Jamunder Bauernhochzeit

Um so mehr dürfte es am Platze sein, ein Stück echten Alt-Jamunder Lebens vor Augen zu führen. Es möge darum hier die Schilderung einer Bauernhochzeit folgen, wie man dieselbe noch in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in Jamund und Lahns zu feiern gewohnt war:

Eine Eheschließung ist seit jeher bei dem biedern Landvolk zunächst Geschäfts- und erst in zweiter Linie Herzenssache gewesen. So auch hier. Da wird lange hin und her beraten, was er hat und was sie mitbekommt. Sind endlich die Parteien handelseins geworden, so geht's an die Vorbereitungen zur Hochzeit. Die Braut, selbst wohlhabender Leute Kind, heiratet in einen reichen Hof hinein. Da gilt's Ehre einlegen! Groß muss die Hochzeit sein, so groß, dass sie noch Jahre lang in aller Dorfgenossen Munde lebt. Das ist die Hochzeit aber nur, wenn alle, die zu den Eltern des jungen Paares und zu diesem selbst als Nachbarn, als Freunde, als Verwandte oder sonst wie in irgend welcher Beziehung stehen, als Gäste erscheinen. Einladungen über Einladungen müssen daher ergehen. Und zwar dürfen dieselben, alter Sitte zufolge, nur mündlich durch einen besonderen Einlader, den Hochzeitsbitter, erfolgen.


Zu dem Zwecke setzt sich der Bräutigam mit einem guten Freund in Verbindung. Derselbe legt seinen Sonntagsstaat an. Die langen Krempstiefeln sind frisch geschmiert; der stattliche Kirchenrock ist sauber abgebürstet. Um den Hals ist ein farbiges Seidentuch geschlungen. Auf dem Kopf trägt er einen reich mit Goldborten und Flitter benähten, rauen Zylinderhut. Über die Hände sind die weißwollenen, in reichem Muster gestrickten Handschuhe (siehe oben) gezogen. Dann ergreift er das Zeichen seiner Würde, den Hochzeitspieß. Der Dorfschmied hat die Lanzenspitze geschmiedet; den Schaft hat er selbst kunstreich hergerichtet. Nachdem er ihn rot gefärbt, hat er in vier langen, fingerbreiten Streifen schwarzes Leder der Länge nach mit blanken Buckelnägeln an den Stock geheftet. Kränze von ausgefranstem Leder, ebenfalls mit Buckelnägeln beschlagen, unterbrechen in schuhbreiten Zwischenräumen die Längsstreifen. Hart unter der Spitze endlich ist ein Täfelchen mit einem Lederriemen befestigt. Dasselbe ist bunt bemalt und in der Mitte in Herzform ausgestochen. Unter dem Herzen steht die Jahreszahl.

So ausgerüstet macht sich der Hochzeitbitter, begleitet von einem Gesellen, auf den Weg. Ohne den Hut abzunehmen, tritt er auf die Diele des Hauses, wo er schon von dem Wirt und dessen Angehörigen erwartet wird. Dreimal stößt er mit dem Spieß auf den gestampften Lehmboden, dass es schallt, dann setzt er ein Gesicht auf, wie der Pastor auf der Kanzel, und spricht mit dröhnender Stimme, dass die Wände wiederhallen:

„Guten Abend, guten Abend ins Haus! Ist der Wirt herein oder ist er heraus? Wir haben so lange gegangen, wir haben so lange gestanden, eh' wir das liebe Hochzeitshaus haben können erlangen. Nun haben wir es einmal erlangt; Gott gebe euch viel Glück und Segen darein. — Wir wünschen euch alles Liebe und Gute und alles Wohlergehen. Hochgeehrte und wertgeschätzte Freunde, nehmt es doch nicht vor übel an, weil wir so unverhofft zu euch herein kommen; denn wir haben eine christliche Werbung und einen freundlichen Gruß an euch zu vermelden, nicht von unsertwegen, sondern von zwei Personen, als nämlich von dem hochgeehrten Herrn Bräutigam N. N., wie auch von seiner herzvielgeliebten Jungfer Braut N. N. Weil diese beiden Personen gesonnen sein, sich durch Schickung Gottes, ihrer Eltern und guten Freunde in ein christliches Eheverlöbnis einzulassen, und, als unser Vermuten ist, am zukünftigen Freitage ihren hochzeitlichen Ehrentag austeilen wollen (als Werke zu verrichten beschlossen werden kann) und weil ihr christliches Vorhaben ohne gute Freunde und Nachbarn nicht geschehen noch vollzogen werden kann, also gelangt unser dienstfreundliches Bitten hier an den Herrn Hauswirt und an seine herzvielgeliebte Hausfrau, Kinder und Gesinde, Jungfern und Gesellen, dass sie doch möchten am zukünftigen Freitage, vormittags zehn Uhr, zu ihnen kommen und halten Hochzeit, nicht allein am Freitage, sondern die ganze Woche, so lange die Hochzeit währen wird, und essen und trinken und nehmen mit ihnen vorlieb. Und was sie euch können zu gute tun, das sollt ihr ungewegert von ihnen haben.“

„Ferner lassen sie euch bitten um einen Wagen mit vier Pferden, wohl ausgemundieret und alles was darauf gehört: Herr und Frau, Kinder und Gesinde, Jungfern und Gesellen, sie kommen geritten oder geschritten, vier, fünf, sechs, sieben, acht, soviel euer ganzes Haus vermag.“

„Ferner, so lässt der Herr Bräutigam und die Jungfer Braut euch bitten: Knaben und Jungfern, Jungfern und Gesellen, dass ihr doch möchtet ein wenig in der Zeit kommen und trinken ein Mal, zwei oder drei, und gehen mit den Brautleuten nach der Kirche und helfen ihnen den Reih stärken und vermehren und mit einem christlichen Gebet beiwohnen. Allda werdet ihr dann sehen, wie der Herr Bräutigam mit seiner vielgeliebten Braut durch priesterliche Hand verkoppelieret und verheiratet wird, und nach solchem Vertrauen werdet ihr euch in das Hochzeitshaus des N. N. in Jamund einverfügen. Allda werdet ihr dann finden ein wohlausgeziertes Hochzeitshaus, einen Tisch gedeckt, Stühle und Banken gesetzt, und werdet allda mit hochzeitlichen Ehren an einen hochgeladenen Tisch gebracht werden. Allda werdet ihr dann sehen, was Gott der Herr euch an Essen und Trinken durch Koch, Küchen- und Tischdiener wird vortragen lassen, günstig vorlieb zu nehmen, nach der Mahlzeit zum Tanz (das macht den Reih ganz) den Reih helfen stärken und vermehren; das geschieht dem Herren Bräutigam mit seiner vielgeliebten Braut zu Ehren.“

„Ferner lassen sie euch bitten, dass ihr doch möchtet keine notwendigen Sachen vorwenden, damit sie in ihren Ehrentagen nicht möchten verschwächt, sondern vielmehr gestärkt werden. Denn sie wollen sich gar keines Ausbleibens an euch versehen haben; denn wenn ihr wieder einen Sohn oder eine Tochter ausgebt oder sonst eine Clation (lies: Collation) anstellt, so wollen sie wieder gerne Hilfe und Beistand leisten, sofern als sie dazu geladen und gebeten werden.“

„Ferner lassen sie euch bitten, ob ihr nicht was viel Milch und Butter habt, dass ihr ihnen doch könnt mit einem wenig zu Hilfe kommen: mit einer Kann’ voll, mit einer Wann’ voll, mit einem Löffel voll, mit einem Scheffel voll; denn wir verhoffen mit williger Hand eine große, schwarze Kanne voll, dass die Grütze gut weiß wird. Das wollen sie auch gerne sehen.“

„Ferner lassen sie euch bitten, wenn hier noch wo ein unverhoffter Gast zu euch kommt, dass ihr ihn doch nicht gleich ausjagt, ihm doch was zu liegen helft auf die Bank oder unter die Bank, auf den Kumm oder dabei zu, oder bei den Mädchen, bei den Jungfern in das Bett bis an den hellen, lichten Morgen, dass er wieder zu den Seinigen in das Hochzeitshaus kommen kann. Das wollen sie auch gerne sehen.“

