Jahresbericht des Deutschen Wohltätigkeitsvereins in St. Petersburg

Jahresbericht von 1844 vorgetragen in der Generalversammlung am 18. März 1845
Autor: Komitee des Deutschen Wohltätigkeitsvereins St. Petersburg, Erscheinungsjahr: 1845
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, St. Petersburg, Deutsche in Russland, Wohltätigkeitsverein, Wohltätigkeit, Spenden, Unterstützung
Im November 1843 wandten sich die Stifter dieses Vereins, nach Angabe ihrer Absicht im Allgemeinem durch Aufforderungen zu Sammlungen, an die Wohltätigkeit der Bewohner Petersburgs, namentlich der Deutschen, um einen von ihnen schon längst Bedürfnis anerkannten Zweck zur Ausführung bringen zu können. Je weniger Ihnen überhaupt, abgesehen von dem persönlichen Zutrauen zu den Stiftern und dem Bewusstsein ein gutes Werk zu befördern, die Art und Weise unserer Tätigkeit bekannt sein konnte, um so mehr fühlen wir uns von Dank gegen Sie durchdrungen, die Sie das Zustandekommen eines Vereins möglich gemacht haben, der hoffentlich noch nach langen Jahren seine segensreiche Wirkung ausüben wird.

Wohl viele der hier ansässigen Deutschen haben schon seit langer Zeit den Wunsch im Herzen getragen, für ihre verarmten Landsleute auf zweckmäßige Weise Sorge getragen zu sehen. Ähnliche Anstalten anderer Nationen, die seit Jahren mit Erfolg hier bestehen, aber freilich auch weit weniger Schwierigkeit zu überwinden hatten, mussten diesen Wunsch um so mehr rechtfertigen und es konnte deshalb auch bei den ersteren Stiftern unseres Vereins kein Zweifel am Erfolge Statt finden.
Mit vertrauensvollem Mute begannen sie ihr Werk und wussten mancherlei der Gestaltung und Instandsetzung desselben entgegenstehenden Schwierigkeiten zu begegnen.

Es ist hier der Ort, der lebhaften Teilnahme zu gedenken, welche Sr. Erlaucht, der verstorbene Graf Alexander v. Benkendorf, vom ersten Entstehen an, dem Verein zuwandte, und mit welcher er, bei der ihm eigenen Herzensgüte, das Protektorat desselben übernahm. Unterdes setzten die Stifter ihre Arbeiten fort, entwarfen die Statuten und erhielten am ersten Dezember 1842 die Allerhöchste Bestätigung derselben. Trotz dem bedurfte es noch Monate, um die vollständige Organisation des Vereins vorzubereiten und die zur Tätigkeit notwendige und erbötige Anzahl der Komitee-Mitglieder zu ergänzen. Mit Rücksicht auf örtliche Verhältnisse wandte sich das nun vollständige Komitee erst im Anfange des Winters 1843/44 an das Publikum, um seinen seit Jahren gehegten Plan endlich in Ausführung zu bringen.

Empfangen Sie, meine Herren, so wie Alle, die zu diesem frommen Werke beitragen, unsern innigsten Dank. Wenn freilich nur wir, die wir wenigstens einigermaßen den Gegenstand unserer Tätigkeit kennen, im Stande sind zu beurteilen, was zu einer vollständigen Erreichung unseres Zweckes nötig war, so fühlen wir uns doch um so mehr verpflichtet anzuerkennen, dass die Gaben, wenn auch nicht das Bedürfnis, doch unsere Erwartungen überstiegen haben.

