Die Juden in England
Die bleibende Niederlassung der Juden in England fällt in die Zeit der sächsischen Heptarchie. Sie kamen höchstwahrscheinlich aus Frankreich dorthin. Die erste Erwähnung derselben geschieht in einer Kirchenordnung Egbrichts, Erzbischofs von York (740), worin den Christen verboten ist, den Festen der Juden beizuwohnen. Schon die Gesetze Eduards des Bekenners (1041) erklären sie für königliches Eigentum, in dem Sinne nämlich, in welchem sie es in Frankreich waren. Mit Wilhelm dem Eroberer sollen auch wieder viele Juden aus der Normandie mit nach England gekommen sein. Unter Wilhelm dem Rothen, dem zweiten Könige aus dem normannischen Stamme, hört man wieder mehr von ihnen. Dieser König, der gegen die Geistlichkeit seiner Kirche feindlich gesinnt und in Religionssachen höchst leichtsinnig war, erlaubte ihnen, ihre Religion öffentlich gegen die Christen zu verteidigen. Was aber auch er am meisten an ihnen schätzte, war ihr Geld. Es setzte sie in den Stand, dasselbe sowohl zu seinem als zu ihrem Nutzen zu vermehren, besonders auf Kosten der Geistlichkeit. Zu dieser Zeit besaßen die Juden in London und an andern Orten, wie Oxford und York, große Ritterschlössern ähnliche Häuser und oft ganze Straßen, die man nachher nach ihnen benannte.
Unter Heinrich II. dagegen und unter seinen Söhnen im 12. Jahrhundert, begann die Misshandlung der Juden ihren höchsten Punkt zu erreichen. Von dem gräulichen Judenmord bei der Krönung Richards Löwenherz haben wir bereits gesprochen. Zu Ramford hatten sie unter seiner Regierung sehr viel von den Rittern zu leiden, die sich zu einem Kreuzzug ins heilige Land rüsteten. Zu York gab ihr Wohlstand Anlass, dass das Volk einen schrecklichen Anfall auf sie machte, wobei sie sich vergebens in ein nahe gelegenes königliches Schloss flüchteten, um dort Schutz zu suchen. Bis dahin verfolgt und belagert wurden sie dergestalt zur Verzweiflung gebracht, dass sie ihre eigenen Weiber und Kinder, sodann sich selbst untereinander ums Leben brachten, und das Schloss mit aller sich darin befindlichen Habe den Flammen preis gaben. König Richard, der auf seine Weise gegen die Juden gerecht war, strafte die Anführer dieser schändlichen Verfolgung. Nach seiner Zurückkunft aus Palästina und der darauf folgenden Gefangenschaft setzte er Richter ein, die das Land durchreisen und die Angelegenheiten der Juden untersuchen mussten. Aber auch bei diesem Fürsten sah man bald, dass er die Juden nicht aus Rechtsgefühl beschütze, sondern um ihres elenden Geldes, oder lieber des Geldes seiner Untertanen willen, das er ihnen zu erwuchern erlaubte. Aus denselben politischen Grundsätzen und in noch niederträchtigerer Anwendung handelte sein Bruder und Nachfolger Johann (1199), der den Juden im Anfang seiner Regierung allerlei Freiheiten und Vorrechte schenkte, ihnen aber bald zu erkennen gab, auf gleiche Weise und in welchem Sinne er diese wohlwollenden Anordnungen zu treffen und zu bekräftigen gesonnen sei. Über die Beutel und das Eigentum der Juden zu verfügen, sei es um den Einen oder den Andern damit zu beschenken, oder um seine eigene Schatzkammer bannt zu füllen, war wohl noch der am wenigsten drückende Beweis seiner königlichen Gesinnung gegen sie. Nicht zufrieden, ihre bekannten Schätze als sein Eigentum zu betrachten, zwang er sie oft unter schrecklichen Martern, wie Ausziehen der Zähne, Ausstechen der Augen und dergleichen, ihm auch ihre verborgenen Schätze zu entdecken und ihm davon so viel er sich wünschte mitzuteilen. Auf diese Weise wurde unterandern ein Jude zu Bristol genötigt, zehntausend Mark Silber zu bezahlen (1210). Heinrich III. (1214- 1272) Johanns Nachfolger befolgte dieselbe Behandlungsweise in Betreff der Juden. Die Vorrechte und der Schutz, den der König den Juden gegen die Geistlichkeit und das Volk verlieh, mussten bloß dazu dienen, ihn mit ihren Schätzen zu bereichern. Die Unterdrückung wurde deshalb nur desto heftiger. Und dieselben Fürsten scheuten sich nicht, Einrichtungen zur Bekehrung der Juden zu stiften. Diese Bekehrungen waren aber auch der Art, dass uns die Geschichte die Echtheit derselben sehr bezweifeln lässt. Sie wurden weitere Ursache zu den gewohnten Beschuldigungen des Mittelalters, dass die Juden Christenkinderblut vergießen und namentlich das ihrer getauften Stammgenossen.
Durch dieses alles war den Juden der Aufenthalt in England so unerträglich geworden, dass sie mit Nachdruck bei dem Könige um die Erlaubnis, das Land zu verlassen, nachsuchten. Aber auch dieses wurde ihnen verweigert. Erst im Jahr 1290 erteilte Eduard I., ohne dass die Juden irgend einen Anlass dazu gegeben hätten, den Befehl zu ihrer ewigen Verbannung aus dem Königreiche. Die Juden verließen mit ihren Familien, in einer Anzahl von 15—16.000 Seelen, und mit dem, was sie an beweglicher Habe noch behalten durften, das Reich, wo sie noch bis zu ihrer Einschiffung verfolgt und misshandelt wurden, so dass viele unter ihnen in den Wellen der Nordsee umkamen, andere nur in dem elendesten Zustand das entgegengesetzte Ufer erreichten.
001. Schloss Eaton Hall bei Chester. Aus Mervyn Macartney. English houses in the 17. and 18. cent. London 1908
002. Schloss Sarresden bei Chipping Norton, Oxfordshire. Aus: Mervyn Macartney. English houses in the 17. and 18. cent. London 1908
003. Hill Hall in Essex. Umgebaut 1719. Aus Charles Latham. English Homes. Band II. London 1907
004. Somerset House in London. Strandfront. Mitteltrakt. Erbaut von Sir William Chambers 1776 Aus A. E. Richardson. Monumental classic architecture in Great Britain. London 1914
005. Harewood House in Yorkshire. Erbaut von Carr 1760 Aus Reginald Bloomfield. History of Renaissance architecture in England. London 1897
006. Houghton Hall in Norfolk. Erbaut für Robert Walpole. Aus Charles Latham. English Homes. Band III. London 1907
London, "Big Ben" 1831
London, St. Paul
London, "Big Ben" und die Westminster Brücke
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