Der Juden Handel und Wucher

Schon die Römer betrachteten den Handel als unter der Würde einer kriegerischen und weltbeherrschenden Nation. Die nordischen Stämme, die seit der Völkerwanderung des 5. und der folgenden Jahrhunderte an die Stelle der Römer getreten und dieselben zu einem untergeordneten Volke erniedrigt hatten, hegten gegen Handel und finanzielle Interessen noch größere Verachtung. Der freie Mann war Grundbesitzer, die übrige Bevölkerung bestand aus Leibeigenen, Bauern oder Staatsbürgern, deren Betriebstätigkeit mehr industriell als kommerziell, jedenfalls nicht finanziell war. Auf diese Weise kam wie von selbst der Handel und namentlich der Geldhandel in die Hände des Volkes, das zuerst in seinen eigenen Augen überall Fremdling war und damals mehr als je von den Christenvölkern als Feind und Fremdling betrachtet und immer mehr von allem Grundbesitz und Landbau ausgeschlossen wurde. Der Handel artete der Lage nach, in welcher der Jude sich befand, bald aus in unedlen Kleinhandel, ihre Geldspekulationen oft in schändlichen Wucher.

Wenigstens hat sich der Ausdruck des Hasses und der Verachtung hierüber erst in der Christenheit und besonders im Mittelalter hören lassen.


Um nun diese Beschuldigung von Wucher begreifen und gehörig beurteilen zu können, ist es nötig, dass man sowohl die Beschaffenheit der Zeit, in welcher sie ihren Grund hat, als die Natur und das Schicksal des Volkes Israel selbst in ihrem Zusammenhang betrachtet.

Seiner Natur und seinem Ursprung nach war das Volk Israel ein Hirtenvolk, eine landbauende, keine handeltreibende Nation. Und auch hier gilt die schon öfters wiederholte Bemerkung, dass der Israelite nur in seinem Vaterlande recht Israelite ist. Die Umwandlung Israels in ein Handelsvolk steht größtenteils im Zusammenhang mit seiner Fremdlingschaft.

Noch unnatürlicher wurde der Zustand der Nachkommen Abrahams, als sie der angeführten Umstände wegen von allem Grundbesitz beinahe ausgeschlossen waren. Es ist daher nichts natürlicher, als dass sie, in ihrer allgemeinen Zerstreuung auf der ganzen Erde, von dieser ihnen ganz eigenen Stellung unter den Völkern Gebrauch machten, um hauptsächlich Handel zu treiben. Sie konnten sich jedoch, obgleich sie den Handel namentlich nach dem Osten und der Levante sehr im Großen trieben, als ein Volk, dessen große Masse zu den niedersten Klassen der Gesellschaft gerechnet wurde, auch in dieser Beschäftigung nicht lange auf einer hohen Stufe erhalten. Und wenn wir den Israeliten noch im sechsten Jahrhundert nach Chr. im Besitz von Handelsflotten sehen, so finden wir ihn bald nachher auch in dieser Hinsicht im Verfall und allmählich zum Sklavenhändler herabgesunken.

In den engsten Kreis des Bestehens unter den Christennationen zurückgedrängt, war der Israelite zur Übung seiner reichen Verstandesgaben fast ausschließlich auf Geldhandel und Spekulation verwiesen.

Es ist indes nicht wahr, dass alles, was im Mittelalter, dessen finanzielle Begriffe so beschränkt waren, Wucher genannt wurde, diesen Namen wirklich verdiente. Dass ein Kapital eben so gut als ein anderer Besitz in Gütern oder Grundeigentum seine Frucht trage und tragen müsse, davon war in diesen Zeiten der Vorurteile keine Rebe. Die Juden sind freilich, in sofern sie den gesetzlichen Gewinn in absichtlichen Wucher verkehrt haben, an diesem Missverstande und dieser Begriffsverwirrung größtenteils Schuld. Aber die Christen nicht weniger (*). Der billige, Sach- und Menschenkundige Geschichtsforscher darf nicht übersehen, aus welchen zwei Elementen die Beschäftigung der Juden mit Geldhandel und Geldausleihen in dem christlichen Europa bestanden hat. Wissbegierde und Klugheit kommen bei der Untersuchung derselben eben so sehr in Betracht, als Geldgier. Der vielfache Nutzen, den die Juden durch Einsicht und Erfahrung auf dem Gebiete der Finanzen gebracht haben, worunter z. B. ihr Beitrag zur Erfindung des Wechsels, macht auf Anerkennung Anspruch, wenn man auch bei Juden und Namenchristen nicht ohne Empörung den Missbrauch der übertriebenen Zinsforderungen und den schändlichen Wucherhandel, der einen dem Aussatz ähnlichen Fluch über den bringt, der sich desselben schuldig macht, verwerfen muss.

Wenn sich auch der Jude des Mittelalters in Hinsicht dieser außergewöhnlichen Übertreibung des Geldhandels auf keinerlei Weise rechtfertigen kann, so lässt es sich doch allerdings zur Schande von Fürsten und Völkern erklären.

*) Der Franzose Brugnot sagt in seiner Schrift: I.es Juifs d’Occident: Um die Juden von der Anklage freizusprechen, sie haben beinah überall den Wucher begünstigt, brauche ich die unwiderlegliche Wahrheit nicht zu wiederholen, dass sie sich diesem Leben nur da Hingaben, wo die Christen sie durch schlecht Behandlung dazu getrieben haben, Vorsichtsmaßregeln zu ergreifen, um sich die Früchte ihrer Mühen zu erhalten.

Der Jude, unter der Macht des Lehenssystems von allen gesetzlichen und ehrbaren Lebensverhältnissen ausgeschlossen, seines Lebens, seines Gewinns, seines Eigentums keinen Augenblick sicher, gegen Übermut und Ungerechtigkeit wehr- und waffenlos dastehend, fand kein Bedenken, sich mit den Waffen zu helfen, die ihm zu Gebote standen: fein angelegte List gegen Übermacht und Gewalt, kluge Überlegung und Berechnung gegen die Willkür des Stärksten, die Kraft des Silbers gegen die des Eisens. Das Unrecht wurde von beiden Seiten nur auf entgegengesetzte Weise verübt. Und wer wird entscheiden, welcher von beiden der Schuldigere war, — der edle Ritter, welcher von den Felsenufern des Rheins den vorbeifahrenden Kaufmann ausplünderte, oder der unterdrückte Jude, der mit eben so wenig Mitleiden halbe Städte (Paris nicht ausgenommen) arm wucherte?
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Israel und die Völker
014. Bauer und Städter beim jüdischen Geldverleiher. Nürnberger Holzschnitt 1491

014. Bauer und Städter beim jüdischen Geldverleiher. Nürnberger Holzschnitt 1491

022. Der Geldnarr. Holzschnitt von Jost Amman. Frankfurt 1568

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023. Der Jurist, der Jude und die Frau machen die ganze Welt irr. Spottbild von Hans Wandereisen. Nürnberg 1520

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T001 Ein jüdischer Makler. Englische Karikatur von Thomas Rowlandson. 1801

T001 Ein jüdischer Makler. Englische Karikatur von Thomas Rowlandson. 1801

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