Wie immer, wo es gilt wohl zu tun, haben Se. Majestät der Kaiser, Ihre Majestät die Kaiserin , Se. Kaiserliche Hoheit der Herzog von Leuchtenberg uns auf das Großmütigste jährliche Unterstützungen zugesagt und eben so haben Se. Majestät der Kaiser von Österreich, Se. Majestät der König von Preußen und Se. Majestät der König von Sachsen, so wie Se. Königliche Hoheit der Herr Großherzog von Sachsen-Weimar durch bedeutende jährliche Beiträge oder Darbringung von Gründungs-Kapitalien Allerhöchst ihre Teilname an unserm Vereine betätigt und unsere Hoffnung hat uns also nicht getäuscht, dass unser Unternehmen auch von dem gemeinschaftlichen Vaterlande nicht mit gleichgültigen Augen betrachtet werden würde.

Vor Allem danken wir den großherzigen Gebern, die durch Schenkung von Kapitalien das dauernde Bestehen unseres Vereins gesichert und einen Anhaltspunkt geliefert haben, an den gewiss mit der Zeit Viele sich anschließen werden, um an dem freudigen Bewusstsein Teil zu nehmen: für immer zu dem Wohlsein ihrer leidenden Landsleute beigetragen zu haben. Aber auch die einmaligen Gaben, die zur Befriedigung des augenblicklich vorhandenen Bedürfnisses bestimmt waren, kamen in reichem Maße ein.

Unter den im Allgemeinen mit Dank anzuerkennenden Gaben fühlen wir uns verpflichtet, namentlich der deutschen Gewerke zu gedenken. Noch ehe sie im Stande waren zu erkennen, dass ein großer Teil der von uns Unterstützten, aus Witwen und Waisen von deutschen Handwerkern bestehe, haben dieselben einen beträchtlichen Teil unserer Gesamteinnahme beigesteuert; und es lässt sich um so mehr mit Zuversicht erwarten, dass dieselben nicht nachlassen werden, jetzt um so eifriger uns ihre Mitwirkung zur Erreichung des uns vorgesteckten Zieles angedeihen zu lassen.

Mit solchen Mitteln begannen wir am Anfange des vergangenen Jahres unsere Tätigkeit, mit der Absicht, allen wirklich Bedürftigen und der Gabe würdigen nach Kräften beizustehen; allerdings aber der Natur der Sache nach, ohne genaue Kenntnis sowohl von der Ausdehnung der uns bevorstehenden Tätigkeit, als auch von der zweckmäßigsten Art und Weise dieselbe zu regeln. Wir mussten der täglichen Erfahrung die allmähliche Verbesserung unseres Verfahrens überlassen und gestehen gerne ein, dass wir dieselbe nicht ohne einiges Lehrgeld erlangt haben. Die von Anfang bis zu Ende des Jahres fortwährende Zunahme der Hilfe suchenden, ohne eine zu einem Überschlage notwendige vorhergehende Kenntnis der Anzahl, dazwischen vorkommende unabweisliche bedeutende Ausgaben nötigten zur Sparsamkeit im Allgemeinen, die wir um so mehr für gerechtfertigt hielten, als wir anerkennen mussten, dass es besser sei, von Anfang an langsam und vorsichtig zu verfahren, um erst bei genauer Kenntnis der wirklichen und dringendsten Bedürfnisse alle unsere Kräfte zur Befriedigung derselben anzuwenden.