„Ferner lassen sie euch bitten, ob hier der Herr Hauswirt nicht was viel Äpfel verwahrt, die Hausfrau nicht was viel Feigen gebackt, die Mädchen, die Jungfern nicht was viel Nüsse gepflückt haben, dass sie den Hochzeitsbittern können auch was mitteilen. Denn wenn wir wieder zu den Brautleuten in das Hochzeitshaus kommen, dass sie doch sehen können, dass wir unsere Bitte desto besser verrichtet haben. Das wollen sie auch gerne sehen.“

„Tut euch belieben und nicht lange bedenken; habt ihr ein Kraus Bier, so tut mir einmal einschenken. Kann's sein ein Gläschen Wein, so soll’s uns desto lieber sein. Habt ihr keinen Wein, so kann's doch sein ein Gläschen Branntwein. Habt ihr keinen Branntwein nicht, so kann's sein ein gut Wort; damit reisen wir wieder frisch fort.“

„Ferner so bitten wir ganz freundlich für uns und für unsere Personen: Haben wir nicht recht wohl gebeten, so mögt ihr es desto besser verstehen, desto eher kommen, desto länger bleiben, desto lustiger und fröhlicher sein; denn wir sind noch jung an Jahren, wir haben die Sache noch wenig erfahren; wir sind noch jung in Ehren, wir verhoffen, es auf ein ander Mal besser zu lehren; wir sind noch jung von Knochen, wir verhoffen, es auf ein ander Mal besser zu machen.“

„Denn wir verhoffen, ihr werdet euch auf unsere Bitten wissen fleißig einzufinden und verachten Braut und Bräutigam nicht, und uns als zwei ausgesandte Diener und Boten daneben auch nicht, und nehmen mit ihnen vorlieb, was da kommt zu Tisch, es sei Wildbret, gebratene Hühner oder Fisch, Bier oder Wein, was am besten für die hochgeladenen Hochzeitsgäste und Freunde wird sein, nach der Mahlzeit zum Trunk, fröhlich zum Sprung, mit Beten und Singen, und helfen die Hochzeit mit Freuden zu Ende bringen.“

„Nun so nehmt es für eine Bitte an, weil die Bitte nicht besser werden kann; aber die Bitte ist klein. Stellt euch desto fleißiger zur Hochzeit ein.“

        „Ån Nået un Äppel un Fîge
        Låte sich dei Hochtîdsbiddes nich vadrîwe;
        Wenn s' dei warre krîge,
        Warres gêen still schwîge.“

Nachdem ihnen die Bitte gewährt ist und sie die Nüsse und Äpfel und Birnen bekommen haben, fährt der Sprecher fort:

„Denn wir sind zwei ausgesandte Diener und Boten; wir sind gesandt von Braut und Bräutigam; sie lassen den Herrn Hauswirt und die Hausfrau freundlich grüßen von dem ersten bis zu dem letzten, den Koch mit seinen Kellen und mit seinen Gesellen, sie mögen Namen haben, wie sie wollen. Ihr mögt das Haus so lange auf den Boden ziehen. Ihr sollt uns angenehme Gäste sein. Sie lassen euch darum bitten, ihr mögt ihre Stühle und Banken nicht zerbrechen, ihre Löffel, Teller, Tischtücher nicht zerstoßen noch zerstechen, und halten euch fein säuberlich bei Tisch und treiben kein Ungewerb und Unschicklichkeit bei Tisch und halten den Herrn Hauswirt und die Hausfrau wert und lassen sein Hausgerät wohl unveracht’t; und wenn euch ein Gläschen Bier wird zugebracht, so nehmet es an mit Dank. Nun so haben wir unsere Bitte mit des vollbracht. Wir wünschen euch auf den Abend eine lustige und fröhliche Sach’. Denn wir verhoffen, der Herr Hauswirt wird uns ein Kraus Bier schenken, die Hausfrau einen Stuten, als ein Arm lang, dann werden wir sagen großen Dank. Amen“*).

*) In dem uns vorliegenden Manuskript des Hochzeitsliedes und des Liedes zum Ausbitten, welches im Jahre 1838 von einem Jamunder Bauer niedergeschrieben ist, sind, offenbar durch Versehen des Abschreibers, die beiden letzten Absätze des Ausbitterliedes (siehe Heft 2): „Nun, ihr Herren Musikanten, — late sei uck birre. Amen“ hinzugefügt.

