Die Freiheit, welche Rausse lehrt
Das ist die Freiheit, welche Rausse lehrt. Die Herrschaft über uns selbst ist die erste Bedingung, der Keim aller Freiheit. Ihr, die Ihr dem Volke Freiheit und Gleichheit predigt, fragt doch erst bei Euch selbst an, wie weit Ihr es in Euch selbst mit der Freiheit gebracht habt! Möge Euer Wort verstummen, so lange Ihr Sklaven eingebildeter Genüsse, Sklaven von zur Leidenschaft gesteigerten Gewohnheiten seid! Ihr seid unwahr gegen Euch selbst und gegen Andere, Ihr vergreift Euch an der Freiheit, indem Ihr Unfreien Euch zu ihr bekennt! Wie wenige unserer modernen Menschheitsbeglücker fangen mit den Entbehrungen, die sie Andern auferlegt wissen wollen, bei sich selbst an!
Bei aller Genusssucht kann gleichwohl die Jugend für nichts so leicht gewonnen werden, wie für Abhärtung und Strenge der Lebensweise. Nichts gilt in den Augen derselben so viel, wie ungewöhnliche Körperkraft. Diese imponiert unbedingt. Darin liegt der Reiz der Abhärtung und männlicher Tatkraft. — Rausse will kein Spartanertum, keine antike Donquixoterie, aber er will, er lehrt Gesundheit. Gesundheit ist Kraft, ist Wahrheit, ist Tugend, ist Freiheit. Rausse schlägt die rechten Saiten, in den Herzen der Jugend an, nur sie folgt ihm, sie würde ihm treu bleiben, wenn nicht das Unkraut der Spießbürgern und Zopftum auch das edelste Reis überwucherte.
In Amsterdam, so erzählte mir ein Beteiligter, fuhr „der Rausse“ in eine Gesellschaft von jungen Leuten. Nun, man weiß ja, wie an den Genüssen solcher Städte junge Leute siech und krank werden. Falsches Ehrgefühl, eine sonderbare Sucht, es Andern in mehr oder minder schädlichen Ausschweifungen zuvorzutun, lassen die innere Stimme einsamer, vorwurfsvoller Stunden nicht aufkommen. Da auf einmal tritt in Rausse frank und frei, mit kühner Kraft, ein Mahner auf, eine Autorität, die jener innern Stimme Worte leiht, die Alle gleichmäßig jener falschen Scham entkleidet, der Verkündiger einer Wahrheit, in welcher sich das bessere Theil eines Jeden wieder findet. Siehe da, auf einmal, welche Umwandlung! Die jungen Männer ermannen sich, d. h. sie werden solid! Man vereinigt sich, so weit Zeit und Umstände es zulassen, das Bett früher zu verlassen, rechtzeitig schlafen zu gehen; eine tägliche Waschung des ganzen Körpers, gemeinschaftliche gymnastische Übungen werden verabredet, der Wein Verschwindet vom Tisch; da das gewöhnliche Trinkwasser in Amsterdam zu schlecht ist, wird es durch ein Mineralwasser ersetzt — kurz, die jungen Schwelger leben von Stund an in hydrodiätischem Verein, und die Mehrzahl derer, welche ihm angehörten, erinnern sich noch heute, wo in aller Welt sie auch zerstreut wohnen mögen, gern an jene Ermannung, indem sie die Einsicht gewonnen haben, dass über dem Genuss des Vollgefühls der Gesundheit, kein anderer Genuss geht. Und welchen Unrat hat das Buch von Rausse nicht in einzelnen Haushaltungen aufgerührt; wie manche Hausfrau, wurde nicht durch die plötzliche Abhärtungswut der Männer und Kinder halb zur Verzweiflung gebracht! Der Krieg gegen Kaffee, Tee, Gewürze, Tabak, heiße Suppen, Federbetten, Liqueure, Flanelljacken und Medizine begann aller Orten unnachsichtlich, die Leute rannten mit Sonnenaufgang ins Freie zu Quellen, Pumpen und Brunnen, in die Flussbäder, rannten, reckten sich, sprangen und hüpften — Alte und Junge, Weiber und Männer. Erst hielten ehrsame Nachbarn sie für toll. Als sie aber sahen, wie die Närrischen frische rote Wangen und straffe kräftige Muskeln bekamen, dass sie vom Morgen zum Abend des Lebens sich freuten, dass sie weniger verbrauchten und viel sparten, dass sie so leicht wie rasch arbeiteten, weniger mit Krankheit geplagt wurden und sich mit Muckertum und Pietismus nicht befassten — da machten es ihrer viele den törichten Leuten nach und befinden sich wohl dabei. Freilich geschah des Guten auch oft zu viel. Namentlich verfielen einzelne Kurgäste der Wasser - Heilanstalten in die unbesonnensten Übertreibungen. Rausses Miscellen waren das Evangelium, das Tag- und Nachgebet dieser Menschen. Häufig war eine zu kurze Zeit für den Aufenthalt in der Anstalt angesetzt. Dieser Mangel sollte durch eine desto forciertere Kur ausgeglichen werden. Und gerade hier lässt sich nichts forcieren. Die Enthusiasten schwärmten für Rausse, ohne ihn begriffen zu haben, stürmten auf ihre Natur maßlos ein, um möglichst bald Riesen an Kraft zu werden und — richteten sich zu Grunde.