Außerdem drängten sich uns schon in den ersten Monaten Bedürfnisse auf, deren Erfüllung weit unsere Kräfte überschritt; deren Wichtigkeit wir aber trotz dem nicht verkennen konnten. So lässt es sich nicht leugnen, dass es höchst wünschenswert wäre, die nicht unbedeutende Zahl von Männern, die durch Alter, Krankheit, überhaupt vollkommene Erwerbslosigkeit, ohne eigene Schuld, einzig und allein an die Wohltätigkeit ihrer Mitmenschen gewiesen sind, und, da niemand ihr tägliches Brot ihnen bringt, genötigt sind, es in den Häusern zu erbetteln, in einem gemeinschaftlichen Versorgungshause unterzubringen, zu dessen Unterhalt die Summe aller von den Einzelnen erbettelten Gaben gewiss hinreichen würde. Eben so würden in einem gemeinschaftlichen Lokale Frauen, die sich noch durch ihre Händearbeit ernähren, besser und billiger zu erhalten sein, als so lange jede für sich allein Wohnung und Nahrung zu besorgen hat. Vor Allem aber waren es die Kinder armer, leider auch häufig unwürdiger Eltern, die unser lebhaftestes Mitgefühl in Anspruch nahmen. Es handelt sich hier nämlich nicht allein darum, Armut und Elend, die häufig mit einer des Menschen nur zu wenig würdigen Gleichgültigkeit ertragen werden, zu mildern, — denn beseitigen lässt es sich in diesen Fällen selten — sondern es gilt, aus Kindern, denen eine Laufbahn bevorsteht, die in Unwissenheit und schlechten Sitten beginnt und nur zu oft in Lastern und Verbrechen endet, Menschen zu machen und ihnen die Mittel eines ehrbaren Fortkommens zu sichern. Leider übersteigen selbst bei der zweckmäßigsten und sparsamsten Einrichtung die Kosten dieser doch so notwendigen Anstalten bei Weitem die Mittel unseres Vereines; allein wir geben nicht die Hoffnung auf‚ mit der Zeit dieselben noch ins Werk setzen zu können. Wenn nur sämtliche Mitglieder dieses Vereines, so wie wir, Gelegenheit gehabt hätten, sich von dem dringenden Bedürfnisse zu überzeugen, so würden wir nicht mehr lange auf das Zustandekommen zu warten haben.

Alle diese Betrachtungen, meine Herren! die Unmöglichkeit, das noch bevorstehende Bedürfnis zu beurteilen, der Wunsch nur auf die zweckmäßigste Weise die uns anvertrauten Gaben zu verwenden, die Voraussicht endlich, dass zu größeren Einrichtungen, die segensreicher als einzelne Almosen sein würden, unsere Mittel geschont werden müssten, erklären Ihnen, warum wir nicht unsere sämtlichen Einnahmen ausgegeben haben.

Erlauben Sie uns nun Ihnen in wenigen Worten die Hauptgrundsätze mitzuteilen, die uns bei Verteilung der Gaben geleitet.

Mit dem Beginne unserer Tätigkeit wurden wir sehr bald gewahr, dass wenn wir die uns anvertrauten Mittel dem vorgesetzten Ziele gemäß anwenden wollten, dies nur nach vorheriger genauer Bekanntschaft mit dem wirklich vorhandenen Notstande unserer Armen und der Quellen, aus welchen derselbe bei den Einzelnen entsprungen, geschehen dürfe. Wir überzeugten uns, dass nur durch fortgesetzte Besuche in den Wohnungen der Armen, diese Bekanntschaft erworben werden kann und unsere ersten Nachforschungen lieferten den Beweis, dass diejenigen, welche, sei es durch Krankheit oder Pflege kleiner Kinder, oder aber durch die Scheu, den Untergang ihres früheren Wohlstandes einzugestehen; durch Unbehilflichkeit oder Unkenntnis, wo Hilfe zu finden, bei ihrem Elende zu Hause gehalten werden, ungleich größere Ansprüche an unsere Unterstützung hätten, als die auf den Schein von allen diesem abgerichteten Straßenbettler. Zu jenen beiden Klassen von Armen, und als noch bei Weitem dringender unseres Beistandes bedürftig, gehörten die aus dem Vaterlande hier arm eingewanderten oder nach kurzem Aufenthalte verarmten Landsleute. Diese, als Lehrer, Künstler, Ökonomen, Handwerker — besonders von den hier zu Lande von Deutschen nicht betriebenen Gewerken, als: Maurer, Zimmerleute, Müller, und s. w. oder Dienstboten, sehen die geträumte Leichtigkeit hier ihr Glück zu machen oder auch nur Fortkommen zu finden, durch Unkenntnis der Sprache und Ortsverhältnisse, zugleich mit dem wenigen Mitgebrachten nur zu oft schwinden und werden so in die traurigste Lage versetzt.

