Israel und die Völker bis zur babylonischen Gefangenschaft

Mit starker Hand und ausgestrecktem Arm hat der Herr sein Volk aus Ägypten geführt. Unmittelbar nach seinem Auszug empfängt es die Versiegelung seines Volksbestehens, durch die göttliche Gesetzgebung auf dem Berge Sinai. Die 40jährige Reise durch die Wüste nimmt ihren Anfang. Auf diesem, durch seine Sünden verlängerten Wege von Afrika nach Asien musste das, als Volk kaum geborene, Israel sich noch einer kräftigen Bearbeitung, einer Art Beschneidung unterwerfen; ehe es der Besitznahme Kanaans gewürdigt wird. Majestätisch, großartig ist der Anblick der 12 Stämme Israels, die in der Wüste gelagert, ein jeglicher unter seinem Panier und unter seinem Stammhaupt, ihre Angesichter nach den vier Weltgegenden hinkehren, deren Heil und Herrlichkeit es in seinen Lenden trägt, und die es abgebildet mit sich führt in dem Heiligtum der Stiftshütte, und deren heiligen symbolischen Gefäßen und in seinen Priestern. Aber das aus Ägypten erlöste Geschlecht, das sich unmittelbar nach seinem Auszug und der Verkündigung seines Gesetzes auf Sinai zu den ägyptischen Abgöttern wandte, durfte das Land der Verheißung nicht sehen, sondern musste als eine Vorhaut des auserkorenen Volkes wegfallen. Ein frisches, verbessertes Geschlecht kommt unter diesen Gerichten zum Vorschein. „Angst überfiel die Einwohner Palästinas; die Fürsten von Edom erschraken; Zittern kam die Gewaltigen Moabs an; alle Einwohner Kanaans wurden feige.“ (2. Mose 15, 14. 15.) Moses selbst war Zeuge der ersten Eroberungen diesseits des Jordans. Ruben, Gad und der halbe Stamm Manasse nahmen Besitz von den Weiden Basans und denen der Amoriter. Der Durchzug durch den, in Israels Geschichte höchst merkwürdigen, Fluss bleibt dem Josua und Caleb aufbewahrt. Mit ihnen eröffnet sich Israels Heldenzeit, welche 450 Jahre umfasst, und mit David und seinen Zeit- und Streitgenossen schließt. Unter der Friedensregierung Salomos — welche ein Bild des ewigen Friedens ist, der in dieser Welt auf Streit und Leiden folgen soll — wird Israels Größe und Wohlfahrt auf ihren höchsten Stand, aber auch zu Ende gebracht.

Das stets gezogene Schwert des Mannes nach dem Herzen Gottes schützte das Volk Israel noch gegen den schädlichen Einfluss der abgöttischen Völker; aber schon unter Salomo beginnt er seine zerstörende Wirkung. Das Königreich teilt sich in zwei Teile unter Rehabeam und Jerobeam. Beide Teile, das Reich Juda und die 10 Stämme Israels, fallen, nachdem sie viele Jahrhunderte lang die Langmut des Gottes ihrer Vater erfahren hatten, unter das züchtigende Schwert und die Strafherrschaft zweier mächtiger asiatischer Völker. Die Zerstreuung beider Abteilungen nimmt ihren Anfang, und mit dieser Zerstreuung beginnt ein ganz anderes Verhältnis zwischen den Juden und den Völkern.


Durch seine Gesetze, durch seine ganze Staatseinrichtung war Israel bestimmt, so lange es unter Mose, Josua, seinen Richtern und Königen stand, das ererbte und ihren Vätern verheißene Land zu bewohnen, sich von allem Götzendienst rein zu erhalten, und in Wahrheit ein Volk des wahren lebendigen Gottes zu sein. Es hat aber von Anfang an diesen Beruf verwahrlost, — es hat die Völker, zu deren Züchtigung es von Gott gesandt wurde, geschont, sich mit ihnen vermengt und ihre Götzen angebetet. Die mitten in Israel wohnenden Canaaniter wurden ihm auch zu einem bleibenden Stachel und zu einer Zuchtrute in der Hand seines Gottes, dem es ungehorsam und untreu geworden war. Jerusalem selbst blieb in der Macht der Jebusiter, bis David mit seinen Helden die Burg Zion einnahm, die Lade Gottes hinbrachte, und in Jerusalem seine Residenz aufschlug.

Selbst Josua ließ sich einen Augenblick überlisten, und erlaubte den Gibeonitern mit Israel das Land zu bewohnen; jedoch stets als erobertes und dienstbares Volk, „als Holzhauer und Wasserträger.“ Und der HErr ließ ihnen dieses große Übel, das sie durch die Aufnahme eines Überbleibsels von canaanitischen Völkern verursachten, noch einigermaßen zum Nutzen gereichen: „dass die Geschlechter der Kinder Israel wüssten und lerneten streiten, die vorhin nichts darum wussten.“ (Richt. 3, l. 2.) Ursprünglich war Israel bestimmt, ein Kriegsvolk zu sein. Dieser Charakterzug, der der ganzen Gesetzgebung zum Grunde liegt und dadurch befestigt wird, erhielt sich unter den Juden bis zu ihrem Untergang bei dem letzten Fall ihrer Stadt und ihres Tempels. Er tritt erst in den Hintergrund in den späteren Zeiten, wo das Volk Israel als nicht mehr ein Volk seiend auf der ganzen Oberfläche der Erde umherzog.