Solche einzelne Erscheinungen beuteten nun die Gegner Rausses, jedoch ohne Erfolg aus. Die ruhigern Wasserärzte nahmen zum Teil Partei gegen Rausse, weil ihre Autorität in den Augen der Kurgäste gegen diesen nicht auskommen konnte, weil diese in dem Wassergebrauch sich gegen ihren Rat nicht selten überstürzten und so sich und dem Rufe der betreffenden Anstalt schadeten. Doch treten solche Missverständnisse und schädliche Übertreibungen, die durchaus dem Buche selbst nicht, sondern nur dem Unverstand und der Ungeduld der einzelnen zur Last gelegt werden können gänzlich gegen die großartigen Erfolge in den Hintergrund. In der Tat, die Direktoren der Wasser - Heilanstalten ermessen gar nicht, wenn sie dann und wann ihrem Unmut gegen Rausse freien Lauf lassen, welcher gegen jeden Unfug in- oder außerhalb solcher Institute zu Felde zieht, — wie viel sie ihm alle ohne Ausnahme direkt und indirekt verdanken; denn man kann wohl ohne Übertreibung behaupten, dass die Hälfte aller ihrer Kurgäste durch die Lektüre der Raussischen Schriften sich für das Wasser habe gewinnen lassen und durch sie zur Ausdauer im Gebrauch der Kur ermuntert und gestärkt werde.
Diesen Bemerkungen werden alle Wasserärzte beistimmen, die der Wahrheit die Ehre geben. Ich selbst habe vielfach Gelegenheit gehabt, die wankenden Entschlüsse derer, die zwischen Medizinbehandlung und Wassergebrauch unentschlossen hin- und herschwankten, durch die Empfehlung der Lektüre der Miszellen zur Entscheidung zu bringen. Die letzten durchschlagenden Gründe schöpft der ungewisse, durch allen möglichen guten Rath abgehetzte Patient aus diesem Buche. So groß ist seine Überzeugungskraft, dass Manche, welche zu schwach sind, ihrer verkehrten Lebensweise Einhalt zu tun, und die da gewahr werden, wie das Buch Andere hingerissen, entweder dasselbe gar nicht ansehen oder, haben sie ja einmal einen Blick hineingetan, es sofort wieder zur Seite legen, aus purer — Angst, sie könnten dieser mächtigen Versuchung der Wahrheit erliegen! So sind die Willensschwachen! Sie spielen mit der Wahrheit und mit sich selbst Versteckens!
Nicht ohne liefe psychologische Kenntnis eröffnet Rausse die Miscellen mit einer Zusammenstellung der Urteile angesehener medizinischer Autoritäten über ihre eigene Kunst. Hierdurch löst er nicht allein die Schwankenden von ihren letzten medizinischen Vorurteilen ab, sondern stellt auch seine erbitterten Angriffe auf die Medizin unter den Schirm dieser Wissenschaft selbst. Er hat sich damit eine feste Wehr und Waffe geschmiedet, einen Schild mit dem Medusenhaupt der sich selbst richtenden Kunst, dessen Anblick die Gegner erschreckt und versteinert.