Im Allgemeinen können wir Sie versichern, meine Herren, dass kein Bittender im Laufe des Jahres von dem Komitee ganz abgewiesen worden ist, sobald er durch seinen Pass den Beweis geführt, dass er Untertan eines deutschen Staates und sobald die eingezogenen Erkundigungen dargetan, dass er einer Unterstützung bedürftig und derselben nicht unwürdig gewesen.

Diese Untersuchungen ergaben bald eine beträchtliche Anzahl armer Landsleute, denen wenigstens vor der Hand nur mit Geld zu helfen war. Hierher gehören vor Allem jene oben erwähnten durch Krankheit oder Alter völlig erwerblosen Männer und Frauen, denen monatliche Pensionen ausgesetzt wurden, die, wenn sie auch freilich nicht zu ihrem Unterhalt ausreichten, doch von Allen, wegen der Sicherheit der Einnahme, als höchst willkommene Erleichterung ihrer Lage anerkannt wurden. Außer denselben wurden mehrere Waisen und Kinder abwesender Eltern auf diese Art in Wohnung und Kost bei ehrbaren Leuten unterhalten.

Viele solcher monatlichen Gaben wurden jedoch auch namentlich in der ersten Hälfte des Jahres an Individuen, meist nur Frauen, ausgezahlt, denen nicht Kraft und Wille, aber nur zu oft Gelegenheit —— namentlich ununterbrochene —— fehlte, um sich ihr Brod selbst zu verdienen. Diese sehr zahlreiche Klasse besteht meist aus Witwen oder verlassenen Frauen von Handwerkern, die, durch Kinder in ihrem Erwerbe gehindert, oder durch Kränklichkeit und Alter, bei dem so großen Andrange stellensuchender Dienstboten, brotlos bleiben. Es musste deshalb auch sehr bald ein Hauptaugenmerk des Vereins sein, durch Herbeischaffung von Beschäftigung diesen Armen eine reichlichere‚ Unterstützung zu verschaffen als unsere Mittel sie ihnen gewähren konnten.

Einige Damen, die der Aufforderung des Komitee zu diesem Zwecke mit der freundlichsten Bereitwilligkeit entgegen kamen, haben im Laufe des Sommers und Herbstes mit unermüdlicher Ausdauer sich mit diesem Gegenstande beschäftigt und nicht ohne Erfolg. Wir hatten die Genugtuung, manche der früher von uns mit Geld Unterstützten sich durch eigenen Erwerb vollkommen selbständig machen zu sehen; während andere wenigstens ihre Lage durch diese Arbeiten bedeutend verbesserten. Es war aber leider unmöglich alle, selbst nicht die Vorerwähnten immer zu beschäftigen. Es fehlte nämlich an einer Arbeit, die einesteils von Allen gemacht werden konnte, andernteils auch in solcher Masse und leicht abzusetzen wäre, dass es unsern Arbeiterinnen nie an Beschäftigung und Erwerb fehlte. Die weiter unten noch zu erwähnenden Herren Armenpfleger, welche am Ende des vergangenen Jahres dem Comitté bei dessen immer mehr zunehmenden Geschäften ihre Mithilfe so bereitwillig zusagten, begannen ihre Tätigkeit damit, uns eine Arbeit für unsere Armen vorzuschlagen, die vollkommen jenen oben erwähnten Bedürfnissen zu entsprechen scheint, und uns hoffentlich Gelegenheit geben wird, in unserm nächsten Berichte Ihnen die befriedigendste Lösung dieser uns so viel beschäftigenden Frage vorzulegen.

