Einführung

J. H. Rausse ist der Schriftstellername, unter welchem H. Francke den Freunden der Wasserheilkunde und der belletristischen Literatur bekannt geworden ist. Sein letztes Werk: „Über die gewöhnlichsten ärztlichen Missgriffe beim Gebrauch des Wassers als Heilmittel“ brachte eine ungewöhnliche Aufregung in der hydropathischen Welt hervor. Namentlich war es aber die in demselben enthaltene Kritik der Kurmethode des Vincenz Prießnitz, welche den von diesem durchaus nach Metternich'schen Grundsätzen absolut despotisch regierten kleinen Wasserstaat auf dem Gräfenberg rebellisch machte. Zwar übte Prießnitz eine strenge Zensur über die hydropathische Lektüre seiner Kurgäste; alle seine Badediener waren zugleich zu wachsamen Spionen ausgebildet, so dass durch sie „der Alte vom Berge“ die genaueste Kunde von allem Tun und Lassen der Nicht-Enthusiasten, d. h. der nicht blind ihm Folgenden, erhielt. Ob Prießnitz dem Zeitgeist im laufenden Jahre einige Konzessionen gemacht, wissen wir nicht; dass aber noch im vorigen Sommer der ganze Unfug des büreaukratischen Polizeistaates auf dem Gräfenberg spukte, darüber haben wir die sichersten Mitteilungen. Gleichwohl fand obiges Buch verstohlenen Eingang zu der armen frierenden Kurgesellschaft. Ein englischer Arzt bezog das erste Exemplar aus einer Schweidnitzer Buchhandlung. Alsbald ging es heimlich von Hand zu Hand; eine leise Kunde von dem Ungeheuren, von dem Angriff auf die Unfehlbarkeit des Herrn und Meisters drängte sich von Ohr zu Ohr; die Ungeduld, möglichst bald selbst zu lesen, zu hören führte in verschlossenen Zimmern Kreise von Unzufriedenen zusammen. Man versicherte sich, dass man nicht belauscht wurde. Einer machte den Vorleser, die Frierenden hüllten sich in Mäntel und legten sich zum Teil aus Mangel an Stühlen auf den Fußboden. Ja, das war es, was ihnen fehlte! Der Mann hatte demjenigen Worte gegeben, was längst als Zweifel, Misstrauen und Unzufriedenheit in aller Brust sich geregt hatte. Es wäre vielleicht zu einer kleinen Revolution gekommen, wenn nicht die Legitimisten, die Enthusiasten, d. h. die blind Folgenden, die Majorität gebildet hätten. Was bleibt übrig, um die neue Überzeugung zu retten? Man kommt überein auszuwandern. Und wohin? Zu ihm selbst, zu Rausse, in das von ihm geschaffene Asyl, in seine neu gegründete Anstalt, vom Gräfenberg nach Lehsen in Mecklenburg! Wessen Geld und Urlaubsverhältnisse es gestatteten, ging fort oder wollte fort und also geschah es, dass in Lehsen eine der Logierwohnungen von den Gräfenberger Kolonisten, das Gräfenberger Haus getauft wurde. Aber auch von vielen andern Seiten des In- und Auslandes fanden sich auf jenes Buch hin viele Wasserfreunde bei Rausse ein, die von der tiefen Wahrheit seiner Lehren erfasst waren, darunter Einige, die bloß um den merkwürdigen Mann eine Stunde zu sehen und zu sprechen, mehr als hundert Meilen weit gekommen waren und dann sofort wieder abreisten!

Ein Geist, welcher eine so seltene Anziehungskraft in weite Fernen ausübt, verdient in seiner Entwickelung dargestellt zu werden, um so mehr, wenn er der Erste ist, welcher die unsterblichen Verdienste, welche trotz aller Verkehrtheiten des Gräfenberg dem Begründer der Wasserheilkunde unantastbar bleiben, begriffen, geistig verarbeitet und dadurch erst zum Gemeingut der Menschheit gemacht hat.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches J. H. Rausse, der Reformator der Wasserheilkunde.