Nachdem die Zusage von dem Hauswirt erteilt ist, zieht der Hochzeitsbitter mit seinen Gesellen in den nächsten Hof, um dort dieselbe Predigt zu halten, mit nicht minderem Ernst und mit nicht geringerer Anstrengung seiner Lungen, und so setzt er es fort, bis endlich auch der letzte Gast geladen ist. Führt ihn sein Weg außerhalb des Dorfes, so entledigt er sich seines Auftrages hoch zu Ross. Inzwischen mühen sich die Angehörigen der Brautleute ab, die beiderseitigen Höfe hochzeitlich herzurichten. Große Mengen von Butter, Weizenmehl und Grütze werden beschafft, ein Rind wird geschlachtet, Bier wird gebraut, Branntwein aus der Stadt besorgt, und bei den Fischern aus den benachbarten Seedörfern werden große Bestellungen an Fischen aller Art gemacht. Die Bettlöcher werden mit den frisch gewaschenen Feiertags-Vorhängen versehen. Kunstvoll sind in dieselben, weiß auf blau, figürliche Darstellungen hineingewirkt, alte Jamunder Arbeit, schon von der Urahne gewebt und in der geschnitzten eichenen Brautlade aufbewahrt. Der Spalt, welchen die beiden Shawls der Vorhänge lassen, wird bis an die Decke der Bettlöcher ausgefüllt von schwellenden Kissen. Die breiten Einsätze der Bezüge (Büren) sind von der Braut und ihren Freundinnen eigens zu dem Feste gearbeitet und lassen auf dem blauen oder roten Inlett scharf und deutlich das prächtige Muster erkennen.

Auf der sorgsam geglätteten und mit frischem Sande bestreuten Diele und in der Stube werden Tische aufgestellt und mit schneeweißem Linnen gedeckt. An dem Ehrentische stehen neben den anderen Stühlen zwei funkelnagelneue, mit lebhaften, aber nicht grellen, das Auge verletzenden Farben bemalt. Der hochbeinige Bräutigamsschemel mit dem Doppeladler und den sich schnäbelnden Tauben und der zierlich mit Binsen beflochtene Brautstuhl, dessen kunstreich gearbeitete Rückenlehne mit zahlreichen Glöckchen behangen ist. Jetzt ist das nur Zierrat, vor alters sollte der Klang wohl dazu dienen, unheilbringende Dämonen zu verjagen. So finden sich auch zuweilen statt der Schellen in dem für diesen Fall doppelt beflochtenen Boden kleine Steinchen und Scherben, die bei jeder Bewegung des Stuhles klappern und klingen.

Der Hochzeitstag naht heran. Am Abend vorher, also am Donnerstag, finden sich die Freunde der Braut in dem Hofe von Brautvater und -Mutter und die Freunde des Bräutigams bei dessen Eltern ein, um die Vorfeier (Affeiring) zu begehen. Gegessen und getrunken wird dabei, wie bei der eigentlichen Hochzeit und den darauf folgenden Tagen, nur dass die Parteien getrennt sind. Auch die Anordnung der Tische und die Art der Gerichte ist an allen Hochzeitstagen dieselbe. In der Mitte jedes Tisches stehen bunt bemalte Schüsseln und Teller von roher hinterpommerscher Technik; sie enthalten Grütze oder Reis, Kartoffeln mit Überguss, Fische, Butter und gesottenes Fleisch. Braten kannte der alte Jamunder nicht, obgleich der Hochzeitsbitter in seinem Spruche den Gästen den Mund wässerig macht mit Wildbret, gebratenen Hühnern und Fisch. Über den Schüsseln liegen große Brote, von feinstem Weizenmehl gebacken. Vor jedem Sitz steht ein eckiger oder runder, mit der Hofmarke des Hauswirts versehener hölzerner Teller. Derselbe ist blank gescheuert, ebenso wie der geschmackvoll aus Holz geschnitzte Löffel, mit dem männiglich zugreift, um aus gemeinsamer Schüssel von der Grütze, dem Reis, den Kartoffeln und den Fischen zu essen. Von dem Fleisch nimmt jeder nach Belieben mit dem Taschenmesser ein Stück von der Schüssel und legt dasselbe dann vor sich auf den Holzteller und zerschneidet es; ebenso nimmt er von dem Weißbrot. Die übrig bleibenden Knochen werden unter den Tisch geworfen.