Ein weiterer ebenfalls sehr beträchtlicher Zweig unserer Tätigkeit und unserer Ausgaben betrifft einen Gegenstand, der unter den hiesigen Armen nur zu oft die größte Not und das bitterste Elend veranlasst, Es ist dies die jährliche Erneuerung der gesetzlich vorgeschriebenen Aufenthaltsscheine. So unbedeutend auch die Summe sein mag, so ist es doch begreiflich, dass bei einem fast immer von Hand zu Mund lebenden Armen, wo nicht selten sogar das tägliche Brot fehlt, nur zu leicht der Fall eintreten kann, jene Summe nicht erschwingen zu können und dass er den gesetzlichen Strafen anheim fällt. Es war deshalb auch auf diesen Punkt ein Hauptaugenmerk des Komitee gerichtet. In Folge seiner zu diesem Zwecke getanen Schritte wurden dem Komitee von Seiten der Höchsten Behörden Zugeständnisse gemacht, welche von dem Vereine mit dem wärmsten Danke anerkannt werden müssen; denn durch dieselben ist es uns möglich geworden, Ihnen heute zu versichern, dass auch der ärmste Ihrer Landsleute fortan nur durch grobe Nachlässigkeit, nicht aber, wie dies früher nur zu oft geschehen, durch Armut wegen Passlosigkeit dem Gesetze wird verfallen können. Durch Vermittelung Sr. Erlaucht des Herrn Vize-Kanzlers ist dem Verein bewilligt worden, den völlig mittellosen der von ihm Unterstützten Armenatteste zu erteilen, auf welche hin dieselben ihren Aufenthaltsschein abgabefrei erhalten. ‘

Außerdem gab es aber noch eine große Zahl von Fällen, wo allerdings das Komitee von der Dürftigkeit der Unterstützten überzeugt war, dieselben aber den Behörden nicht als völlig mittel- und erwerbslos vorstellen konnte. Es betraf dies teils Individuen höherer Stände, verschämte Arme, namentlich aber Handwerksgesellen, bei denen die Bezahlung eines Reisepasses und etwas Reisegeld meist die alleinige, aber auch hinreichende Unterstützung war, um ihnen die Abreise von hier, wo sie keine Arbeit fanden, möglich zu machen und sie dadurch vor Müßiggang, Verschuldung und allen Folgen derselben zu bewahren. Die aus der Beilage zu ersehende hierauf verwandte nicht unbedeutende Summe zählt das Komitee zu den am zweckmäßigsten verwandten Geldern, der Überzeugung folgend, dass einem Übel vorzubeugen besser ist, als ein bereits unheilbares nur zu mildern. Zur Erleichterung unseres Geschäftsbetriebs und zur Vermeidung jedes etwa möglichen Missbrauchs werden solche Individuen mit Scheinen versehen; deren Betrag von der Behörde direkt bei der Vereinskasse erhoben wird. Nicht nur in diesen sonach geregelten Beziehungen, sondern auch in einer Menge von Fällen, wo in Folge von oft jahrelanger, durch Elend, Furcht, oder Unbehilflichkeit herbeigeführter Contravention gegen die bestehenden Gesetze dem Komitee nur die Berufung auf Gnade und Milde übrig geblieben, haben die Behörden demselben Beweise der entschiedensten menschenfreundlichen Gesinnungen gegeben, und wir können daher hier nicht verschweigen, wie tief wir ihnen hierdurch verpflichtet sind.

