Die Juden in Italien

Wir kehren von unserer Wanderung durch das mittelalterliche Europa zurück nach Italien, dem Lande, das, wie wir bereits gesehen, schon so frühe jüdische Einwohner hatte. Rom unter der weltlichen Regierung seiner Päpste zieht unsere Aufmerksamkeit zuerst auf sich. Wenn sich auch die Juden der Fremdlingschaft daselbst, während der bisher betrachteten Periode, nicht in glänzendem Zustand befanden, so waren sie doch frei von schweren Verfolgungen. In Hinsicht ihrer Wohnungen waren sie zwar auf die Ghettos beschränkt, und ihre Rabbinen, sowie ihr Talmud fanden natürlich wenig Gunst bei dem Oberhaupt der römischen Kirche. Doch zeigten sich die Päpste größtenteils den Juden geneigt, sowohl auf ihrem eigenen weltlichen Gebiete als außerhalb desseiden, und man sah sie öfters als Beschützer der misshandelten oder bedrohten Israeliten in der Christenheit auftreten. Nicht alle haben jedoch die gleiche Gesinnung bewiesen oder sich von demselben Grundsatze leiten lassen. Gregor I. der Große, zeigte sich im 7. Jahrhundert als Freund Israels, sowohl in seinen Schriften als in seinen Verordnungen, gemäß den herrlichen Verheißungen, die der Kirche Christi für das alte Volk Gottes anvertraut waren. Gregorius VII., der berühmte Hildebrand im 11. Jahrhundert, war feindlich gegen sie gesinnt.

In den großen Städten Italiens außerhalb Roms war ihr Zustand verschieden, meistens günstig, besonders zu Livorno und Venedig; in Florenz weniger, in Genua ganz umgekehrt. Vor dem 10. Jahrhundert wird kaum an einzelnen Orten von den Juden in Italien gesprochen; aber schon im 12. Jahrhundert fängt ihr Einfluss und Reichtum an bedeutend zu werden, hier und da als Frucht wirklichen Handels, später durch ihre Wechselcomptoire und Banken, aber auch, wie in Deutschland, Frankreich und andern Orten, durch ihren verhassten Wucher. Nirgends konnte ihnen zwar dieser Handel weniger übel genommen werden als in Italien, von wo aus, besonders aus der Lombardei, nach allen Teilen Europas Geldmäkler zogen, die die Juden an Gewandtheit und Geldgier weit übertrafen. Won Zeit zu Zeit hört man auch die Klage, dass da, wo keine Juden seien, der Wucher der Nichtjuden noch viel höher getrieben werde. Die üppige Stadt Florenz selbst soll einen großen Teil ihres Reichtums auf diese Weise erworben haben. Auch hier wieder war es der unglückselige Wucherhandel, der hin und wieder die Volkswut aufregte, obschon sonst die Bedrückung der Juden in Italien sehr mäßig war. Am Ende des 15. Jahrhunderts erhob sich ein Mönch, Namens Bernardino Thomitano von Fellre, mehr aus Hass gegen den Wucher der Juden als um der Religion willen, und reizte das Volk gegen sie auf. Seinen Bestrebungen und seinem unermüdeten Eifer haben wir die ersten Leihbanken zu verdanken, deren Namen (Monte di pieta) noch heut zu Tage an die Lombardei erinnert.


Verfolgungen der Juden werden noch aus dem Königreich Neapel hin und wieder gemeldet. Dort haben sich die Juden erst um das Jahr 1200 niedergelassen. Der portugiesisch - jüdische Schriftsteller Samuel Usque erzählt unter anderem von einer Verfolgung in der Mitte des 13. Jahrhunderts, die bei vielen einen gezwungenen Übertritt zum Christentum zur Folge hatte, während ihre Synagoge in eine Kirche verwandelt und der heilige Katharina geweiht wurde.

Jüdische Theologie, Sprache und Gelehrsamkeit haben übrigens in Italien unter den Juden dieser Zeit nicht weniger als in Frankreich geblüht. Im 11. Jahrhundert, wo die Juden und ihre Studien in diesem Lande noch wenig beachtet wurden, leitete R. Nathan Ben Jechiel eine jüdische Akademie zu Rom und schrieb ein Werk, durch welches er sich noch später auch bei christlichen Gelehrten einen Namen erwarb. Sein Wörterbuch über den Talmud, Aruch genannt, ist nicht bloß von Bartolocci sehr gerühmt, sondern auch vielfach zu Rate gezogen von den gelehrten Buxdorfen bei der Abfassung ihres bekannten chaldäischen, talmudischen und rabbinischen Lexikons.

