Die Juden in den Niederlanden

Die mittelalterliche Geschichte der Juden in den Niederlanden ist in kleinerem Maßstab nicht verschieden von der in Deutschland und im nördlichen Frankreich. Auch hier, wie in den belgischen Provinzen, fand man frühe schon Juden. In späteren Zeiten sagt ein in Betreff des Handels erfahrener Geschichtsschreiber dieses Landes, dass handeltreibende Nationen die Juden nur zu ihrem größten Schaden vertreiben können*). Dieser Grundsatz aber wurde in dem Zeitabschnitt, den wir hier vor uns haben, auf eine dem israelitischen Fremdling weniger günstige Weise anerkannt, und sein Verhältnis zu Fürsten und Volk war damals ein ganz anderes. Doch meldet uns die Geschichte, dass seit dem Einfall der Normänner in diesen Provinzen der bedeutendste Handel von den Juden getrieben wurde, und dass der Verfall des Handels in Leuk der Vertreibung derselben aus dieser berühmten Bischofstadt zuzuschreiben sei.

In Flandern haben schon zur Zeit der Kreuzzüge Juden gewohnt. Später kamen noch Flüchtlinge aus Frankreich und besonders England dorthin. Im 12. Jahrhundert werden sie aus der Grafschaft vertrieben, sind aber im 14. dort wieder sehr zahlreich. In Brabant sind sie einmal beschirmt und gebraucht, dann wieder schwer verfolgt und unterdrückt worden. Ihre endliche Verbannung für ewige Zeiten aus dem Herzogtum war Folge einer Beschuldigung der Schändung des Heiligen, weshalb sie auch in großer Anzahl zum Scheiterhaufen verurteilt wurden. Im Jahre 1370 klagte sie das Volk an, dass sie zu wiederholten malen die Hostie mit Pfriemen durchstochen haben, was wieder zu einer schrecklichen Verfolgung Anlass gab. Das Andenken an diesen Vorfall ist hier durch Jubiläen fortgepflanzt worden, wovon das letzte wirklich noch im Jahr 1820 gefeiert worden ist. Die Juden haben die Beschreibung dieses Unglücks in einer Elegie aufbewahrt, in welcher als erstes Opfer ein gewisser Jonathan, ein reicher Bankier von Enghien genannt wird.


In Geldern waren die Juden in großer Anzahl und unter dem Schutze der Grafen und später der Herzoge öfters in einem blühenden Zustand. In der früheren Reichsstadt Nimwegen, auch zu Zütphen, Duisburg und Arnheim, wo selbst in der Mitte des 15. Jahrhunderts ein Jude als Stadt-Arzt angestellt war, wurde von Regierungswegen jede öffentliche oder geheime Misshandlung dieses Volkes verboten. In demselben Jahrhundert wurde eine adelige Jungfrau aus Geldern zu Köln öffentlich verbrannt, weil sie sich mit einem Juden verheiratet hatte, eine Tat, welche die Gesetze dieser Zeit oft dem Ehebruch gleichstellten.

In dem Bistum Utrecht sind Juden wohnhaft gewesen bis zum Jahr 1444, wo sie für immer, wenigstens aus der Stadt vertrieben wurden. Noch im Jahr 1795, als sie schon im nahegelegenen Maarsden zahlreich und vermöglich waren, waren sie in Utrecht nicht zugelassen.

Holland, Seeland und Friesland haben ihre jüdische Bevölkerung aus dem Hennegau empfangen zu einer Zeit, wo viele unter Philipp dem Schönen Frankreich verließen und eine Zuflucht in andern Ländern suchten. Wilhelm der Gute (1304) war ihnen nicht bloß geneigt, sondern auch eifrig beschäftigt, Geistliche zu ihrer Bekehrung auszusenden. Später wird noch mehrmals der Juden in diesen Gegenden erwähnt. Das Haus Burgund scheint ihnen aber nicht günstig gewesen zu sein. Unter Karl V. wird ihnen durch wiederholte Plakate der Aufenthalt in Holland untersagt. Die zahlreiche jüdische Bevölkerung von Holland in späteren Zeiten kam aus der pyrenäischen Halbinsel, in Folge der Verbannung aus diesem Lande; ihre Geschichte gehört also in einen folgenden Abschnitt dieser Übersicht.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Israel und die Völker
Ypern, Kathedrale St. Martin

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Tournai, Kathedrale Notre-Dame

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Lüttich, Heiligkreuz-Kirche (Sainte-Croix)

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