Wir erwähnten bereits der Bemühungen des Vereins, seinen Landsleuten, um Armut zu verhüten, oder Andere, die hier völlig mittellos, Aussicht hatten in der Heimat, bei den Ihrigen wieder ihr Fortkommen zu finden, durch Pässe und Reisegeld die Rückkehr möglich zu machen. Er beschränkte sich aber hierauf nicht allein. Er bezahlte die zur Abreise nötigen Inserate in den Zeitungen, schrieb die erforderlichen Bittschriften, vermittelte die billigsten Reisegelegenheiten zu Wasser und zu Lande und suchte so auf jede Weise seinen durch Unkenntnis der Ortsverhältnisse in Verlegenheit sich befindenden Landsleuten beizustehen. Um endlich, so viel es in seinen Kräften stand, den vorgesteckten Zweck zu erreichen, hat das Komitee sich in Riga, Tilsit, Stettin und Lübeck Verbindungen geschaffen, durch welche das gewährte Reisegeld an jenen Orten in im voraus bestimmten Raten ausgezahlt wurde. Im Ganzen haben im vergangenen Jahre 102 Personen ganz oder teilweise durch unsere Hilfe ihre Abreise von hier bewerkstelligt, von denen nur eine geringe Anzahl, durch besondere Verhältnisse veranlasst, sich ins Innere Russlands begab, die Übrigen aber ins Vaterland zurückkehrten, worüber wir in mehreren Fällen sogar Nachricht erhalten haben.

Wir fühlen uns hier noch veranlasst, der freundlichen Bereitwilligkeit zu erwähnen, mit welcher die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften für die kommenden Jahre den von uns Empfohlenen die zur Abreise nöthigen Publikationen in ihren Zeitungen, frei von Bezahlung bewilligt hat.

Zu den befriedigendsten Resultaten unserer Tätigkeit gehören aber die, wenn auch der Natur der Sache gemäß nicht zahlreichen, doch durch das vorhergegangene Elend meist besonders traurigen, aber durch den Erfolg so belohnenden Fälle, wo es uns gelang, mit einmaligen oder wiederholten Gaben, Zurückgekommene, ja, bereits ganz ins Elend Versunkene ihrem Berufe wieder zurück zu geben und uns jetzt ihrer wiedererlangten Selbstständigkeit zu erfreuen. Obgleich dieser Gegenstand uns so reiche Gelegenheit bietet, durch Mitteilung von Einzelheiten Ihre lebhafteste Teilnahme für die Tätigkeit und das fernere Gedeihen unseres Vereines zu erwecken, so gebieten uns doch Rücksichten verschiedenster und eigentümlichster Art, uns auf diese wenigen Worte zu beschränken.

Unsere Pfleglinge erhielten ferner in Krankheiten und Wochenbetten ärztliche Behandlung und Arzneien und auch hier haben wir wieder Gelegenheit, freundlichen Gebern unsern herzlichsten Dank auszusprechen. Je nach Bedürfnis der in ihrer Nähe wohnenden Armen haben bisher bereits mehrere Apotheken uns dadurch verpflichtet, dass sie die Arzneien entweder ganz unentgeltlich, oder mit bedeutender Preisermäßigung - abgelassen haben, und wir hegen die feste Überzeugung, überall wo ein Bedürfnis sich herausstellen sollte, derselben Bereitwilligkeit zu so wohltätigem Zwecke zu begegnen.

Die Zustellungen von Holz sind mittelst Anweisungen auf verschiedene Holzhöfe der Stadt der Art eingeleitet worden, dass die hierzu verwandten Gelder nicht an die Armen selbst, sondern gegen Ablieferung der Scheine an die Verkäufer ausgezahlt worden sind. Dieser Zweig der Vereinstätigkeit konnte erst zu Ende des vorigen Winters eingerichtet werden, weshalb auch die Rechnungsablage hierüber eine so geringe Summe nachweiset. In diesem Winter ist jedoch bereits bei ausgedehnterer und verbesserter Einrichtung, bei Weitem mehr in dieser Unterstützungsart geschehen.

Eben so sind für einzelne Individuen, teils solche, welche im vollsten Sinne des Wortes entblößt gefunden worden, teils Knaben, welche wegen Mangels der nötigsten Kleidung nicht in die Lehre aufgenommen werden konnten, solche angeschafft worden.