Das Rindfleisch macht Durst, und der Fisch will schwimmen, ganz abgesehen davon, dass jeder Jamunder zu einer Hochzeit von vornherein seinen rechtschaffenen Durst mitbringt. So wird denn wacker den großen zinnbedeckelten Kannen und Krügen aus Steingut zugesprochen, die bis an den Rand mit Bier gefüllt sind. Wer's stärker und kräftiger liebt, o-reift nach den Flaschen mit Branntwein. Auf dem Ehrentisch wird auch richtiger Wein geschenkt, wenigstens haben die Flaschen die richtige Gestalt und der Inhalt die richtige rote Farbe.

Der folgende Tag, der Freitag, bringt die eigentliche Hochzeit. Während die Gäste sich an Warmbier und Kuchen erquicken, wird die Braut hochzeitlich geschmückt. Statt des schlichten, schwarzen Oberrockes zieht sie einen reich gefalteten Rock von brennend roter Farbe an, zum großen Teil verdeckt von der schneeweißen, linnenen Brautschürze. Die zierlich in Leder ausgeschnittenen Brautpantoffeln, das erste Geschenk des Bräutigams an die Auserkorene, welche sie gestern bei der Affeiring getragen, machen den „bricket Schauh“ Platz. Um die Schultern liegt das kleine, schwarze Abendmahlsmäntelchen, das sie heute mit dem Gang zur Trauung zum ersten Male trägt, um sich dann damit fürs ganze Leben bei jeder Nachtmahlsfeier zu schmücken. Noch aber fehlt die Hauptsache, der Brautschmuck, der in der ganzen Umgegend von Köslin bei den Landbewohnern berühmte Jamunder Pâil. Derselbe setzt sich zusammen aus drei Stücken: aus der Brautkrone, aus dem Halsband mit Kragen und dem Leibband. Bei allen drei Teilen ist mit Edelmetall nicht gespart.

Die Brautkrone (siehe Tafel II) besteht aus einem handbreiten Reifen von Silber, mit Gold gemischt; darüber erhebt sich ein hohes Drahtgestell. Der Reifen hat eine große Menge kleiner Löcher, durch welche schmale Seidenbänder gezogen werden, und ist außerdem mit Metallknöpfen besetzt. Ein jeder Knopf hat einen waagerecht abstehenden Dorn, der in Ösen zierliche Hängenbleche trägt; auch durch diese Ösen ist seidenes Band gezogen. Oben auf dem Reifen türmt sich, gestützt von dem Drahtgestell, ein fußhoher Berg von Glas- und Flitterwerk (Glaskugeln, Ferien, Zeug- und Papierblumen, Federn u. s. w.) in allen denkbaren Farben. Innen befindet sich ein mit Rauschgold beklebter Reifen, welcher das Tragen der Krone erleichtern soll. Unter der Krone ist das Haar der Braut, das im übrigen, wie sonst, im Zopf getragen wird, mit einem roten und einem schwarzen Seidenbande, die aber von außen nicht sichtbar sind, geschmückt.

Der Brautkragen ist aus breiten Spitzen gefertigt, die in Plissees gelegt sind und mit einem Seidenband zusammengehalten werden. Er steht als aufrechte Krause über dem sogenannten „witt Kragen“ (siehe oben) um den Hals, was nur durch das Hinzukommen eines etwa 3 cm breiten Gurtkragens möglich ist. Der letztere ist aus sehr steifem Material gearbeitet und wird mit rotbuntem Zeuge bezogen, auf welches noch Goldspitze geheftet ist. Ein silbernes Schloss mit Kette und Hängezierrat schließt ihn vorn, während rechts und links von diesem Schloss noch weitere silberne Hängebleche angebracht sind. (Siehe die Abbildung des Endstückes eines Gurtkragens auf Tafel II.)