Der verderbliche Einfluss fremder Völker war besonders nach der Regierung Salomos, unter den Königen sowohl Israels als Judas, von sehr nachteiligen Folgen. Durch Nachahmung der Sitten dieser Völker und besonders ihrer vielfältigen Abgötterei, haben sich Jacobs Nachkommen Jahrhunderte lang großes Unheil und scharfe Züchtigungen zugezogen. In unerlaubten gefährlichen Verschwägerungen, in Bundesgenossenschaften, Annahme fremder Sitten und Gebräuche, auch der allerabscheulichsten, gingen die Fürsten mit üblem Beispiel voran. Israel war in diesen Tagen gerade das Gegenteil von dem, was es später unter den Völkern wurde, — ein Zeugnis und Verkündiger des ewig wahren Gottes, mitten unter allen falschen Religionen der Welt. Diesem Berufe entspricht Israel schon einigermaßen unmittelbar nach der babylonischen Gefangenschaft. Auf eine viel erhabenere Weise offenbarte sich derselbe echte israelitische Beruf bei der Predigt vom Kreuze. In seiner ganzen Herrlichkeit aber wird er sich in den Zeiten der noch unerfüllten Weissagungen offenbaren.

So sehr auch Israel durch die absichtlich von Gott eingesetzten Gebräuche gleich anfänglich von andern Völkern abgeschieden wurde, so zeugen doch seine alttestamentlichen Schriften von einer, in dem Ratschlusse Gottes sehr tief liegenden, Beziehung zu denselben, besonders in Hinsicht der Zukunft Israels und der Zukunft dieser Völker. Die Psalmen und Propheten weisen unausgesetzt auf eine Vereinigung dieser beiden großen Abteilungen der Nachkommen Adams unter einem Zepter hin. Der Ausruf, welcher fast den ganzen 117 Psalm umfasst, ist das Thema zahlreicher Lobgesänge, die sich auf eine herrliche Zukunft beziehen. „Lobet den HErrn alle Heiden, lobet Ihn alle Völker!“ (Röm. 15, 8—N.) Jahrhunderte lang wurde Israel die bevorstehende Bekehrung der Völker von Gott vorhergesagt; eben so werden auch seit vielen Jahrhunderten die Gläubigen des neuen Bundes aus diesen Völkern auf eine endliche allgemeine nationale Bekehrung Israels hingewiesen (Röm. 1l.). Die Propheten Jehovahs sprechen fast eben so viel von der Zukunft der Heiden, als von der Zukunft Israels; und nicht nur von den Zeiten, wo sie beide um das Panier Jesse versammelt sein werden; — sie mussten auch die Wege Gottes mit diesen Völkern und feine Gerichte über dieselben in viel früheren Zeiten und bei früheren Gelegenheiten kund tun; sie bilden einen großen Teil der Lasten der alttestamentlichen Propheten Jehovas (Jes. 15. 17. 19. 23. usw. Jerm. 46. 47. 48. 49. 50. Ezech. 25. 27. 29. 31. Daniel 2. 7. Jona 1. 2. u. s. w.) Auch in diesem Sinne gilt das Wort des Apostels: „Ist Gott allein der Juden Gott, ist Er Nicht auch der Heiden Gott? Ja freilich auch der Heiden Gott"! (Rom. 3, 29.) Wunderbar! die scheinbar ausschließendste Religion der Welt ist im Grunde die weitumfassendste, nicht bloß in Hinsicht einer fernen Zukunft, sie ist es zu allen Zeiten in Beziehung zu den nicht auserkorenen Völkern gewesen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Israel und die Völker
Abb. 3. Gräberfeld hinter der großen Pyramide von Gize

Abb. 3. Gräberfeld hinter der großen Pyramide von Gize

Abb. 1. Stufenpyramide von Sakkara.

Abb. 1. Stufenpyramide von Sakkara.

Abb. 2. Pyramiden von Gize

Abb. 2. Pyramiden von Gize

Eine Nilbarke

Eine Nilbarke

Tafel 07 Kalksteinstatue des Schreibers im Louvre

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Tafel 04 Scheintür aus dem Grab des Manofer

Tafel 04 Scheintür aus dem Grab des Manofer

Abb. 7. Holzstatue des Schêch el-beled

Abb. 7. Holzstatue des Schêch el-beled

Tafel 05 Kopf der Dioritstatue des Chephren

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Tafel 11 Säulen aus dem Totentempel des Sahurê in Abusir

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Tafel 16 Kopf der Kupferstatue Pepi’s I.

Tafel 16 Kopf der Kupferstatue Pepi’s I.

Tafel 17 Kopf der Kupferstatue des Merenrê

Tafel 17 Kopf der Kupferstatue des Merenrê

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