Der Zauberbronnen

Wer an rechte Güte
Wendet sein Gemüthe,
Dem folgen Heil und Ehre.
Deß giebt gewisse Lehre

König Artus der Gute,
Der mit Rittermuthe
Ruhmwürdig konnte streiten.
Ihm ward bei seinen Zeiten
So herrlich Lob zum Lohne,


Daß er der Ehren Krone
Da trug, und trägt sie noch zur Stund.
Deß ward die Wahrheit kund,
Denn seine Landesleute
Sagen, er lebe noch heute.

Er hat den Kranz erworben:
Ist ihm der Leib gestorben,
Lebt doch sein Name fort und fort;
Kein Schimpf, kein lästernd Wort
Hat jemahls den versehrt,

Der noch auf seinen Wegen fährt.
Ein Ritter der die Kunst verstand
Zu lesen, was er in Büchern fand,
Daß wenn er nach den Waffen
Sich Muße konnte schaffen,

Er oftmals auch der Dichtung pflag
Wie man gern sie hören mag,
Und Lust und Fleiß daran gewandt: –
Hartmann war er genannt,
Als Dienstmann auf der Au verpflichtet: –

Der hat diese Märe gedichtet.
Es hatte König Artus wohl
In seinem Schloß zu Caridoel
Zu Pfingsten sich ein Fest geschaart,
Glänzend und reich, nach seiner Art:

So voller Pracht und Herrlichkeit,
Daß er nicht vor noch nach der Zeit
Irgend ein schön'res je gewann.
Gabs dort auch einen neidischen Mann
Von nicht'gem Sinn und wenig Werth,

So ward doch nie ein Hof verklärt
Zu keinen Zeiten, fern und nah,
Durch gute Ritter, so wie da.
Auch war ihnen dort gegeben
In aller Weis' ein erwünschtes Leben:

Nach Herzens Neigung dienten sie
Manch edler Magd und Frau allhie,
Den schönsten im Reiche weit und breit.
Es schmerzt mich wahrlich allezeit,
Und hülf' es, wollt ich's klagen,

Daß heut in unsern Tagen
Solch Frohseyn aus der Welt geschwunden,
Wie man's in jener Zeit empfunden.
Doch müssen wir auch jetzt uns freun!
Ich wollte da nicht gewesen sein

Und nun des Lichts entbehren,
Wo ihre Mär' zu hören
Uns noch erquicken mag und stärken:
Sie aber freuten sich an den Werken.
König Artus und sein Gemahl,

Jedweder von beiden zumahl
Auf ihr Vergnügen war bedacht.
Am Pfingsttag als man das Mahl vollbracht,
Wählt jeder sich was auf der Welt
Ihm baß behagt und gefällt:

Die sprachen mit Frauen wohlgethan,
Die rangen und schwenkten sich auf dem Plan,
Die tanzten, andre sangen,
Die liefen, andre sprangen,
Noch andre hörten Saitenspiel,

Die schossen nach dem Ziel,
Die sprachen von Mühsal und schwerer Zeit,
Die von Muth und kühner Tapferkeit.
Gawein prüfte sich Waffen,
Keye legt sich schlafen

Auf die erhöhten Stufen hin:
Auf Gemach ohne Ehre stand sein Sinn.
Der König Artus und sein Gemahl,
Die hatten auch sich in dem Saal
Beide an der Hand gefaßt,

Und gingen durch den Palast
In der Kemenaten eine:
Da legten sie sich zum Schlaf, ich meine,
Wohl mehr noch aus Geselligkeit,
Als wegen träger Müdigkeit:

Und beide sie entschliefen hier.
Da blieben beisammen Ritter vier,
Dodines und Gawein,
Segremors und Iwein,
Auch lag daneben nahe bei

Der neidische ungeschliffne Key,
Außerhalb an der Wand:
Der sechste war Kalogreant.
Der begunnte eine Märe
Von großem Mißgeschick und Schwere,

Und wie er Sieg und Glück verfehlt.
Er hatte wenig noch erzählt,
Da erwachte die Königin,
Und horchte nach seinen Reden hin;
Ließ liegen den König ihren Gemahl,

Und vom Lager hinweg sich stahl.
Drauf kam sie also ruhig nah,
Daß Keiner von Allen sie ersah,
Bis sie hinzu gegangen leise,
Und stand mit Eins in ihrem Kreise.

Keiner als nur Kalogreant
Sprang ihr entgegen gleich zuhand,
Und neigte sich, sie zu empfahn.
Key aber, der widerspenstge Mann
Zeigt seinen alten Groll und Neid:

Ihm war des Mannes Ehre leid,
Darum schilt er ihn bitter,
Und meistert den guten Ritter.
So sprach er: „Herr Kalogreant,
Uns war schon lange das bekannt,

Von allen Rittern fern und nah
Sei Keiner so fein und so courtois
Als Ihr Euch dünkt in Eurem Wahn:
Es sei Euch nicht zuviel gethan
Euch oben an zu stellen

Vor allen Euern Gesellen.
Euch gebührt der Preis allein,
Auch meine Frau gesteht das ein,
Sie kränkt Euch sonst an Eurem Recht.
Eure Tugend ist also echt,

Und Ihr dünket Euch so vollkommen!
Ihr habt Euch herausgenommen,
Und verlangt, ich weiß nicht was:
Keiner von uns ja wär' so laß,
Hätt' er die Königin erblickt,

Er hätte sich vor ihr gebückt,
Und grade so wie Ihr gethan.
Doch weil wir eben sie nicht sah'n,
Oder deß All' vergaßen,
Und sämmtlich stille saßen,

Mußtet Ihr sitzen, so wie wir.“
Da trat die Königin herfür
Und sprach: „Mit solchen Sitten
Schadest Du keinem Dritten
Wie Du Dir selber Schaden thust,

Weil du jedweden hassen mußt
Dem irgend Ehre je geschicht.
Du enthebst Deines Neides nicht
Weder die Diener, noch die Gäste:
Dir ist der Böste der Beste,

Und der Beste der Böste.
Eines Dings ich Dich getröste,
Du bringst hier Keinen aus dem Gleise:
Wir kennen Deine gewohnte Weise,
Dir sind die Bösen willkommen,

Und widerwärtig die Frommen.
Dein Schelten ist ein Preisen
Aller Werthen und Weisen.
Hättst Du Dein Gift behalten,
Es hätte Dein Herz zerspalten;

Denn wir wissen nur allzuwohl,
Du bist der bittern Galle voll,
In der Dein Herze lebt und webt,
Und Deiner Ehre zuwider strebt.“
Herr Key solch Schelten nicht vertrug:

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Iwein mit dem Löwen