Hiermit haben wir Ihnen, meine Herren, hoffentlich in eben so klaren als wenigen Zügen ein Bild unserer Tätigkeit im vergangenen Jahre entworfen. Mit der bisher gewonnenen Erfahrung wird es nicht schwer halten, auf demselben Wege um so sicherer und erfolgreicher fortzuschreiten.

Der Art und Weise, in welcher der Verein eine seiner Haupttätigkeiten — die der Arbeiten — im kommenden Jahre zu immer größerer Befriedigung zu entwickeln hofft, ist bereits oben erwähnt worden.

Aber noch in einem andern Zweige hat die Tätigkeit des Komitee eine Erweiterung und Vervollständigung erfahren. Die von uns von vorne herein als Grundlage aller unserer Tätigkeit betrachteten Hausbesuche und Ermittelung der Verhältnisse unserer Pflegebefohlenen wurde im vergangenen Jahre von den Mitgliedern des Komitee selbst besorgt. Die Erfahrung hat uns jedoch gelehrt, dass wir auf diese Weise noch immer nicht im Stande waren, eine uns genügende Aufsicht bewerkstelligen zu können. Zu diesem Behuf hat nun das Komitee eine Anzahl wohldenkender, für unsere Sache lebhafte Teilnahme zeigender Männer, die in den verschiedenen Stadtvierteln wohnen, zugezogen welche dadurch, dass sie jeder nur eine geringere Zahl von in ihrer Nähe wohnenden Pfleglingen zu beaufsichtigen haben, mehr im Stande sind, dieselben genauer kennen zu lernen und daher unsere Zwecke wesentlich fördern werden. Auf diesem Wege lässt sich für den Verein die Genugtuung erwarten, dass keine der uns anvertrauten Gaben von einem Unwürdigen missbraucht werde. Das schönste Ziel, welches eine Gesellschaft zur Unterstützung von Hilfsbedürftigen erreichen kann, und dem stets nach allen seinen Kräften nachzustreben das Komitee getrachtet hat.

Indem wir nun so weit den ersten Jahresbericht beschlossen, sagen wir im Namen aller unserer armen Landsleute, denen der Verein bisher Trost und- Hilfe geben konnte und zugleich die Aussicht gewährt, dass ihnen auch in der Zukunft ein sicherer Beistand in der Not nicht fehlen wird, allen menschenfreundlichen Gebern den aufrichtigsten Dank.

Manches ist geschehen und wir haben auch bereits die erfreuliche Gewissheit: dass in der Hausbettelei von Seiten unserer Landsleute eine sehr fühlbare Abnahme zu bemerken ist. Aber noch viel ist zu tun um das vorgesteckte Ziel zu erreichen. Wir glauben uns keinem eiteln Wahne zu überlassen, wenn wir hoffen, dass die Mitglieder unseres Vereines, sich freuend dessen was geschehen und im Gefühle dessen was noch so dringendes Bedürfnis bleibt, eine immer tätigere und freigebigere Teilnahme äußern, dass der Verein stets neue Freunde erwerben und von Jahr zu Jahr immer kräftiger, reicher und Segen bringender sich entwickeln werde.

Baron v. Seebach, Präsident
Baron A. Stieglitz, Vize-Präsident
Dr. Martin Meyer, Sekretär
G. Th. Schultze, Kassierer
W. Bertheau, Buchhalter
Pastor Fromme, Beisitzer
Amtpatron Schlodhauer, Beisitzer
Dr. Spiess, Beisitzer

Volksleben in Petersburg

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Auf dem Vieh- und Fleischmarkt in St. Petersburg

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Brennholztransport auf dem Ladoga-See. Im Hintergrund die Festung Schlüsselburg.

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Drohsky-Fahrer bei der Teepause

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Bauernhochzeit

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Russischer Muschik

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Russische Bäuerin

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Moskau - Armenküche

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Moskau - Bettler und Obdachlose wärmen sich am Feuer

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Moskau - Bettler vor der Kirche

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Moskau - Verkäuferin von Salzheringen

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