Thord von Trostestad

Ein Mann hieß Thord; er wohnte auf Throstestad am Höfdestrand im Skagefjord. Er hatte, wie es den Leuten schien, ein sonderbares Gemüt. Es geschah eines Winters, dass er bei so starkem Schneetreiben von zu Hause nach dem Handelsplatz ging, dass er glaubte, es sei kein Wetter, um einen Weg zu finden. Er trug einen Sack mit Waren, und mit diesem ging er nun unten über die Sümpfe; denn von dort ist es nicht weit bis nach Hofsos. Als er ein kleines Stück gegangen war, verlor er den Weg, setzte seine Wanderung jedoch bis zum Abend fort; da glaubte er, ein paar Buden zu sehen; sie waren so hoch, dass er darüber staunte; er ging hin und fand die Fenster erleuchtet. Er ging an ein Fenster und sah Menschen drin, die sich mit Saitenspiel und Tanz belustigten. Dann näherte er sich der Tür und klopfte an. Sogleich kam ein Mann im Rock an die Tür und fragte, was er wolle. Thord sagte, wie es wäre, dass er den Weg verloren hätte, und sagte auch, dass er gern Obdach haben würde, wenn es sich machen ließe. Der andere erwiderte, dass er das wohl erhalten könnte. „Folge mir nun hinein mit deinem Warensack. Morgen werde ich mit dir handeln, und es wird dir wohl nicht weniger gefallen, hier zu handeln als in Hofsos.“ Thord traute seinen Augen kaum; ihm war das alles wie ein Traum. Der Mann im Rock führte ihn in die Stube hinein, obgleich er nicht fein angezogen war; da waren viele Leute, die Frau des Hauses, die Kinder und das Gesinde, und alle waren sehr geputzt und sangen und waren fröhlich.

Der Mann im Rock oder der Herr des Hauses sagte leise zu seiner Frau, aber doch so laut, dass der Mann es hörte: „Ein verirrter Wanderer ist gekommen, er ist müde und braucht etwas zur Stärkung. Gib ihm einen Labetrunk, mein Schatz.“ Er tat ihr leid, der Ärmste; sie erhob sich schnell und holte gutes und reichliches Essen für ihn. Der Herr des Hauses aber kam mit zwei Bechern, goss ein, leerte den einen Becher darauf selber und bat Thord, den anderen zu leeren. Das tat er, und er glaubte, nie in seinem Leben so guten Wein getrunken zu haben. Es war sehr lustig, und Thord hatte keine Langeweile, obwohl er sein Abenteuer etwas merkwürdig fand. Er bekam einen Becher nach dem andern und begann, trunken zu werden. Dann wurde er in ein gutes Bett gebracht und schlief nachts seinen Rausch aus. Am nächsten Morgen bekam er wieder Nahrung und Wein, die noch besser als am Abend zuvor waren.


Dann ging der Herr des Hauses mit ihm hinaus und fragte ihn, ob er handeln wolle, worauf Thord „Ja“ erwiderte. Sie gingen dann in den Kramladen, in dem allerlei Waren lagen. Thord ließ seine Waren wiegen, und der Kaufmann gab ihm einhalb mal mehr dafür als gewöhnlich in Hofsos gegeben wurde. Thord erhielt nun Korn in seinen Sack, Leinwand und verschiedene Kramwaren, die er brauchen konnte. Alles bekam er für die Hälfte des üblichen Preises, und als er fertig war, gab ihm der Kaufmann ein großes Tuch für seine Frau und Weißbrot für seine Kinder und sagte, dass Thord nun dafür belohnt werden sollte, dass er einmal seinen Sohn aus Lebensgefahr gerettet hätte. Thord glaubte nicht, dass es sich so verhielte, der Kaufmann aber sagte, dass das doch der Fall sei. „Du warst einmal mit mehreren Männern unterhalb Thordshöfde; ihr wolltet nach Drangö hinüber und lagt und wartetet auf guten Wind. Deine Kameraden belustigten sich mit Steinwerfen und zielten nach einem Felsen; es war aber warmes Sonnenwetter an jenem Tag, und mein Sohn hatte sich deshalb unter dem Felsen zur Ruhe gelegt; denn er war müde und hatte die ganze Nacht gewacht. Du verbotest ihnen, Steine zu werfen, und sagtest, dass solche Steine keinen Zweck hätten. Wohl hörten sie dann auf, aber sie verhöhnten dich wegen deiner Launen und sagten, dass du immer ein wunderlicher Mann gewesen wärst. Und hättest du sie nicht daran gehindert, so würden sie meinen Sohn getötet haben.“

Nach diesem Gespräch rüstete sich Thord, um nach Hause zu ziehen; denn jetzt war helles Wetter. Er sagte allen Lebewohl; der Kaufmann aber brachte ihn auf den Weg, wünschte ihm eine glückliche Wanderung und kehrte dann wieder nach Hause zurück. Thord zog nun weiter, der Heimat zu, als er sich aber wieder den Handelsplatz ansehen wollte, entdeckte er weiter nichts als Thordshöfde, das unweit vor ihm lag; er wunderte sich sehr darüber, ging nach Hause, traf seine Frau an und erzählte ihr alles, zeigte ihr die Waren und gab ihr das Tuch. Sie freute sich sehr darüber und dankte ihrem Mann für das Geschenk. Thords Waren kamen weit herum, um gesehen zu werden, und nie hatte man Ähnliches hierzulande gesehen, und vielleicht wäre ihresgleichen nicht zu finden, auch wenn man an vielen Orten suchen würde.

Thord sah weder den Kaufmann, noch seine Leute jemals wieder. Aber an den Waren hatte er etwas zu zeigen, solange er lebte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Isländische Märchen und Volkssagen