Schlechte Landesväter.

Statt in solchen Schreckenszeiten Schutz zu finden bei den verantwortlichen Herren ihrer Länder, wurden die Württemberger und Pfälzer von ihren Landesvätern aufs schamloseste ausgebeutet. 1690–1716 regierte über die Rheinpfalz der Kurfürst Johann Wilhelm, der kein Mitleid hatte für seine besitz- und heimatlos um­herirrenden Landeskinder, vielmehr in Saus und Braus residierte in Düsseldorf, wo er keinen größeren Ehrgeiz hatte, als den Verwüster seiner Lande, den franzö­sischen Sonnenkönig nachzuäffen in Luxus und Grau­samkeit. Er errichtete sich selbst ein Denkmal in Düsseldorf und ließ darauf die Inschrift meißeln: grata ci­vitas (von der dankbaren Bürgerschaft).

In Württemberg regierte 1677–1733 der prachtliebende Eberhard Ludwig, der sich in Nachbildung von Ver­sailles eine prunkvolle, für sein kleines Land riesenhaft große Residenz in Ludwigsburg bauen ließ, und für seine Maitresse von Grävenitz und ihre Launen das ausgeraubte Land aussaugte bis zum Letzten. Diese hatte einmal mitten im Sommer den Wunsch, Schlitten zu fahren. Da wurde die Straße mit Salz bestreut, damit sie die Illusion des Winters haben konnte. Hatte Ludwig XIV. mit seinem Wort: ,,Ich bin der Staat“ den Absolutismus zu höchster Entfaltung gebracht, so echote Eberhard Ludwig: „Ich bin der Papst in meinem Land.“ Sein Nachfolger war Karl Alexander, dessen Finanzkünstler, der Jude Süß Oppenheimer, das Land vollends ganz ruinierte. Als der Herzog bald starb, glaubte das Volk, der Teufel habe ihn geholt und häng­te seinen Finanzminister an einen 16 Meter hohen Galgen.


So lag auf den gequälten Völkern nicht nur die Last entsetzlicher Kriege mit ihren Greueln, mit ihren Einquartierungen, Kontributionen, mit den Seuchen, die ihr Gefolge bildeten, unter denen die „hitzigen Gichter“ besonders gefährlich wüteten. Wo etwas übrig blieb, oder wo man sich mit fleißigster Arbeit und elen­desten Entsagungen zu erholen begann, da kam von jenen Fürsten ein ungeheurer Steuerdruck dazu. Der Bauer, statt sein Feld bestellen zu können, mußte sich zu Treib­jagden stellen, die ihm seine Acker noch verwüsteten. Wehe ihm aber, wenn er gegen den großen Wildschaden selber einschritt oder sich im Hunger erlaubte, dem Fürs­ten ein Stück Wild wegzunehmen! Dazu mußte er Fronarbeit leisten, und die herrlichen Schlösser, die wir heute bewundern, haben nicht nur viel Geld, sondern auch viel Blut und Tränen gekostet.

Zu alledem kam, daß durch die damalige Erbteilung auch große Güter Zwergbesitz wurden, so daß sie keine größere Familie ernähren konnten. Ein Staatsmann jener Zeit schreibt: „Heutzutage ist der Landmann die armseligste unter allen Kreaturen, er wird unaufhörlich mit Frondiensten, Botenlaufen, Treibjagden, Schanzengraben und dergleichen geängstigt. Was dem Wildzahn entrissen wird, nimmt ein rauher Beamter auf Abschlag der rückständigen Steuern weg. Die Scheunen sind leer, wo sie nicht niedergebrannt sind. Die Hütten drohen zusammenzufallen, die Bewohner sehen elend und verkommen aus.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches J. K. Weiser, Vater und Sohn