Der Brautgürtel, welcher um die Jacke hart unter der Brust geschlungen wird, hat ein ähnliches, aber bedeutend größeres Schloss (siehe die Abbildung auf Tafel II). Es zeigt zwei flache, verzierte Platten, die durch Haken und Ösen nur mittelbar verbunden werden, da der eigentliche Verschluss in der Weise stattfindet, dass von den Ösen aus eine kurze Kette zu den Haken hinüberführt und so eine Verengerung oder Erweiterung des Gürtels ermöglicht wird. An der Kette hängen rasselartige Troddeln. Der Gürtel selbst ist ungefähr 6 cm breit und besteht aus steifem, mit schwarzem Wollenbande bezogenem und mit rotem Seidenbande eingefasstem Stoffe, auf den Goldspitzen und Flitterwerk, sowie ein Dutzend verschiedenartig gearbeiteter, runder, silberner Bleche in Größe der Fünfmarkstücke in regelmäßigen Abständen geheftet sind.

Der Pâil ist oder, besser, war (denn jetzt besitzt ihn das Museum deutscher Volkstrachten), so zu sagen, Dorfeigentum. Wenn auch vor alters von einer bestimmten Familie käuflich erworben, so wird er doch bei jeder neuen Hochzeit für ein Handgeld verborgt, und jede Jamunder Braut, die mit Ehren ihren Ehrentag begehen darf, hat das Recht, die Hergabe des Pâil zu verlangen.

An dieselbe Bedingung knüpft sich das Tragen der goldenen Kette, welche der Braut um den Hals gelegt wird, nachdem sie die bunt ausgenähten Handschuhe angezogen und das kunstvoll gebundene, in das gestickte Brauttaschentuch gehüllte Gesangbuch in die Hand genommen hat. Das Tragen dieser langen, schlicht gearbeiteten Kette ist übrigens nicht älter als unser Jahrhundert.

Als die Prinzessin Charlotte, die spätere Gemahlin des Kaisers Nikolaus von Russland, im Jahre 1817 in Begleitung ihres Bruders, des Prinzen Wilhelm, nachmaligen Kaisers Wilhelm I, auf ihrer Reise nach St. Petersburg durch die Stadt Köslin kam, wurde sie am Fuße des Gollenberges von einer Schar Jamunderinnen begrüßt. Dem Mädchen, welches das Begrüßungsgedicht sprach, schenkte die Prinzessin eine goldene Kette: dieselbe wurde als Heiligtum aufbewahrt und in der Folge jeder ehrlichen Braut auf dem Kirchgange umgehängt.

Der Aufputz des Bräutigams hat weniger lange gedauert. Er zieht einfach den oben beschriebenen Kirchenstaat an, nur dass er an diesem Tage eine Schleife von Seide und Goldbrokat um den Hals legt, den sogenannten Bräutigamsflor, und dass an seinem Dreimaster ein großer Strauß von gemachten Blumen befestigt ist.

Nachdem Braut und Bräutigam in großem Zuge zur Kirche gezogen sind und der Pastor die heilige Handlung vollendet hat, gehen alle Gäste, voran die Musikanten, zu dem Teil, welcher in den Hof hinein heiratet, also in unserem Falle in das Haus der Braut und ihrer Eltern. Dort wird gegessen und getrunken, getanzt und gesprungen bis in die Nacht hinein, und dort findet sich zu der gleichen angenehmen Beschäftigung auch alles am Sonnabend Morgen wieder zusammen. Das geht so fort, bis um die Mittagszeit der Umzug in den Hof, in welchen die Braut hineinheiratet, stattfindet.

Jetzt tritt der Hochzeitsbitter wieder in seine Rechte. In derselben Ausstaffierung, wie wir ihn beim Einladen der Gäste kennen gelernt haben, tritt er vor die Versammlung, stößt dreimal mit dem Spieß auf und spricht das Ausbitterlied:

„Ihr vielgeliebten und auserwählten Hochzeits-Freunde und Gäste, was soll ich euch wünschen tun für meine Person? Ich werde es wohl wissen nun, dass Gott euch geben wolle eine geratene Eh', die Gott bescheren wird. Gott bescher' euch Kindeskinder, dass die Eltern an euch Freude finden. Gott gebe euch Friede und Eintracht, dass einer den andern lieb haben mag“*).

