von Verheirateten getragen werden darf. Legt der Jamunder Bauer die Festtracht an, so hat er nicht viel Umkleidens nötig; er zieht einfach über das Fauderhemd den langen, dunkelblauen oder schwarzen Rock von ebenfalls fîfschäftigem Zeug, mit buntem Wollenstoff gefüttert. Derselbe ist ohne Kragen und Knöpfe und wird lediglich durch Haken und Ösen zusammengehalten. Die Ärmel enden in Stulpen, welche in regelmäßigen Abständen mit vier Fadenösen angeschürzt sind. Statt der Taschen sind Schlitze vorhanden, um (wenigstens haben dieselben sonst in Deutschland den Zweck) bei schlechtem Wetter die Vorderteile der Rockschöße durchzuziehen und sie dadurch vor Beschmutzung zu schützen. — Um den Hals wird, je nach der größeren oder geringeren Feierlichkeit, ein kattunenes, halb- oder ganzseidenes Halstuch geschlungen. Die Hände stecken in weißen, wollenen Fingerhandschuhen, die geschmackvolle, eingestrickte Muster aufweisen, auf jedem Finger eines in Ringform. Am Handgelenk hängen kleine Fransen von weißer Wolle.

Fig 5. Muster der Jamunder Fingerhandschuhe für Männer, mit weißer in weiße Wolle gestrickt.

Fig. 6. Muster der Jamunder Fausthandschuhe für Männer, mit weißer in schwarze Wolle gestrickt.

Letztere kommen sehr zur Geltung, da die Jamunder Mode verlangt, dass die unteren Teile der Handschuhe über die Enden der Rockärmel gezogen werden. Daneben finden sich auch schwarz-weiß gemusterte Fausthandschuhe; doch sind dieselben mehr für den alltäglichen Gebrauch im Winter bestimmt, während die weißen Fingerhandschuhe bei jeder festlichen Gelegenheit, ganz gleich, ob Winter oder Sommer, getragen werden. Statt der Mütze wird auf das Haupt mit seinen langen, bis über die Schultern herabwallenden Haaren ein gewaltig großer Dreimaster gesetzt. Erst seit dem Anfang dieses Jahrhunderts beginnt derselbe von dem Zylinder verdrängt zu werden, der sich dann bald alleinige Geltung verschafft hat. Nach dem Schwinden des Dreimasters stellten sich noch andere Veränderungen in der Tracht ein in schwarze Wolle gestrickt. Die bunten, lebensfrohen Farben, sowie alles Glänzende, traten mehr und mehr zurück. Statt der vielfarbigen Bostdäuker und Mieder wurden solche in einfacherer Farbenzusammenstellung gewählt; statt der glänzend blauen Fauderhemden fertigte man tiefschwarze. Die schmucke Michelmütze, der Plünner der Konfirmandinnen, die blanke Kleinkinner-Mütz, die buntgestickten Handschuhe der Frauen und die kunstvoll gemusterten weißen der Männer, alles kam in Wegfall, ebenso der stattliche Abendmahlsmantel, der rote Brautrock und die ausgenähten Lederhosen (wie die Kniehosen überhaupt). Die Schnallen an den Schuhen fielen weg, die Zwickel an den Strümpfen hielt man nicht mehr für notwendig, die kunstvoll ausgearbeiteten Pantoffeln wurden nicht mehr gefertigt, und auch die eigenartigen Schmuckstücke der Braut, des Bräutigams und des Hochzeitsbitters sind seit Jahrzehnten nicht mehr getragen worden.

Aber selbst diese stark vereinfachte Tracht hat der modernen Kultur nicht standhalten können. Nur vereinzelt ist heute eine Jamunderin und noch seltener ein Jamunder in der Nationaltracht zu schauen. Und als ob das Unheil nicht schnell genug kommen könne, ist das Hauptdorf Jamund, welches seit zwei und einem halben Jahrhundert von jedem größeren Brandunglück verschont geblieben war, am 3. November 1889 zur Hälfte ein Raub der Flammen geworden. Wenig haben die Leute zu retten vermocht; und ein Ersatz für die verloren gegangenen Stücke ist nicht möglich, da die Frauen, wie fast überall in Deutschland, so auch in diesem vergessenen Winkel, die Kunst des Webens und Stickens und Klöppelns verlernt haben und mit ihren Bedürfnissen auf den Händler in der Stadt angewiesen sind.