Diese Rundschau über das Unheil, welches die Medizin nach dem eigenen Urteil der Mediziner ganz dem Heilzweck zuwider anrichtet, führt den Verfasser von selbst auf den Gegensatz, auf die Heilung durch Wasser, also auf Vincenz Prießnitz. — Herrlicher ist der Entdecker der großen Prinzipien der Wasser-Heilkunde wohl nie gepriesen worden, wie hier in dem Umfang weniger Blätter. „Zieh' hin aufs Gebirge“, so schließt das begeisterte Lob, „da steht hoch über Volkshäuptern die Gestalt des großen Mannes, umfassend und haltend mit einem Arme die Hüfte der ewig liebequellenden Natur, streckend den zweiten Arm zu der Menschheit und ihr bietend Heilung, Glück und eine neue Ära!“
Bei aller Genusssucht kann gleichwohl die Jugend für nichts so leicht gewonnen werden, wie für Abhärtung und Strenge der Lebensweise. Nichts gilt in den Augen derselben so viel, wie ungewöhnliche Körperkraft. Diese imponiert unbedingt. Darin liegt der Reiz der Abhärtung und männlicher Tatkraft. — Rausse will kein Spartanertum, keine antike Donquixoterie, aber er will, er lehrt Gesundheit. Gesundheit ist Kraft, ist Wahrheit, ist Tugend, ist Freiheit. Rausse schlägt die rechten Saiten, in den Herzen der Jugend an, nur sie folgt ihm, sie würde ihm treu bleiben, wenn nicht das Unkraut der Spießbürgern und Zopftum auch das edelste Reis überwucherte.
In Amsterdam, so erzählte mir ein Beteiligter, fuhr „der Rausse“ in eine Gesellschaft von jungen Leuten. Nun, man weiß ja, wie an den Genüssen solcher Städte junge Leute siech und krank werden. Falsches Ehrgefühl, eine sonderbare Sucht, es Andern in mehr oder minder schädlichen Ausschweifungen zuvorzutun, lassen die innere Stimme einsamer, vorwurfsvoller Stunden nicht aufkommen. Da auf einmal tritt in Rausse frank und frei, mit kühner Kraft, ein Mahner auf, eine Autorität, die jener innern Stimme Worte leiht, die Alle gleichmäßig jener falschen Scham entkleidet, der Verkündiger einer Wahrheit, in welcher sich das bessere Theil eines Jeden wieder findet. Siehe da, auf einmal, welche Umwandlung! Die jungen Männer ermannen sich, d. h. sie werden solid! Man vereinigt sich, so weit Zeit und Umstände es zulassen, das Bett früher zu verlassen, rechtzeitig schlafen zu gehen; eine tägliche Waschung des ganzen Körpers, gemeinschaftliche gymnastische Übungen werden verabredet, der Wein Verschwindet vom Tisch; da das gewöhnliche Trinkwasser in Amsterdam zu schlecht ist, wird es durch ein Mineralwasser ersetzt — kurz, die jungen Schwelger leben von Stund an in hydrodiätischem Verein, und die Mehrzahl derer, welche ihm angehörten, erinnern sich noch heute, wo in aller Welt sie auch zerstreut wohnen mögen, gern an jene Ermannung, indem sie die Einsicht gewonnen haben, dass über dem Genuss des Vollgefühls der Gesundheit, kein anderer Genuss geht. Und welchen Unrat hat das Buch von Rausse nicht in einzelnen Haushaltungen aufgerührt; wie manche Hausfrau, wurde nicht durch die plötzliche Abhärtungswut der Männer und Kinder halb zur Verzweiflung gebracht! Der Krieg gegen Kaffee, Tee, Gewürze, Tabak, heiße Suppen, Federbetten, Liqueure, Flanelljacken und Medizine begann aller Orten unnachsichtlich, die Leute rannten mit Sonnenaufgang ins Freie zu Quellen, Pumpen und Brunnen, in die Flussbäder, rannten, reckten sich, sprangen und hüpften — Alte und Junge, Weiber und Männer. Erst hielten ehrsame Nachbarn sie für toll. Als sie aber sahen, wie die Närrischen frische rote Wangen und straffe kräftige Muskeln bekamen, dass sie vom Morgen zum Abend des Lebens sich freuten, dass sie weniger verbrauchten und viel sparten, dass sie so leicht wie rasch arbeiteten, weniger mit Krankheit geplagt wurden und sich mit Muckertum und Pietismus nicht befassten — da machten es ihrer viele den törichten Leuten nach und befinden sich wohl dabei. Freilich geschah des Guten auch oft zu viel. Namentlich verfielen einzelne Kurgäste der Wasser - Heilanstalten in die unbesonnensten Übertreibungen. Rausses Miscellen waren das Evangelium, das Tag- und Nachgebet dieser Menschen. Häufig war eine zu kurze Zeit für den Aufenthalt in der Anstalt angesetzt. Dieser Mangel sollte durch eine desto forciertere Kur ausgeglichen werden. Und gerade hier lässt sich nichts forcieren. Die Enthusiasten schwärmten für Rausse, ohne ihn begriffen zu haben, stürmten auf ihre Natur maßlos ein, um möglichst bald Riesen an Kraft zu werden und — richteten sich zu Grunde.