*) Im Manuskript lautet der letzte Satz verderbt: „Solches Gott gebe, Gott finde Friede und Eintracht, dass einer den andern lieb haben mag“.

„Solches soll nun bedeuten, dass ein Bräutigam seine Braut und die Braut den Bräutigam, sie sind gleich jung oder alt, reich oder arm, hässlich oder schön, von Tagen zu Tagen, von Wochen zu Wochen, von Monat zu Monat, von Jahren zu Jahren, in Lieb und Leid lieb und wert halte, so lang' sie leben allezeit.“

„Gott regiere die Hochzeitsfreunde, dass sie nicht kommen allein zum Trinken und Essen, sondern dass sie Gott um eine wohlgeratene Ehe anrufen, die Gott bescheren wird. Gott beschere, was euch nützlich und dienstlich sei zu diesem und zum ewigen Leben, das ist der allerbeste Schatz, den man von Gott haben und wünschen mag.“

„Ferner, was soll ich euch wünschen? Gute Gesundheit, Friede und Einigkeit, damit ihr mit eurem Ehegatten in Friede und Freundschaft bleibet, bis euch der Tod von einander scheidet.“

„Ferner, so lässt der Herr Bräutigam die Jungfer Braut auch bitten mit Vater und Mutter, mit Brüdern und Schwestern, mit allen ihren gebotenen Hochzeitsgästen, dass sie doch mögen so gütig sein und ziehen mit mir in des Bräutigams Vater, Bauer N. N. in Jamund, seine Behausung über Feld. Allda werden sie uns empfangen mit Gläschen und Schenkkannen, dass wir da leben mit Gemach; zudem werden alle guten Freunde mitgebracht. Wo sind denn nun meine Lieben? Wo ist der und der und der geblieben, der mir hier und da helfen verhieß, der mir dienet mit Genieß? Nun ist all mein Hab und Gut verzehrt, ein jeder mir den Rücken zukehrt, ein jeder sieht mich lieblich an, ob ich's auch wohl lernen kann. Ich finde mich betrogen; Glück ist hingeflogen. Glück hat seinen Rat vertrieben. Wo ist denn mein Mann geblieben, der auf solche Freunde bauen kann? Freude, Friede, Freunde, soll unsere Freundschaft sein! Ich wollt' euch wohl wünschen gute Gesundheit, Fried’ und Einigkeit.“

„Ferner, wenn die Leute gegessen und getrunken haben, was gehört noch mehr dazu? Gut Bier und Wein, damit sie können lustig sein, und wenn die Gäste nicht mehr essen und trinken können, sein sie von mir gebeten, ziehen den Hut ab und geben gute Nacht. — Schlaft gesund, ihr lieben Hochzeitsgäste, Gott geb' uns einen fröhlichen Morgen!“

„Ferner, was soll ich der Jungfer Braut auch wünschen auf ihren Tisch? Ich werde es wohl wissen: gebratene Hühner oder Fisch, Bier oder Wein, damit sie kann lustig sein. Ich wollt ihr auch wohl wünschen gut Wetter und Wind, damit sie sich bei ihrem Liebchen im Bettchen gut find't. Ach wie lieblich und holdselig wird das Bettchen sein, wo die zwei Liebchen zusammen kommen hinein, wo sie sich in rechter Liebe zusammenkehren und wo einer den andern in Liebe so hält *), dass es unserm Gott im Himmel wohl gefällt.“

„Nun ich kann nicht länger reiten hier, ich möchte auch wohl gerne was essen und trinken Bier; denn ich verhoffe, ihr werdet mir eins schenken hier. Ich wollt' mir auch wohl wünschen, dass ich auch ein Liebchen hätte, das mir so täte! Ach, wie wollt' ich mit ihm herzen, ach, wie wollt' ich mit ihm scherzen, du allerschönstes Liebchen, du, du!“ **)

