Der Teufel und der beschränkte Bursch

Es wurde einmal ein Bursch, den man für außerstande hielt, etwas zu lernen, zu Sira Saemund gebracht, damit dieser ihm Religion beibringen sollte. Der Bursch aber war sehr beschränkt, und es fiel ihm äußerst schwer, etwas zu begreifen; er selbst war sehr betrübt darüber, und so manches Mal wünschte er sich Auflassungsgabe. Da träumte er eines Nachts, dass ein Mann zu ihm käme und ihn fragte, ob er wünschte, dass er ihm Auffassungsgabe verliehe. Dem Burschen war es, als sagte er ja dazu. Da verlangte der Traummann als Entgelt dafür, dass der Bursch im nächsten Frühjahr zur Kreuzmesse bei ihm Dienst nähme, und der Bursch willigte ein. Darauf verschwand der Traummann.

Nach dieser Nacht fiel dem Burschen das Lernen so leicht, dass der Pfarrer sich schier darüber wunderte; zugleich aber war der Bursch ein ganz anderer geworden, als er zuvor gewesen war; denn jetzt war er traurig und schwermütig. Dem Pfarrer fiel das auf, und er begann, ihn nach dem Grund dieser Veränderung zu befragen. Lange wollte der Bursch nichts darüber sagen, schließlich aber erzählte er dem Pfarrer, wie alles gekommen sei. Dem Pfarrer wurde dabei etwas sonderbar zumute, und er sagte, dass es wohl kaum ein Mensch gewesen wäre, von dem er damals geträumt hätte, sondern vielmehr der Teufel, der ihn in sein Netz locken wollte; nichts desto weniger aber bat ihn der Pfarrer, guten Muts zu sein und nach bestem Wissen zu handeln. Der Winter verstrich, und man näherte sich der Zeit der Kreuzmesse.


Am Abend vor der Kreuzmesse gebot Saemund dem Burschen, ihm nach der Kirche zu folgen. Als sie dort hingekommen waren, führte ihn der Pfarrer an den Altar, zog ihm die Messkleider an, gab ihm die Monstranz und den Kelch in die Hand und hieß ihn sich umdrehen. Er gebot ihm, dort stehen zu bleiben, ohne sich zu bewegen, und jedem, der zu ihm träte, Brot und Wein zu reichen, und wenn der zu ihm Tretende nichts genießen wolle, so dürfe er nichts sprechen; und wenn Pfarrer Saemund auch selbst zu ihm käme, dürfe er ihn nicht ansprechen, wenn er Brot und Wein nicht genösse. Dann ging Saemund fort, der Bursch aber tat, wie ihm der Pfarrer vorgeschrieben hatte.

Als er eine Weile am Altar gestanden hatte, kam derselbe Mann zu ihm, den er früher im Traum gesehen hatte. Nun, sagte er, wäre er gekommen, um ihn zu holen, und hieß ihn die Messkleider sofort ausziehen und das Ding fortstellen, das er in der Hand hatte. Der Bursch erwiderte hierauf nichts, sondern reichte ihm nur Brot und Wein. Der andere aber sagte, dass er nicht gekommen sei, um das Abendmahl bei ihm zu nehmen, und forderte ihn eindringlich auf, jetzt zu kommen; der Bursch aber ließ sich nicht irreführen, und der andere begab sich unverrichteter Sache wieder fort. Danach war es dem Burschen, als kämen viele seiner Freunde, einer nach dem andern, zu ihm, und bäten ihn im Bösen und im Guten, den Ort zu verlassen, an dem er stand. Er aber reichte ihnen nur Brot und Wein, keiner von ihnen aber hatte Lust dazu. Da war es ihm, als träte Pfarrer Saemund auf ihn zu und fragte grimmig, was er dort zu tun hätte, indem er ihm gebot, die Kleider sofort auszuziehen, die Dinge wegzustellen, die er in der Hand hatte, und mit hinauszukommen. Auch ihm antwortete der Bursch nichts, sondern reichte ihm nur Brot und Wein. Da machte Pfarrer Saemund ein höhnisches Gesicht, indem er sagte, dass er nicht gekommen sei, um Wohltaten aus seiner Hand zu empfangen, und darauf verschwand auch er. Dem Burschen schien es nun, als kämen allerlei Gespenster und Ungeheuer, ja sogar Teufel herein; es war, als zittere und schwanke die ganze Kirche, und er glaubte, dass sie jeden Augenblick in die Erde versinken oder einstürzen könne. Da erschrak er so sehr, dass er um ein Haar die heiligen Geräte hätte aus den Händen fallen lassen, um sein Heil in der Flucht zu suchen; da hörte er aber, dass die Glocken geläutet wurden. Nun verschwanden augenblicklich alle Mirakel, die er vor seinen Augen zu sehen geglaubt hatte; Pfarrer Saemund aber kam in die Kirche hinein, ging zum Altar und kostete von Brot und Wein. Er sagte darauf zu dem Burschen, dass jede Gefahr vorüber sei; denn jetzt würde ihm keiner mehr nachstellen. Der Bursch war herzlich froh über seine Befreiung und dankte dem Pfarrer, so gut er vermochte. Von dieser Zeit ab war er Saemund sehr zugetan, und man erzählt, dass er seine Fassungsgabe bis zu seinem Todestag behielt und ein ausgezeichneter Mann wurde.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Isländische Märchen und Volkssagen