Das 13. Jahrhundert, die Zeit des Wiederauflebens der Wissenschaften in Italien überhaupt, war auch für die jüdische Gelehrsamkeit und Poesie eine Zeit der Entwicklung und Blüte. Emmanuel Ben Salomo, am Anfang dieses Jahrhunderts zu Rom geboren, war einer der größten und zierlichsten Dichter, deren sich die hebräische Literatur in der Zerstreuung rühmt. Seine Sammlung Gedichte (Mechabberoth) liefert auch Proben von Minneliedern, einer Art Poesie, die unter den Juden sonst wenig üblich war, und durch welche er bei seinen Glaubensgenossen nicht so viel Beifall erntete, als außerhalb seiner Nation. Er hat sich indessen auch um sie verdient gemacht, nicht allein durch Gedichte von strengem, rein religiösem Gehalte, sondern auch durch seine Auslegungen des Pentateuchs, des Buches Hiob, der Psalmen, der Sprüche Salomos und noch anderer Schriften des jüdischen Canons. Zu einem folgenden Jahrhundert gehört in der Geschichte der Juden in Italien die Stiftung einer seitdem berühmt gewordenen Akademie zu Bologna, durch die aus Rom stammende Familie Hannaarim, die in derselben Stadt auch eine der schönsten Synagogen Italiens bauen ließ. Im übrigen zeichnet sich dieses Jahrhundert durch wenig große Namen aus. Im 15. Jahrhundert hingegen haben jüdische Ärzte und rabbinische Gottesgelehrte geblüht. Beim Übergang des Mittelalters in eine neue Abteilung der Geschichte auch des zerstreuten Israel, finden wir den als Philosophen und Linguisten berühmten Elias Levita zu Padua Unterricht erteilend. Es wird jedoch gestritten, ob er wohl von Geburt ein Italiener oder ein Deutscher gewesen sei. Die interessantesten seiner Werke sollen die sein, die von massoretischen Gegenstanden handeln.

Am Ende des 15. und am Anfang des l6. Jahrhunderts strömte den Juden in Italien ein neues Element zu aus Portugal und Spanien. Auf welche Weise sich sowohl dort als in verschiedenen andern Ländern Europas der Kern der jüdischen Bevölkerung der pyrenäischen Halbinsel niederließ und die große Blüte und Gelehrsamkeit ihrer Väter fortpflanzte, wird uns klar werden aus der Betrachtung der Schicksale und der Eigenheiten der letztgenannten Abteilung der israelitischen Zerstreuten, welche wir im Ganzen und im Zusammenhang für das dritte Buch dieser Übersicht bewahren.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Israel und die Völker
004 Prospekt von Venedig. Aus H. Schedls Weltchronik, 1493 (S. 69)

004 Prospekt von Venedig. Aus H. Schedls Weltchronik, 1493 (S. 69)

005 Prospekt von Venedig. Aus H. Schedls Weltchronik, 1493 (S. 69)

005 Prospekt von Venedig. Aus H. Schedls Weltchronik, 1493 (S. 69)

009 Faksimile einer alten Miniatur aus einem Codex der Bibliothek von S. Marco

009 Faksimile einer alten Miniatur aus einem Codex der Bibliothek von S. Marco

003 * Bild 3 Bastion Pauls III. am südwestlichen Abhänge des Aventin Die Bastion, welche den Namen Colonella trug, befindet sich jetzt im Besitze der Benediktiner von S. Anselmo. Das Gartenhaus auf der Bastion ist eine spätere Zutat. Das Marmorwappen Pauls III. wurde von einem florentinischen Bildhauer namens Lorenzo ausgeführt (s. Pastor, Geschichte der Päpste V 746).

003 * Bild 3 Bastion Pauls III. am südwestlichen Abhänge des Aventin Die Bastion, welche den Namen Colonella trug, befindet sich jetzt im Besitze der Benediktiner von S. Anselmo. Das Gartenhaus auf der Bastion ist eine spätere Zutat. Das Marmorwappen Pauls III. wurde von einem florentinischen Bildhauer namens Lorenzo ausgeführt (s. Pastor, Geschichte der Päpste V 746).

010 * Bild 7 Bastion Pauls III. an der Nordseite des Vatikans

010 * Bild 7 Bastion Pauls III. an der Nordseite des Vatikans

0123 Bild 99 Die Basilika S. Croce in Gerusalemme. Anonymer Stich des 16. Jahrhunderts  Aus dem Jubiläumsplan von 1575. Hermanin a. a. O. LII.

0123 Bild 99 Die Basilika S. Croce in Gerusalemme. Anonymer Stich des 16. Jahrhunderts Aus dem Jubiläumsplan von 1575. Hermanin a. a. O. LII.

017 Bild 13 Gartenanlagen und Statuenschmuck des Belvedere (1550). Gemälde des Hendrik van Cleve im Hofmuseum zu Wien. Photographie durch Professor Egger freundlichst zur Verfügung gestellt

017 Bild 13 Gartenanlagen und Statuenschmuck des Belvedere (1550). Gemälde des Hendrik van Cleve im Hofmuseum zu Wien. Photographie durch Professor Egger freundlichst zur Verfügung gestellt

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