Solche einzelne Erscheinungen beuteten nun die Gegner Rausses, jedoch ohne Erfolg aus. Die ruhigern Wasserärzte nahmen zum Teil Partei gegen Rausse, weil ihre Autorität in den Augen der Kurgäste gegen diesen nicht auskommen konnte, weil diese in dem Wassergebrauch sich gegen ihren Rat nicht selten überstürzten und so sich und dem Rufe der betreffenden Anstalt schadeten. Doch treten solche Missverständnisse und schädliche Übertreibungen, die durchaus dem Buche selbst nicht, sondern nur dem Unverstand und der Ungeduld der einzelnen zur Last gelegt werden können gänzlich gegen die großartigen Erfolge in den Hintergrund. In der Tat, die Direktoren der Wasser - Heilanstalten ermessen gar nicht, wenn sie dann und wann ihrem Unmut gegen Rausse freien Lauf lassen, welcher gegen jeden Unfug in- oder außerhalb solcher Institute zu Felde zieht, — wie viel sie ihm alle ohne Ausnahme direkt und indirekt verdanken; denn man kann wohl ohne Übertreibung behaupten, dass die Hälfte aller ihrer Kurgäste durch die Lektüre der Raussischen Schriften sich für das Wasser habe gewinnen lassen und durch sie zur Ausdauer im Gebrauch der Kur ermuntert und gestärkt werde.
Diesen Bemerkungen werden alle Wasserärzte beistimmen, die der Wahrheit die Ehre geben. Ich selbst habe vielfach Gelegenheit gehabt, die wankenden Entschlüsse derer, die zwischen Medizinbehandlung und Wassergebrauch unentschlossen hin- und herschwankten, durch die Empfehlung der Lektüre der Miszellen zur Entscheidung zu bringen. Die letzten durchschlagenden Gründe schöpft der ungewisse, durch allen möglichen guten Rath abgehetzte Patient aus diesem Buche. So groß ist seine Überzeugungskraft, dass Manche, welche zu schwach sind, ihrer verkehrten Lebensweise Einhalt zu tun, und die da gewahr werden, wie das Buch Andere hingerissen, entweder dasselbe gar nicht ansehen oder, haben sie ja einmal einen Blick hineingetan, es sofort wieder zur Seite legen, aus purer — Angst, sie könnten dieser mächtigen Versuchung der Wahrheit erliegen! So sind die Willensschwachen! Sie spielen mit der Wahrheit und mit sich selbst Versteckens!
Nicht ohne liefe psychologische Kenntnis eröffnet Rausse die Miscellen mit einer Zusammenstellung der Urteile angesehener medizinischer Autoritäten über ihre eigene Kunst. Hierdurch löst er nicht allein die Schwankenden von ihren letzten medizinischen Vorurteilen ab, sondern stellt auch seine erbitterten Angriffe auf die Medizin unter den Schirm dieser Wissenschaft selbst. Er hat sich damit eine feste Wehr und Waffe geschmiedet, einen Schild mit dem Medusenhaupt der sich selbst richtenden Kunst, dessen Anblick die Gegner erschreckt und versteinert.
Diese Rundschau über das Unheil, welches die Medizin nach dem eigenen Urteil der Mediziner ganz dem Heilzweck zuwider anrichtet, führt den Verfasser von selbst auf den Gegensatz, auf die Heilung durch Wasser, also auf Vincenz Prießnitz. — Herrlicher ist der Entdecker der großen Prinzipien der Wasser-Heilkunde wohl nie gepriesen worden, wie hier in dem Umfang weniger Blätter. „Zieh' hin aufs Gebirge“, so schließt das begeisterte Lob, „da steht hoch über Volkshäuptern die Gestalt des großen Mannes, umfassend und haltend mit einem Arme die Hüfte der ewig liebequellenden Natur, streckend den zweiten Arm zu der Menschheit und ihr bietend Heilung, Glück und eine neue Ära!“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches J. H. Rausse, der Reformator der Wasserheilkunde.