„Nun, ihr Herren Musikanten, fasset all' eure Gedanken recht zusammen, hin und wieder, spielt die besten, schönsten Lieder, die ihr nur ausdenken könnt! Wünschet Glück zu diesem verlobten Paare! Lasset sie in Ehren fahren, lasset sie in Ehren gehen, dass sie Kindeskinder sehen! Nun, ihr Herren, nehmt es wohl in acht! Dann adieu zu guter Nacht.“

„Nun, so rüstet euch zu, schmieret eure Schuh, spitzet eure Schwert, sattelt eure Pferd, lasset die Sporen wohl klingen und helfet die Brautleute mit Freuden in das vorbemeld'te Hochzeitshaus hineinbringen!“

„Un nu dei Brûtlued, dei Spêllued, dei Trüwweleides, dei Bîsittes, dei Köstebiddes, dei Feiringsbiddes, dei Hûsvadde, dei Hûsmudde, dei Kockmeiste, dei Kåeksch, dei Upwasches, dei Beddkemåkes, dei Dêlkestråkes, dei Fuerkeanbåetes, dei Askepråetels un all, dei hie eie Amt häwwe, låte sei uk birre. Amen!“

*) In dem Manuskript lautet die Stelle verderbt: „und wo einer den andern sich gefällt so lieben, dass es u. s. w.“
**) In dem Manuskript ist, durch Versehen des Abschreibers, ganz unsinnig der Absatz aus dem Ladespruch hinzugefügt: „Denn ich bin ein ausgesandter Diener und Bote etc. — die Hausfrau einen Stuten, als ein Arm lang; dann wird’ ich sagen großen Dank“.


Sobald der Hochzeitsbitter geendigt hat, macht sich die ganze Gesellschaft auf den Weg in das Haus des Bräutigams, um dort wieder Speise und Trank nach Kräften zuzusprechen. Der Verlauf des Mahles unterscheidet sich nur dadurch von dem am Freitag abgehaltenen, dass allerlei Mummenschanz getrieben wird. Es erscheinen ein Mann und eine Frau in Bettlerkleidung. Er zankt, sie keift, und schließlich liegen sich beide in den Haaren. Auch ein Bär tritt auf. Ein junger Bursche hat sich zu dem Zwecke in Erbsenstroh wickeln lassen und tanzt nun und brummt und wirft sich auf den Boden und ergötzt durch seine Späße die Anwesenden.

So geht der Sonnabend dahin. Am folgenden Tage versammelt sieh die Gesellschaft wiederum im Hause des jungen Wirtes. Speise und Trank werden in gleichem Maße und in gleicher Menge gereicht, wie an den Tagen vorher; doch erhält der Sonntag dadurch seinen besonderen Reiz, dass an ihm das junge Paar zum ersten Male als Eheleute die Kirche besucht.

Am Montag ist die Nachhochzeit (Nâhochtîd). Die Gesellschaft ist getrennt: die Freunde und Verwandten der jungen Frau tafeln bei den Brauteltern, die andern im Hause des jungen Ehemannes. Bei der Nachhochzeit wird der Neuvermählten von den Frauen statt der Maikesmütz, die sie bis dahin getragen, die Fruggesmütz auf das Haupt gesetzt. Auch dem Manne wird an diesem Tage das Vorrecht seines neuen ehelichen Standes zu teil, die Berechtigung, die rote Mütze zu tragen.

Am Dienstag findet endlich der letzte Akt der Jamunder Hochzeit statt, die Überführung des Brautgutes von dem Hause der Eltern in dasjenige des Mannes. Zwei Wagen genügen. Dieselben sind festlich geschmückt, ebenso wie die Pferde und die Rosselenker. Außer dem Kutscher hat auf jedem der beiden Fuhrwerke ein junges Mädchen Platz genommen: das eine sitzt vor dem Spinnrocken der Braut und spinnt, das andere windet Garn von der Haspel. Sind die Truhen, die Wiege und der übrige Hausrat an ihren Bestimmungsort gelangt und abgeladen und aufgestellt, so vereint noch einmal ein Schmaus die ganze Hochzeitsgesellschaft bei dem jungen Paare. Damit ist dann aber auch des Guten genug getan und die Feier zu Ende, nachdem sie volle sechs Tage hindurch das ganze Dorf vom ältesten bis zum jüngsten in Aufregung versetzt und erhalten hat.